Lebenslauf:
Commer wurde als Sohn des Komponisten und Musikforschers Franz Commer geboren, der einer alten Kölner Patrizierfamilie entstammte. Nach dem Abitur begann Commer mit dem Studium an den Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Berlin, Bonn und Göttingen (Dr. iur. 1869). Nach Studienende war er kurze Zeit als Gerichtsreferendar tätig, um dann ab 1870 mit dem Berufswunsch Priester das Studium der Philosophie und Theologie in Tübingen zu beginnen, wo er der Guestfalia beitrat. Er setzte es dann in Würzburg fort, wo er bei Markomannia aktiv war.
Am 28. Juni 1872 empfing Commer in Breslau die Priesterweihe. Berlin gehörte damals zum Bistum Breslau. Anschließend war er für kurze Zeit Kaplan in Hirschberg am Riesengebirge in Schlesien (nunmehr Jelenia Góra). 1873 wurde er vom Bischof zum Weiterstudium an die Päpstlichen Universität Gregoriana und das Collegium S. Thomas (dort Dr. theol. 1880) geschickt, wo er zeitweise auch Vizerektor der Anima war. 1875 wurde er vom Bischof von Regensburg gebeten, um an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt als Repetitor für Philosophie zu wirken.
Da Commer noch nicht als Dr. theol. promoviert worden war, bekam er noch keine akademische Anstellung. Daher nahm er das Angebot als Professor für Philosophie am St. Edwards College (Priesterseminar) in Liverpool an. Nach seiner Promotion wurde er nun am 9. Oktober 1884 zum außerordentlichen Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Münster und am 4. April 1888 dort zum ordentlichen Professor für Fundamentaltheologie und philosophisch-theologische Propädeutik ernannt. Hier bekam er Kontakt zur Saxonia, deren Bandphilister er wurde.
Im Jahr 1900 galt es, den Lehrstuhl für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität in Wien zu besetzen. Das Professorenkollegium war hierbei geteilt. Die aufgeschlosseneren Mitglieder, u. a. Franz Martin Schindler (Fd EM), Albert Ehrhard (AW EM), Rudolf von Scherer (Gu EM), wollten jemanden von außen berufen, um gegen den Provinzialismus ein Zeichen zu setzen. Darin wurden sie von Unterrichtsminister Wilhelm von Hartel wie auch von Kaiser Franz Joseph unterstützt. Somit wurde Commer am 1. Oktober 1900 zum ordentlichen Universitätsprofessor für Dogmatik ernannt.
Commer war anfänglich durchaus aufgeschlossen und stand dem Wirken des Würzburger Theologen Hermann Schell (Mm EM), des Haupts der reformkatholischen Schule, durchaus positiv gegenüber. Im Zusammenhang mit den antimodernistischen und integralistischen Strömungen in Rom, die in der Enzyklika Pius X. „Pascendi Dominici gregis“ und dem mit ihr zusammenhängenden Dekret „Lamentabili sane exitu“ die im Jahr 1907 ihren Höhepunkt erreicht hatten, wo 65 Zeitirrtümer verurteilt wurden, wandelte sich Commer aus naiver Autoritätsgläubigkeit zu einer der führenden Gestalten einer rigiden, strikt römisch orientierten Neuscholastik.
Dadurch kam es zu einer Frontstellung Commers gegen alle neueren philosophisch-theologischen Strömungen, so auch gegen Schell und Ehrhard. Vor allem mit Schell setzte er sich intensiv auseinander. Er gehörte daher ähnlich wie der Dominikaner Albert Maria Adalbert Weiß (AW EM) zu den Verfechtern eines Integralismus und Antimodernismus. Es trat nun die sonderbare Situation ein, daß der ursprünglich als aufgeschlossen gegolten habende Commer, der auch von solchen Mitgliedern des Professorenkollegiums favorisiert wurde, sich nun ins Gegenteil verkehrt hat. Hingegen war sein damaliger, von konservativer Seite geförderter Gegenkandidat eigentlich nun aufgeschlossener.
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Theologischen Fakultät nahmen im Zuge des von Rom verordneten Antimodernisteneides um 1910 zu. Das wird wohl einer der Gründe gewesen sein, daß sich Commer – ähnlich wie sein Kontrahent und Bundesbruder, der Kirchenrechtler Rudolf von Scherer (Gu EM) – am Ende des Sommersemesters 1911 krankheitshalber pensionieren ließ. Rom verlieh ihm aus diesem Anlaß ehrenhalber den Titel eines Apostolischen Protonotars (Prälat).
Commer bekam nach seiner Berufung nach Wien rasch Kontakt zur Norica sowie dann zur Rudolfina und wurde dort deren Bandphilister h. c. Wie Meldungen in der „Academia“ zu entnehmen ist, war er bei der Norica oft und gern gesehener Gast. So berichtete er auf der Antrittskneipe der Norica am 23. April 1902 von einer Audienz bei Papst Leo XIII., dem er eine Ergebenheitsadresse der fünf katholischen Verbindungen Wiens überreicht hatte. Der Papst war über die Adresse „dieser lieben Studenten“ hoch erfreut und hatte sie als eine „sehr wichtige Sache“ bezeichnet. Auf dieser Reise begleitete ihn übrigens der in Wien studierende und bei Franz Hemala (Nc) zur Untermiete wohnende spätere italienische Ministerpräsident Alcide de Gasperi, der bei Commer Vorlesungen hörte und für ihn gelegentlich arbeitete.
Im Gesamtverzeichnis 1914 ist Commer noch bei seinen sämtlichen Verbindungen aufgeführt. Im Verzeichnis 1920 (nur für Österreich) steht er nur noch bei der Norica. Ab den Gesamtverzeichnis 1924 fehlt er dann vollständig. Das deutet auf ein Ausscheiden aus dem CV hin. Obwohl sich die Gründe dafür nicht mehr feststellen lassen, scheint vieles auf eine Verbitterung hinzudeuten, die auch im Zusammenhang mit seiner vorzeitigen Pensionierung („krankheitshalber“) stehen könnte. Diese dürfte bei ihm derart groß gewesen, daß auch sein anhand der zahlreichen Bänder bewiesenes Engagement im und für den CV davon nicht verschont geblieben ist.
Commer, der sich eigentlich primär als Philosoph verstanden hatte, war einer der gebildetsten und schillerndsten Erscheinungen auf dem Wiener Dogmatiklehrstuhl. Er lebte später in Graz, wo er auch gestorben ist, und wurde in der Gruft der nun ehemaligen Grazer Dominikanerkirche (Münzgrabengasse) begraben.
Werke:
(Auswahl)System der Philosophie, 4 Bände (1883–1886).
Logik (1897).
Die immerwährende Philosophie (1899).
Die Kirche in ihrem Wesen und Leben (1904).
Hermann Schell und der fortschrittliche Katholizismus. Ein Wort zur Orientierung an gläubige Katholiken (1907).
Die jüngste Phase des Schellstreites (1909).
Quellen und Literatur:
Academia 14 (1901/02), S. 225 und 292, 15 (1902/03). S. 18 und 207.Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien. 1884–1984. Festschrift zum 600-Jahr-Jubiläum. Hg. Ernst Christoph Suttner. Berlin 1984, S. 158–173.
Bautz. Friedrich Wilhelm: Ernst Commer, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band 1 (1990), 1112f.
Völkl, Michael: Das Deutschlandbild Alcide de Gasperi (1881–1954). Ein Beitrag zur Geschichte der italienischen Deutschen-Wahrnehmung. München phil. Diss. 2004, S. 58.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 104.