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Univ.-Prof. i.R. Dr. Franz Martin Schindler

Univ.-Prof. i.R. Dr. Franz Martin Schindler

Ehrenmitgliedschaften: Ferdinandea (Prag) zu Heidelberg, Norica, Austria-Wien, Rudolfina

Geboren: 25.01.1847, Motzdorf (Bezirk Dux, Böhmen; Mockov bzw. Duchcov, Tschechien)
Gestorben: 27.10.1922, Wien
Universitätsprofessor (Moraltheologie), Mitglied des Herrenhauses, Landtagsabgeordneter (Virilist, Niederösterreich), Weltpriester

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Schindler wurde als Sohn eines Landwirts geboren. Sein zweiter Vorname Martin ist sein Firmname, der erst in späteren Jahren von ihm geführt wurde. Sein Geburtsort Motzdorf verödete nach 1945 aufgrund der Aussiedelung der Deutschen und ist heute eine sog. Wüstung.

Schindler trat nach der Volksschule in das bischöfliche Knabenseminar in Mariaschein (Bohosudov, Nordböhmen) ein, besuchte dort das Gymnasium, legte aber seine Maturitätsprüfung Anfang Juli 1865 am Staatsgymnasium in Brüx (Most) ab. Danach trat er in das Priesterseminar in Leitmeritz (Litomerice) ein, wo er an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt studierte. Aufgrund päpstlicher Erlaubnis wurde er am 20. Juli 1869 noch nicht 23-jährig in Leitmeritz zum Priester geweiht, das Studium absolvierte er dann 1870.

AKADEMISCHE KARRIERE

Anschließend war Schindler in der Seelsorge in Radonitz (Radonice) und Drohnitz (Drhonice) tätig. Von Herbst 1874 bis 1877 studierte er als Frequentant des Frintaneums an der Theologischen Fakultät der Universität Wien (Dr. theol. 1877) weiter. Danach kehrte er in seine Diözese zurück und war wieder in der Seelsorge in Schönlinde (Krásná Lipa) tätig.

Bereits Anfang September 1878 wurde Schindler Supplent des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt zu Leitmeritz, ein Jahr später wurde er dann dort als Nachfolger von Wenzel Anton Frind (Fd EM) Ordinarius. Da diese Position nicht ausreichend dotiert war, unterrichtete er zusätzlich Religion am Gymnasium in Leitmeritz. Ab 1885 lehrte er auch Kirchenrecht.

Schon in dieser Zeit legte Schindler sein Augenmerk auf soziale Fragen. Auf dem deutschen Katholikentag 1882 in Frankfurt/Main wurde eine „Freie Vereinigung Katholischer Sozialpolitiker“ initiiert, der deutsche und österreichische Mitglieder angehören sollten. Schindler wurde 1885 vom Vorsitzenden dieser Vereinigung, Karl Heinrich Fürst zu Löwenstein-Wertheim und Rosenberg (AW EM), zugleich auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, zu einer Tagung auf sein Schloß Kleinheubach (Landkreis Miltenberg, Unterfranken) eingeladen. Damit begann Schindlers Reputation als sozialethisch ausgerichteter Moraltheologe.

Mit kaiserlicher Entschließung vom 13. September 1887 wurde Schindler zum ordentlichen Universitätsprofessor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und gleichzeitig zum k. k. Hofkaplan ernannt. Die Ehrenmitgliedschaftsverleihung der Ferdinandea dürfte in diesem Zusammenhang gestanden sein.

DIE ENTEN-ABENDE

Aus einer kleinen losen Arbeitsgemeinschaft, an der einige sozialpolitisch Aktive wie Karl Frhr. von Vogelsang (AW EM) teilnahmen, formte Schindler Anfang 1889 ein regelmäßiges Treffen zur „gemeinschaftlichen Besprechungen über wichtige Zeitfragen“ im Hotel „Zur goldenen Ente“ in der Riemergasse 4 (1. Bezirk; existiert nicht mehr). Die Zusammenkünfte sollten wöchentlich jeden Diensttag stattfinden.

An der ersten Sitzung am Dienstag, dem 29. Januar 1889, nahmen neben Schindler u. a. folgende Personen teil: Viktor Frhr. von Fuchs (AW EM), Albert Geßmann (AW EM), Georg Lienbacher (Fd EM), der spätere Erzbischof von Wien Franz Xaver Kardinal Nagl (Aa EM), Johann Anton Graf Pergen (Nc EM), Kaspar Schwarz (AW), Walter Troll-Obergfell (AW), Maximilian Frhr. von Vittinghoff-Schell (AW) und Karl Frhr. von Vogelsang (AW EM).

Im Laufe der Zeit stießen u. a. noch hinzu: Egbert Graf Belcredi (AW EM), Alfred Ebenhoch (AIn), Friedrich Funder (Cl), Josef Alexander Freiherr von Helfert (AW EM), Richard Kralik Ritter von Meyrswalden (AW EM), Aloys Prinz von und zu Liechtenstein (AW EM), Karl Lueger (Nc EM), Wenzel Ottokar Noltsch (Nc EM), Ambros Opitz (Fd EM), Vinzenz Rabenlechner (Nc), Josef Scheicher (Nc EM), Aemilian Schöpfer (R-B EM), Ignaz Stich (AW), Richard Weiskirchner (AW) und Adolf Rhomberg (AIn EM)

Auf dem Boden dieser Diskussionsrunde trafen sich „Sozialaristokraten“ und einfache Bürger, Anhänger der Katholisch-Konservativen und der noch jungen Christlichsozialen, Priester und Laien, um sozialpolitische Fragen zu erörtern. Ebenso erkennt man an den genannten Teilnehmern, daß es den Verbindungen des CV offenbar gelungen ist, viele dieser an sich zu binden. Damit wird die integrative Bedeutung des CV in der Entstehungsphase des Politischen Katholizismus in Österreich sichtbar.

Auf diesen „Enten-Abenden“ wurde die geistige Richtung und programmatische Grundlage für einen sozial orientierten parteipolitischen Katholizismus in Österreich gelegt. Der erste konkrete Ertrag war das christlichsoziale Programm für die 1891 stattgefundenen Reichsratswahlen. Aber es ging nicht immer „bierernst“ zu, einmal erschien zu einem Enten-Abend als Gast der bekannte „Reiseschriftsteller“ Karl May und beteiligte sich sogar lebhaft an der Diskussion. Im Februar 1898 sprach er dann auch bei einem der Kongresse der Leo-Gesellschaft.

Als sich der Erfolg der Christlichsozialen im Laufe der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts deutlich bemerkbar machte, glaubte Schindler, das Ziel erreicht zu haben. Im November 1896 kündigte er das Ende der Enten-Abende an. Von den Teilnehmern wurde er aber bedrängt, mit diesen weiterzumachen, so daß diese dann bis ins Frühjahr 1898 weitergeführt wurden. Dann war eine bahnbrechende Einrichtung Geschichte geworden.

WEITERE AKTIVITÄTEN SCHINDLERS

Schindler war auch aktiv an der Gründung der Leo-Gesellschaft beteiligt. Sie wurde auf dem 2. allgemeinen österreichischen Katholikentag 1889 angeregt und sollte ein Pendant zur deutschen Görres-Gesellschaft sowie eine Vereinigung katholischer Wissenschaftler werden. Die Gründung zog sich bis Anfang 1892 hin. Schindler wurde ihr erster Generalsekretär. Er übte dieses Amt bis 1913 aus.

In den Jahren 1894/95 wurde ausgehend von katholisch-konservativen Kreisen versucht, in Rom eine Verurteilung der Christlichsozialen herbeizuführen. Schindler, der eine gute Beziehung zum Nuntius in Wien, Antonio Kardinal Agliardi (Nc EM), pflegte, lieferte Gegenargumente, so daß diese Aktion verhindert werden konnte.

Schindler stand auch an der Spitze der Bemühungen um eine christliche Tageszeitung neuen Stils, den die katholisch-konservative Zeitung „Vaterland“ nicht mehr bieten konnte. Bereits auf dem allgemeinen österreichischen Katholikentag von 1889 wurde das angeregt, jedoch erst auf dem 3. allgemeinen österreichischen Katholikentag 1892 in Linz wurden die entsprechenden Beschlüsse gefaßt, wobei Schindler der Vorsitzende des Gründungskomitees wurde. Das war die Geburtsstunde der „Reichspost“. In der Folge war er von 1911 bis 1920 auch Obmann des katholischen Preßvereins „Herold“.

Als Mitglied des Professorenkollegiums der Theologischen Fakultät war Schindler um qualifizierte Berufungen bemüht. Zum einen war das z. B. der Neuscholastiker und Domatiker Ernst Commer (Gu), zum anderen der Reformkatholik und Kirchenhistoriker Albert Ehrhard (AW EM), mit dem Schindler in lebenslanger Freundschaft verbunden war, oder der Kirchenrechtler Rudolf von Scherer (Gu).

EHRUNGEN UND POLITISCHE FUNKTIONEN

Bereits 1893 wurde Schindler zum Päpstlichen Hausprälaten ernann und für das Studienjahr 1904/05 zum Rektor der Universität Wien gewählt. Damit verbunden war für die Dauer dieses Amtes vom 23. September 1904 bis zum 22. September 1905 ein Sitz im niederösterreichischen Landtag (sog. Virilist).

Offenbar in Zusammenhang mit seinem Rektorat steht die Verleihung des Komturkreuzes des Franz-Josefs-Ordens am 3. Oktober 1906. Am 14. Juni 1907 wurde Schindler von Kaiser Franz Joseph zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses des Reichsrates ernannt, dem er vom 17. Juni 1907 bis zur Auflösung der Monarchie angehörte. Man wird in der Annahme nicht fehlgehen, daß diese Berufung in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wahlsieg der Christlichsozialen im Mai 1907 gestanden hat. Bereits 1908 wurde er in die Delegationen des Reichsrats gewählt.

Ende 1913 wurde Schindler zum Apostolischen Protonotar ernannt, womit damals der liturgische Gebrauch der Pontifikalien verbunden war. Im September 1917 trat er als Universitätsprofessor in den Ruhestand. Nachfolger wurde sein Schüler Ignaz Seipel (Nc EM). Damit zusammen hing die Verleihung des Sterns zum Komturkreuz des Franz-Josephs-Ordens (Großoffizier) am 11. Oktober 1917. Bereits seit 1902 wirklicher Hofrat wurde er in den Umbruchstagen im November 1918 zum geistlichen Konsulenten im Rang eines Sektionschefs des Staatsamtes für Unterricht und Inneres in der Provisorischen Staatsregierung berufen, was er bis zu seinem Tod ausübte.

Schindler war 1907 im Gespräch als Bischof von Linz, was aber scheiterte, weil er im Modernismus-Streit eine Nähe zum Reformkatholizismus aufwies. Auch kam eine vielfach gewünschte Ernennung zum Bischof von Leitmeritz 1910 nicht zustande, was wohl auf politische Gründe, nämlich seine Nähe zu den Christlichsozialen sowie Agitationen tschechischer Kreise gegen ihn, zurückzuführen gewesen sein dürfte.

FRANZ MARTIN SCHINDLER UND DER CV

Schindler wurde kurz nach seiner Ernennung zum Professor an der Wiener Universität Ehrenmitglied der Ferdinandea. Bald darauf wurde er zum Ehrenmitglied der Norica erkoren. Weitere Ehrenmitgliedschaften folgten. Seit dieser Zeit war Schindler mit der jungen akademischen Elite der aufstrebenden christlichsozialen Bewegung verbunden. Er prägte durch sein Wirken als ein dem Sozialen verpflichteter Moraltheologe und Priester viele junge CVer, wie etwa Friedrich Funder (Cl).

Schindler wurde auf dem Friedhof in Wien-Hetzendorf begraben.

Werke:

(Auswahl)
Der Lohnvertrag (1893).
Die besonderen Aufgaben der Caritas in der Jetztzeit (1895).
Staat und Arbeitsvermittlung (1901).
Das Kapital-Zins-Problem (1903).
Die Stellung der Theologischen Fakultät im Organismus der Universität. Rektoratsinaugurationsrede (1904).
Die soziale Frage der Gegenwart vom Standpunkt des Christentums (1905, 4. Aufl. 1908).
Lehrbuch der Moraltheologie, 3 Bände (1907, 2. Aufl. 1910).
Leo XIII., der soziale Papst (1910).
Empor die Herzen! (1910).
Begriff und Wesen der Liebe bei Thomas von Aquin (1919).

Quellen und Literatur:

Funder, Friedrich (Cl): Aufbruch zur christlichen Sozialreform. Wien 1953.
Mayr, Leopold: Der Moraltheologe Franz Martin Schindler (1847–1922). Ein Beitrag zur Erforschung der moraltheologischen Lehrkanzel an der Universität Wien. Wien Diss. theol. 1984.
Reichhold, Ludwig: Franz M. Schindler. Von der Sozialreform zur Sozialpolitik (=Politische Akademie. Reihe Kurzbiographien). Wien 1989.
Schönner, Johannes (AW): Moraltheologe und christlichsozialer Parteiprogrammatiker Franz Martin Schindler (1847–1923), in: Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs. Hg. von Jan Mikrut. Band 10. Wien 2003, S. 317–331.
Weiß, Otto: Franz Martin Schindler, in: Neue Deutsche Biographie, Band 22. Berlin 2005, S. 790.
www.landtag-noe.at/service/politik/landtag/abgeordnete (25. 2. 2012)
Fraiss, Johannes (Rd): Die „Österreichische Leo-Gesellschaft“. Ideengeschichtlicher Kontext, Gründung und frühe Entwicklung bis 1900. Wien (theol. Dipl.-Arb.) 2015, S. 71 – 76.