Lebenslauf:
Lienbacher wurde als Sohn eines Bauern (Kleinhäuslers) und späteren Schindelmachers geboren. Sein um 15 Jahre jüngerer Bruder war Matthias Lienbacher, Mitglied des Salzburger Domkapitels, zeitweise Professor für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät in Salzburg, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und Landeshauptmannstellvertreter von Salzburg.
Nicht zuletzt durch seinen Bruder, der bereits Priester war, konnte Lienbacher von 1834 bis 1842 in Salzburg das Gymnasium sowie das Philosophikum absolvieren und durch ein Stipendium der Stadt Hallein an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (abs. iur. 1846) studieren. Nach dem Studienende trat er in den Justizdienst ein und war an verschiedenen Gerichten tätig. 1854 wurde er, da der ungarischen Sprache mächtig, zuerst Oberstaatsanwaltstellvertreter und ab 1856 Landesgerichtsrat in Ofen (Buda). 1859 wurde er zum Leiter der Staatsanwaltschaft Wien berufen, wechselte aber 1861 ins Justizministerium, wo er in der Legislativabteilung tätig war. Dort erarbeitete er eine Reihe von Gesetzesvorlagen, darunter auch das Pressegesetz. Ab 1867 war er in der Polizeisektion des k. k. Ministerratspräsidiums tätig.
1870 wurde Lienbacher dem Oberlandesgericht Wien zugewiesen und 1880 Hofrat am Obersten Gerichts- und Kassationshof. Von 1882 bis zu seinem Tod 1896 war er Mitglied des Reichsgerichts, des obersten Gerichtshofes der österreichischen Reichshälfte der k. u. k. Monarchie, des dem nunmehrigen Verfassungsgerichtshof entsprach. 1887 wurde er als Beamter bzw. Richter in den Ruhestand versetzt.
Obwohl Lienbacher in Wien beruflich tätig war, engagierte er sich so wie sein Bruder in seinem Heimatland politisch. 1870 wurde er in den Salzburger Landtag gewählt, dem er ab August 1870 bis zu seinem Tod angehörte. Ab 1890 bis zu seinem Tod war er auch Mitglied des Landesausschusses, einer Vorform der späteren Landesregierung. Im Salzburger Landtag wurde er rasch zur bestimmenden Persönlichkeit. Besonders bemühte er sich um soziale Fragen vor allem im Zusammenhang mit der Landwirtschaft und der Errichtung einer Katholischen Universität in Salzburg. So war er 1884 Mitbegründer und dann bis 1888 erster Präsident des Vereins zur Gründung einer katholischen Universität in Salzburg und dann bis 1889 Vizepräsident.
Mit seiner Politik geriet Lienbacher aber zunehmend in Gegensatz zu dem zwischen 1880 und 1890 amtierenden Landeshauptmann Karl Graf Chorinsky (AW EM). Das führte 1887 zur Gründung einer eigenen Partei bzw. eines eigenen Klubs zwischen Konservativen und Liberalen, eines Zentrumsklubs bzw. einer Deutschkonservativen Mittelpartei, und bei den Landtagswahlen 1890 zur Brechung der konservativen Mehrheit. Landeshauptmann Chorinsky wurde nicht mehr wiedergewählt.
Lienbacher kandidierte 1873 auch bei den Reichsratswahlen, wurde gewählt und gehörte diesem vom 4. November 1873 bis 22. Mai 1879 (V. Wahlperiode), vom 23. Februar 1882 bis 22. Januar 1884 (teilweise in der VI. Wahlperiode) und vom 22. September 1885 bis zu seinem Tod an (VII. und VIII. Wahlperiode). Im Reichsrat betrieb er u. a. die Erweiterung des Wahlrechts auf die sog. „Fünfguldenmänner“ (1882) und geriet dadurch immer mehr in Gegensatz zu Ministerpräsident Eduard Graf Taaffe und seines sog. „Eisernen Rings“.
Mit der Gründung eines „Agrarklubs“ (1883, bis 1892 Obmann) und einer „Freien Agrarvereinigung“ (1891) begegnete Lienbacher einer politischen Isolation innerhalb des konservativen Lagers. Von 1888 bis 1896 war er Präsident der Salzburger Landwirtschaftsgesellschaft. Auch wenn er in gewisser Opposition zur klassischen konservativen Politik und deren Vertretern stand, blieb er in seiner Grundausrichtung weiterhin katholisch-konservativ und kirchentreu. Wegen seiner vielfältigen Verdienste um die Bauern bzw. die Landwirtschaft, insbesondere in Salzburg, erhielt er die Ehrenbürgerschaft von 43 Gemeinden und den Beinamen „Herzog von Salzburg“.
Lienbacher wurde von der damals jungen Ferdinandea im Oktober 1887 zum Ehrenburschen ernannt, was nach ihrer Aufnahme in den CV in eine Ehrenmitgliedschaft umbenannt wurde. Anläßlich seines Todes vermerkt der Chronist der Ferdinandea: „Auf seiner Besitzung Georgenberg in Salzburg aber starb […] Georg Lienbacher, einer der ältesten Helfer und Freunde, der besonders dem ursprünglichen Verein bei Ratschlägen und Interventionen ein williges Ohr lieh, vor allem auch, als im österreichischen Abgeordnetenhaus im Jahre 1888 von der Regierung eine Vorlage über das Gesetz für die akademischen Vereinigungen eingebracht wurde.“
Lienbacher erwarb 1868 eine Landwirtschaft in Georgenberg (Kuchl) und wurde auf dem Kommunalfriedhof Salzburg begraben.
Werke:
(Auswahl)Anklagegrundsatz und Anklageform (1857).
Die Preßfreiheit und die Regierungsvorlage (1861).
Praktische Erläuterungen des österreichischen Preßgesetzes (1868).
Das österreichische Polizeistrafrecht (1873, 4. Aufl. 1879).
Quellen und Literatur:
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 5, Wien 1972, S. 210.Steinkellner, Friedrich: Georg Lienbacher. Salzburger Abgeordneter zwischen Konservativismus, Liberalismus und Nationalismus 1870–1896. Wien (Geyer Edition) 1984 (Diss.)
Katholisch Deutsche Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg im CV. 1886 – 1986. Band I 1885–1918. Gründerzeit. Hg. von Rudolf Geser und Rolf Wilflingseder. Heidelberg 1986, S. 31 und 79.
https://www.parlament.gv.at/WWER/PARL/J1848/Lienbacher.shtml