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Maximilian Frhr. von Vittinghoff-Schell

Maximilian Frhr. von Vittinghoff-Schell

Urverbindung: Austria-Wien (21.11.1876)

Bandverbindungen: Rd, FcC, Nc

Geboren: 07.07.1854, Schloß Budischkowitz (Bezirk Neuhaus, Südwestmähren; nunmehr Budíškovice bzw. Jindřichův Hradec, Tschechien)
Gestorben: 29.10.1926, Wien
Zentralfigur des österreichischen Verbandskatholizismus, Gutsbesitzer

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Vittinghoff-Schell, eigentlich Reichsfreiherr von Vittinghoff, genannt Schell zu Schellenberg, wurde als Sohn des August Frhr. von Vittinghoff-Schell und seiner Gemahlin Therese, geb. Gräfin Wallis, geboren. Die Familie Vittinghoff-Schell wurde 1230 erstmals urkundlich erwähnt, ist westfälischer Uradel und weit verbreitet. Es gibt einen protestantischen und einen katholischen Zweig. Das Stammschloß Schellenberg liegt auf dem Gebiet des ehemaligen Hochstifts Essen, einem 1803 säkularisierten Damenstift.

Der Vater war Kürassieroffizier in der österreichischen Armee und erwarb nach seinem Abschied das Landgut Glashütten bei Alland (Niederösterreich). Vittinghoff-Schell wurde auf Schloß Budischkowitz geboren, das seinem mütterlichen Großvater gehörte. Seine Kindheit verbrachte er in Alland und absolvierte 1874 gemeinsam mit Walter Troll-Obergfell (AW) das (nicht mehr bestehende) Jesuiten-Gymnasium in Kalksburg bei Wien. Danach war er ein Jahr auf dem Jesuitenkollegium in Stonyhurst in England.

Im Herbst 1875 begann Vittinghoff-Schell das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Bereits in Kalksburg war er Mitglied der Marianischen Kongregation, und in Wien fand er dann bald Kontakt zum späteren „Männerapostel“ P. Heinrich Abel SJ (AW EM), der einen Kreis von Kalksburg-Absolventen um sich scharte.
Am 3. Februar 1876 wurde der 1874 im Zuge des preußischen Kulturkampfes verhaftete Erzbischof von Posen-Gnesen, Mieczyslaw Kardinal Ledóchowski, freigelassen. Auf seiner Fahrt nach Rom machte er in Wien kurz Station und wurde von der katholischen Bevölkerung begeistert empfangen. Darunter waren auch katholische Studenten, die in der Folge die Gründung eines katholischen Studentenvereines besprachen. Parallel dazu gab es ähnliche Bemühungen um P. Abel.

Am 21. November 1876 wurde in der Katholischen Ressource in der Reichsratsstraße 3 ein katholischer Studentenverein gegründet, der dann den Namen „Katholisch-geselliger Studentenverein der Wiener Hochschulen“ führte. Bei der endgültigen konstituierenden Versammlung am 8. April 1877 wurde Vittinghoff-Schell zum Präses (Senior) gewählt. Beim gerade damals abgehaltenen 1. allgemeinen österreichischen Katholikentag in Wien konnte sich der Studentenverein bereits der katholischen Öffentlichkeit vorstellen. Später wandelte sich dieser Verein in eine farbentragende Verbindung mit dem Namen Austria um.

Ab Oktober 1877 absolvierte Vittinghoff-Schell sein Einjährig-Freiwilligenjahr beim Dragonerregiment Nr. 6 in Brünn. Nach mehreren Waffenübungen brachte er es bis zum Rittmeister der Reserve, wurde aber als solcher zum Landwehr-Dragonerregiment Nr. 3 transferiert. 1879/80 unternahm er mit Freunden eine Pilger- und Jagdreise nach Ägypten und Palästina, Jahre später eine Reise nach Norwegen. Als 1891 Vittinghoff-Schells Vater starb, übernahm er die Verwaltung seines Gutes in Alland, bezeichnete sich als Landwirt und wurde auch Mitglied des Bauernbunds.

ZENTRALFIGUR DES VERBANDSKATHOLIZISMUS

Als gläubiger Katholik engagierte sich Vittinghoff-Schell bereits seit Jugendjahren beim Aufbau des katholischen Organisationswesens, das in den Jahren um 1900 in Österreich einen ersten Höhepunkt erreichen sollte. Er wurde somit einer der führenden frühen Gestalten des Verbandskatholizismus und des Politischen Katholizismus in Österreich. In seiner Person wird sowohl die Verbindung zwischen diesen und dem CV sichtbar, ebenso aber auch die Bedeutung des katholischen Adels zu Beginn dieser katholischen Aufbruchsbewegung.

Vittinghoff-Schell wurde 1886 Obmann des patriotischen katholischen Volksvereins für Wien und 1903 Obmann des Wiener Diözesankomitees der nichtpolitischen Katholikenorganisationen, des sog. „Aktionskomitees“. Dieses war der erste Versuch, die zahlreichen katholischen Vereinigungen einer Koordination durchzuführen und hatte sein Vorbild im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. 1905 wurde der Versuch gemacht, diese Organisationsform auf ganz Österreich auszudehnen. Dies scheiterte jedoch, woraufhin ab 1908 der Volksbund der Katholiken Österreichs ins Leben gerufen wurde, der sein Vorbild im Volksverein der deutschen Katholiken hatte. Vittinghoff-Schell stand im Zentrum dieser Bemühungen, wozu u. a. auch Ernst Graf Sylva-Tarouca (AW EM) als Präsident mehrerer österreichische Katholikentage zählte.

Zu den Adeligen der damaligen Zeit, die den Verbandskatholizismus ab den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts unterstützten, gehörten neben Vittinghoff-Schell und Sylva-Tarouca u. a. auch Anton Graf Pergen (Nc EM), Egbert Graf Belcredi (AW EM) als Präsident der 1. allgemeinen österreichischen Katholikentages, Aloys Prinz von und zu Liechtenstein (AW EM) und Eduard Prinz von und zu Liechtenstein (AW EM), Heinrich Graf Brandis (AIn EM), Karl Graf Chorinsky (AW EM), Alexander Frhr. von Helfert (AW EM).

Vittinghoff-Schell war natürlich auch mit den Katholikentagen eng verbunden, die in unmittelbaren Zusammenhang mit den katholischen Verbänden standen. So war er u. a. einer der „Katholikentags-Kommissäre“, denen die Organisation oblag. Aber nicht nur bei den österreichischen Katholikentagen war er maßgeblich beteiligt, sondern auch bei den bis 1914 stattgefundenen sechs niederösterreichischen Katholikentagen, zu denen damals noch Wien zählte. Neben den Katholikentagen engagierte sich Vittinghoff-Schell für die katholische Presse. Durch seine Initiative entstanden viele Presseorgane, so u. a. die „Reichspost“, die später jahrelang von Friedrich Funder (Cl) geleitet wurde, aber auch der Pius-Verein zur Förderung der katholischen Publizistik, deren Vizepräsident er auch zeitweise war.

Es war geradezu selbstverständlich, daß sich Vittinghoff-Schell auch im parteipolitischen Katholizismus engagierte. Bereits in jungen Jahren war er Obmann der engeren Parteileitung der Katholisch-Konservativen Partei Niederösterreichs. Er wandte sich dann später dem christlichsozialen Gedankengut zu und war auch regelmäßiger Teilnehmer der von Franz M. Schindler (Fd EM) organisierten „Enten-Abende“ (über diese mehr in der Biographie Schindlers). Er wurde jedoch in kein Amt gewählt. Bereits 1886 wurde er Obmann des patriotischen katholischen Volksvereins für Wien.

1848 wurde als ältester Verein der Katholiken Wiens der „Katholikenverein für Glaube, Freiheit und Gesittung“ gegründet. 1851 nahm er den Namen Severins-Verein an. 1853 führte er als Dank für die Errettung Kaiser Franz Josephs bei einem Attentat eine jährliche Wallfahrt nach Klosterneuburg ein, deren Tradition dann P. Abel 1904 übernommen hatte und zur traditionsreichen „Männerwallfahrt“ machte. Vittinghoff-Schell wurde 1899 zum Präsidenten dieses Vereins gewählt und hatte dieses Amt bis 1914 inne. Ebenfalls 1899 wurde er zum Präsidenten des Verbandes katholischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen Österreichs gewählt.

Vittinghoff-Schell war noch Mitglied bzw. Funktionär zahlreicher weiterer katholischer Vereine in Wien und Niederösterreich und engagierte sich auch in vielen Wohltätigkeitsvereinen. So initiierte er 1903 als Dachverband den „Reichsverband der katholischen Wohltätigkeits-Organisationen Österreichs“, einer Vorform des Caritasverbandes, deren Präsident er bis 1914 war. Nach dem Krieg wurde an dessen Stelle der „Österreichische Caritasverband für Wohlfahrtspflege und Fürsorge“ gegründet, dessen Präsident ebenfalls Vittinghoff-Schell war.

„Dieser Mann war durch mehr als drei Jahrzehnte der unbestrittene Führer der Katholiken Wiens, das umsichtige und tatkräftige Haupt der gesamten Katholikenorganisation und Präsident des Caritasverbands, der Vorarbeiter und Leiter der Katholikentage“, so Josef Leb (AW) in der Academia, Februar 1927.

VITTINGHOFF-SCHELL UND DIE AUSTRIA BZW.

DER CV

Vittinghoff-Schell war Mitbegründer und erste Präside – im Rückblick erster Senior – des später zur Austria gewordenen Katholischen Studentenvereins Wiens. Er blieb zeitlebens mit seiner Austria, wo er den Couleurnamen Gracchus annahm, und dann später mit dem CV eng verbunden, von wo er seine Mitarbeiter und Mitstreiter für den Aufbau der katholischen Bewegung holte. Er war auch der erste Adelige, der Urmitglied einer österreichischen CV-Verbindung wurde und dies auch bis zu seinem Tod blieb.

Obwohl bereits durch Krankheit (Schlaganfall) und Alter schwer gezeichnet wollte es sich Vittinghoff-Schell nicht nehmen lassen, als Stifter und erster Senior beim 50. Stiftungsfest der Austria am 5. Juni 1926 dabei zu sein. Er legte zum letzten Mal das Burschenband und das Cerevis an. Da seine Beine bereits versagten, wurde er von vier jungen Bundesbrüdern jubelnd auf einem Tragstuhl in den Saal gebracht. „Wie wenn die Gegenwart ihre kostbare Vergangenheit auf den Händen tragen wollte. Welch ein Moment von ergreifender Bedeutung! Und so wie die Austria im Jahr 1876 sein erstes Auftreten im öffentlichen Leben war, so war sie, 50 Jahre alt, im Jahr 1926 sein letztes.“ (Josef Leb)

Vittinghoff-Schell ehelichte Marie Gräfin Belcredi, die Tochter von Richard Graf Belcredi, der 1865 bis 1867 österreichischer Ministerpräsident war. Nach ihrem Tod 1912 ehelichte er Ida Gräfin Kielmansegg, eine Tochter des k. u. k. Feldmarschalleutnants Oswald Graf Kielmansegg.

Vittinghoff-Schell, der auch den Titel eines k. u. k. Kämmerer erhielt, wurde auf dem Friedhof zu Alland (Niederösterreich) beerdigt. Die Einsegnung nahmen der Abt des Stiftes Heiligenkreuz, Gregor Pöck (Aa EM), so wie der Präsident des Volksbundes der Katholiken, Jakob Fried (Am), vor.

Quellen und Literatur:

Academia 39 (1926/27), S. 202.
Leb, Josef (AW): Maximilian Freiherr von Vittinghoff-Schell. Ein Lebensbild. Wien 1927.
Academia 39 (1926/27), S. 202.
Reichspost, 31. 10. 1926, S. 6 und 24, sowie 3. 11. 1926, S. 5.
Hartmann, Gerhard (Baj): Der CV in Österreich. Seine Entstehung, seine Geschichte, seine Bedeutung. Kevelaer 4. Aufl. 2011, S. 313.