Lebenslauf:
HERKUNFT UND AUSBILDUNG
Klaus wurde am „hohen Frauentag“ als Sohn eines Bäckers geboren. Die Mutter war die Tochter eines Bergbauern. Der Vater mußte 1914 einrücken, so daß die Mutter die Bäckerei aufgab und danach eine Buchhandlung in Mauthen betrieb. Der Vater kehrte geschwächt aus dem Krieg bzw. der Kriegsgefangenschaft zurück und starb bereits 1922.
Wegen seines guten Schulerfolgs trat Klaus 1921 in das Bischöfliche Knabenseminar in Klagenfurt ein. Er mußte dieses wegen eines disziplinären Vorfalls nach der 4. Klasse verlassen und wohnte dann im Kolpinghaus. Dem Kolpingverband blieb er zeitlebens verbunden. Während der Gymnasialzeit trat er der katholischen Pennalie Gothia (nunmehr aufgrund Fusionen Babenberg Klagenfurt, MKV) bei, wo er mehrere Male Senior war. 1929 legte er die Reifeprüfung ab.
Danach studierte Klaus an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1934), wo er der Rudolfina beitrat (Couleurname Ulk). Sein Leibbursch war Theodor Veiter (ehemals Rd). Eine Hochcharge bekleidete er nicht. Ein Semester studierte er 1931 in Marburg/Lahn, wo er bei der Palatia aktiv war, jedoch dort nicht Bandphilister wurde.
KLAUS ALS HOCHSCHULFUNKTIONÄR
Klaus engagierte sich ab Herbst 1930 im Katholisch-Deutschen Akademikerausschuß (KDAA) und in der Deutschen Studentenschaft (DSt) an der Universität Wien. Er wurde dort Leiter des Grenzlandamtes und in die Studentenvertretung (Kammer) der Universität entsandt. Da er 1932 als Nachfolger seine Leibburschen Theodor Veiter (ehemals Rd) zum Vorsitzenden des Katholisch-Deutschen Akademikerausschusses (KDAA) an der Universität Wien gewählt wurde, war er gleichzeitig auch deren Fraktionsführer.
Am 3. Dezember 1932 wurde Klaus bei den Auseinandersetzungen zwischen CVern und nationalsozialistischen bzw. deutschnationalen Studenten in der Universität durch einen Hieb mit einer Stahlrute am Kopf verletzt (Platzwunde) und mußte sich in Spitalsbehandlung begeben. Mit ihm wurde u. a. auch Fritz Miklas (Kb), der Sohn von Bundespräsident Wilhelm Miklas (AW EM), verletzt. Die Folge war u. a., daß die KDHÖ aus der DSt ausgetreten ist.
Klaus war dann Ende 1932 und Anfang 1933 als Vertreter Österreichs bzw. der KDHÖ an den Vermittlungsbemühungen zwischen dieser und der DSt beteiligt. Der sog. „Österreichausschuß“ tagte am 18. und 19. März 1933 in Wien. Man unternahm einen letzten Versuch einer Einigung, obwohl im Deutschen Reich die politischen Umwälzungen bereits im vollen Gange waren und dort der CV mit dem Rücken zur Wand stand. Obwohl keine endgültige befriedigende Situation eingetreten war, wurde die Mitarbeit des KDHÖ in der DSt mit Ende März vereinbart. Doch die politischen Ereignisse nahmen ihren weiteren Verlauf, so daß es letztendlich zur Abschaltung des österreichischen CV kam.
Im Frühjahr 1933 wollte übrigens der Sohn des späteren Wiener Bürgermeisters Richard Schmitz (Nc), Bruno Schmitz (ehemals Nc), das Amt des Vorsitzenden des KDHA Wien, das Klaus innehatte, an sich reißen. „Schon damals war es ein Bruno, der, ähnlich wie andere Brunos 1966 und 1970, nach meinem Sessel trachtete.“ (Klaus, Macht und Ohnmacht, S. 26) Da Klaus sein Studium beenden wollte, stimmte er zwar seiner Ablösung zu, schlug aber als Nachfolger Heinrich Drimmel (NdW) vor, der es dann auch wurde. Im Zuge der Auflösung der DSt im Frühjahr 1933 und der Einrichtung von Sachwalterschaften wurde Klaus dann zum Sachwalter der Universität Wien bestellt.
Noch war der österreichische CV nicht eigenständig und erlebte die Gleichschaltung des CV in Deutschland mit. Im Zuge dessen wurde der CV in Kreise eingeteilt. Österreich sollte der Kreis IV sein. Wegen dieser Neuordnung wurde vom Vorort Aenania für den 18./19. Juni 1933 in Marienbad (Máriánské Lázne, Tschechoslowakei) eine Tagung einberufen, an der aus Österreich neben Robert Krasser (Nc) auch Klaus (Rd) teilnahm.
Es ist unbestritten, daß Klaus in diesen Jahren dem großdeutsch gesinnten Flügel des österreichischen CV angehörte, der sich vornehmlich im Kreis der hochschulpolitisch Aktiven befand. Einen großen Einfluß übte hier der damalige Beamte des Unterrichtsministeriums Wilhelm Wolf (ehemals AIn) aus. Er war dann „Außenminister“ im Anschlußkabinett Seyß-Inquart. Laut eigenen Angaben gehörte Klaus zu dessen engeren Kreis und nahm auch an dessen Begräbnis im Juli 1939 in Salzburg teil.
DIE JAHRE 1934 BIS 1945
Nach Studienende im März 1934 und einer kurzen Gerichtspraxis wurde Klaus über Vermittlung von Wilhelm Wolf 1934 persönlicher Sekretär von Johann Staud, dem Präsidenten des ständestaatlichen Gewerkschaftsbundes. In dieser Zeit gründete er zusammen mit Karl Kummer (Aa), Franz Hemala (Nc), Leopold Kunschak (Nc EM) und Karl Rehor, dem Ehemann der in der Regierung Klaus II amtierenden Sozialministerin Grete Rehor, die soziale Jugendbewegung „Junge Front“.
1936 wechselte Klaus zur Wiener Arbeiterkammer und war dort stellvertretender Leiter der Abteilung Volkswirtschaft und Statistik. Von dieser Position wurde er nach dem Anschluß entfernt und war danach im Holzhandel tätig. Sonst erlitt er seitens der Nationalsozialisten keine Verfolgungen. Zum einen war er zumindest ab 1936 an keiner exponierten Stellung des „Ständestaates“ tätig, zum anderen könnten ihm ähnlich wie bei Heinrich Drimmel (NdW) die früheren Kontakte in der Deutschen Studentenschaft geholfen haben.
Im Juni 1939 wurde Klaus zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Er machte den Polen- und Frankreichfeldzug mit, war dann Liegenschaftsverwalter der Salzburger Wehrkreisverwaltung und Verpflegungsleiter einer Gebirgsdivision am Eismeer. Nach einer Reserveoffiziersausbildung Mitte 1944 erlebte er die letzten Kriegstage bei der „Führerreserve des OKH“ in Süddeutschland, wo er am 26. April 1945 bei Ulm in US-Gefangenschaft geriet, aus der er am 10. November 1945 nach Hallein (Salzburg) zurückkehrte, von wo seine Frau stammte und wo er inzwischen wohnte.
KLAUS ALS LANDESHAUPTMANN VON SALZBURG
Klaus erhielt nach seiner Rückkehr nach Hallein sofort das Angebot, für den dortigen Gemeinderat zu kandidieren. Er lehnte aber ab, weil er sich zum Rechtsanwalt ausbilden lassen wollte. Im Mai 1948 eröffnete er dann in Hallein eine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Zwischenzeitlich engagierte er sich im katholischen Organisationsleben. So wurde er Vizepräsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Salzburg und Leiter des dortigen Katholischen Bildungswerkes.
Ebenso im Jahr 1948 wurde er ÖVP-Bezirksparteiobmann des Tennengaus. Aufgrund des Auftretens des VdU bei den Wahlen am 9. Oktober 1949 verlor die ÖVP Stimmen, so daß der bisherige Landeshauptmann Josef Rehrl (AW EM) zurücktrat. Auf Vorschlag des späteren Landeshauptmannstellvertreters Michael Haslinger (AIn EM) wurde Klaus am 1. Dezember 1949 zum Landeshauptmann von Salzburg gewählt. Dieses Amt übte er bis zum 17. April 1961 aus, also elf Jahre und viereinhalb Monate.
Als der „gänzlich unbekannte Dr. Klaus“ 1949 zum Landeshauptmann gewählt wurde, gehörte er nicht dem Landtag an. Er kandidierte erst im Oktober 1954 für diesen und gehörte ihm ab 11. Dezember 1954 an, legte aber das Mandat bereits am 1. Juni 1955 zurück. Neuerlich kandidierte er bei den Landtagswahlen im Mai 1959. Er gehörte dann dem Landtag ab 2. Juli 1959 an, legte aber schon am 15. Juli das Mandat zurück. Am 21. Dezember 1952 wurde er auch ÖVP-Landesparteiobmann, welche Funktion er bis zum 20. September 1964 ausübte.
Zu den Kompetenzen des Landeshauptmannes Klaus zählten die Landesfinanzen, die Wirtschafts- und Schulpolitik sowie die Personalfragen des Landes. Unter seiner Landeshauptmannschaft holte das Land Salzburg wirtschaftlich enorm auf. Das wurde auch dadurch begünstigt, daß es zur US-Besatzungszone gehörte und dadurch stärker von der Marshall-Hilfe profitieren konnte. So wurden zu seiner Zeit u. a. das neue Salzburger Festspielhaus errichtet, der Architekt war Clemens Holzmeister (Nc), und das Kraftwerk Kaprun gebaut. Ebenso förderte Klaus den für dieses Land wichtigen Fremdenverkehr und die damit zusammenhängenden Infrastrukturmaßnahmen (Straßen, Seilbahnen).
DER SCHRITT IN DIE BUNDESPOLITIK
Nach den für die ÖVP ungünstig ausgegangenen Nationalratswahlen im Herbst 1959 rührten sich in der Partei „die Reformer“, zu denen maßgeblich auch Klaus gehörte. So verfaßte er gemeinsam mit dem späteren Staatssekretär Karl Pisa für den ÖVP-Bundesparteitag im Februar 1960 ein Aktionsprogramm. In der Folge wurden dort Alfons Gorbach (Cl) zum Bundesparteiobmann und Hermann Withalm (Nc) zum Generalsekretär der ÖVP gewählt.
Am 11. April 1961 trat Klaus in die Regierung Gorbach als Finanzminister ein. Somit erhielt er als „Reformer“ und Vertreter einer „neuen Sachlichkeit“ in der Politik die Möglichkeit, seine Ideen im Rahmen dieses Ressorts umzusetzen – er war als „Sparmeister“ in die Regierung eingetreten. Die Nationalratswahlen des Jahres 1962 gingen zwar für die ÖVP besser aus. Klaus kandidierte für die ÖVP im Wahlkreis Salzburg und erhielt ein Mandat. Dem Nationalrat gehörte er dann vom 14. Dezember 1962 an.
Die ÖVP „verlor“ jedoch die Regierungsverhandlungen. Klaus lehnte einen Verbleib als Finanzminister im Kabinett Gorbach II ab und schied am 27. März 1963 aus der Regierung. Ebenso legte er am 2. April 1963 sein Nationalratsmandat zurück, so dass ihm als einzige politische Funktion die des Landesparteiobmanns blieb. Er kehrte nach Salzburg zurück und nahm seine Tätigkeit als Anwalt wieder auf. Die Öffentlichkeit kreidete ihm diesen Schritt nicht an und sah darin einen Beweis seiner Charakterstärke, was ihm bald nützen sollte.
KLAUS ALS BUNDESKANZLER EINER GROSSEN KOALITION
Aufgrund der verlorenen Regierungsverhandlungen und der Bundespräsidentenwahlen verzichtete Gorbach im September 1963 auf seine Wiederwahl als ÖVP-Obmann. Bereits im August kam es zu Gesprächen zwischen einflußreichen Landespolitikern, die Klaus aufforderten für den Parteivorsitz zu kandidieren. Auf dem Klagenfurter Parteitag kam es dann am 20. September 1963 zu einer Stichwahl mit Heinrich Drimmel (NdW). Klaus wurde mit 252 zu 144 Stimmen zum Bundesparteiobmann gewählt. Gleichzeitig legte er den Salzburger Landesparteivorsitz zurück.
Wie bereits in den Jahren 1952/53 und 1960/61 gab es nun wieder eine Doppelspitze. Die Ämter des Bundeskanzlers sowie des ÖVP-Bundesparteiobmanns waren jeweils getrennt besetzt, was naturgemäß die Spannungen zwischen diesen beiden erhöhte. Gorbach erklärte daher Anfang 1964 seinen Rücktritt als Kanzler, und Klaus wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Das führte zu nochmaligen, schwierigen Koalitionsverhandlungen.
Schließlich wurde Klaus am 2. April 1964 zum Bundeskanzler ernannt. Seinen beiden Regierungen gehörten u. a. an als Bundesminister: Fritz Bock (NdW) als Vizekanzler, Franz Hetzenauer (Vi) (auch Staatssekretär), Stephan Koren (Le EM) (auch Staatssekretär), Vinzenz Kotzina (Am) (auch Staatssekretär), Alois Mock (Nc), Georg Prader (Nc), Wolfgang Schmitz (Nc), Kurt Waldheim (Wl EM), Ludwig Weiß (Rd) und als Vizekanzler Hermann Withalm (Nc). Staatssekretäre waren u. a. Carl H. Bobleter (AIn), Karl Gruber (AW), Franz Haider (NbW), Roland Minkowitsch (Pan EM), Heinrich Neisser (Rd) und Josef Taus (Baj).
Mit Josef Klaus zog die „neue Sachlichkeit“ in die Regierungsarbeit und die ÖVP ein. Politische Entscheidungen sollten sich auf wissenschaftliche Informationen stützen, eine Professionalität der Politik sollte praktiziert werden, und durch die „Aktion 20“ sollten Zukunftsthemen behandelt werden. Programmatisch wurde das auf einem Bundesparteitag 1965 im „Klagenfurter Manifest“ zusammenfassend beschlossen. Dadurch kam es zu einem positiven Aufschwung in der ÖVP, der ihr 1966 die absolute Mehrheit brachte. Vor allem für seine zweite Regierung wählte er wegen des hohen Reformbedarfs das Motto „Res publica semper reformanda“.
Die Zeit der Regierung Klaus I war von verschiedenen innenpolitischen Auseinandersetzungen geprägt (Olah-Krise, Fussach-Affäre, Rundfunkvolksbegehren, Kronenzeitungs-Putsch usw.). Bei den 1965 stattgefundenen Bundespräsidentenwahlen unterlag zwar der Kandidat der ÖVP, Alfons Gorbach, knapp, doch er erreichte diesmal das beste Ergebnis eines ÖVP-Kandidaten, seit es eine Volkswahl für diese Amt gibt. Überschattet war diese Zeit auch von der sog. Habsburgkrise, die erst in der Alleinregierung Klaus gelöst wurde, als Otto Habsburg-Lothringen (NbW EM) die Einreise nach Österreich gestattet wurde.
KLAUS ALS BUNDESKANZLER EINER ALLEINREGIERUNG
Eine Budget-Krise im Herbst 1965 zwang die Koalitionsregierung zum Rücktritt, die Neuwahlen wurden für den 6. März 1966 ausgeschrieben. Die ÖVP erhielt zum zweiten – und bislang letzten – Mal in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit im Nationalrat. Klaus kandidierte sowohl 1966 wie 1970 im Wahlkreis Wien I (Innere Stadt, Landstraße, Wieden) und gehöre dem Nationalrat ab 30. März 1966 an.
Dieser Erfolg hatte u. a. verschiedene Ursachen: Die große Koalition hatte einen enormen Ansehensverlust erlitten, wobei hier der SPÖ-Vizekanzler Bruno Pittermann, der Opposition in der Regierung betrieb, eine Hauptschuld trug. Er akzeptierte auch eine Wahlempfehlung der KPÖ für die SPÖ, womit er sich zusätzlich einer Kritik aussetzte. Der von der SPÖ ausgeschlossene Franz Olah gründete auch eine eigene Partei (DFP), die der SPÖ Stimmen wegnahm.
Die ÖVP bot trotz ihrer absoluten Mehrheit der SPÖ eine Koalition mit besonderen Bedingungen an, die die SPÖ schließlich ablehnte und in Opposition ging. Mit dem Ende der ersten Phase der Großen Koalition im Jahr 1966 ging, wie Helmut Wohnout (Nc) richtig konstatiert, die Nachkriegszeit in der österreichischen Geschichte zu Ende. Ein neuer Politikstil hielt Einzug, und es war die eigentliche Zäsur auf dem Weg zur Modernisierung Österreichs.
Am 19. April 1966 wurde die Regierung Klaus II ernannt. Sie war übrigens die erste Regierung der Republik Österreich (ab 1918), die aufgrund demokratischer Legimitation von nur einer Partei gestellt wurde. Alle Regierungen vorher in der Ersten und Zweiten Republik – sieht man vom „Ständestaat“ ab – waren Koalitionsregierungen der unterschiedlichsten Art. Sie war auch die erste Regierung in der Geschichte Österreichs, in der eine Frau (Grete Rehor) Regierungsmitglied wurde.
Der Anfangsschwung der Regierung Klaus II schwächte sich jedoch recht bald ab. Bereits 1966 kam es zu einer Diskussion über eine Regierungsumbildung, als Klaus erklärte, daß kein Minister einen Freibrief auf sein Amt habe. Im Zuge von Vorbesprechungen für das Budget 1968 im Sommer 1967 kam es innerhalb der Regierungsmannschaft zu Meinungsverschiedenheiten, die auch in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden.
Diese für die ÖVP ungünstige Optik sowie durch das Erstarken der SPÖ durch den seit Anfang 1967 amtierenden SPÖ-Vorsitzenden Bruno Kreisky hatten ihre Auswirkungen auf die Landtagswahlen in Oberösterreich im Oktober 1967. Bei dieser mußte die ÖVP trotz des beliebten Landeshauptmanns Heinrich Gleißner (S-B) eine empfindliche Einbuße einstecken. Gleißner konnte nur mit Hilfe der FPÖ gehalten werden.
Wie häufig bei solchen Gelegenheiten wurde in der ÖVP recht bald über personelle Konsequenzen diskutiert. Im Dezember 1967 kam es zu vertraulichen Gesprächen zwischen Klaus und dem ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm (Nc) bezüglich einer „Hofübergabe“. Zu einer solchen Konsequenz kam es aber nicht, es wurde am 19. Januar 1968 lediglich die Regierung umgebildet.
Diese Maßnahme konnte jedoch ein weiteres Absinken der ÖVP in der Wählergunst nicht verhindern. Bei den Landtagswahlen in Burgenland (März 1968), Salzburg (März 1969), Wien (April 1969), Niederösterreich und Vorarlberg (Oktober 1969) mußte die ÖVP unterschiedliche Verluste hinnehmen, die auch eine kleine Regierungsumbildung im Juni 1969 nicht verhindern konnte.
Im Herbst 1969 erklärte Klaus, nur bei einer absoluten Mehrheit der ÖVP als Bundeskanzler zur Verfügung zu stehen. Daher wurde der Wahlkampf auf seine Person zugeschnitten, wobei Vorwürfe eines „subtilen Antisemitismus“ gegenüber dem Kandidaten der SPÖ, Bruno Kreisky, laut wurden, nachdem Plakate von Klaus mit der Unterschrift „Ein echter Österreicher“ affichiert wurden.
Die Wahlen am 1. März 1970 endeten mit einer Niederlage der ÖVP. Die SPÖ erhielt eine relative Mehrheit mit einem – vorerst – Vorsprung von zwei Mandaten zur ÖVP. Wegen einer Wahlbeschwerde kam es im Oktober 1970 zu einer Nachwahl, bei der die ÖVP ein weiteres Mandat zugunsten der FPÖ verlor, so daß die Differenz zwischen SPÖ und ÖVP nunmehr drei Mandate betrug.
Klaus erklärte am Wahlabend im Fernsehen, eine Koalition der „Verlierer“ – ÖVP und FPÖ – komme nicht in Frage. Da die FPÖ vor der Wahl erklärte, für sie komme nur eine solche mit der ÖVP in Frage, entstand eine scheinbar ausweglose Situation, aus die der „relative“ Gewinner der Wahl, Bruno Kreisky, mit einer Minderheitsregierung zu entkommen versuchte.
Am 21. Mai 1970 legte Klaus sein Amt als ÖVP-Bundesparteiobmann auf einem Bundesparteitag zurück. Sein Nachfolger wurde Hermann Withalm (Nc). Am 12. November 1970 legte auch Klaus sein Nationalratsmandat nieder und zog sich gänzlich aus der Politik zurück. Dieser relativ plötzliche Rücktritt wurde ihm von vielen übel genommen. Er selber rechtfertigte das im nachhinein damit, daß er ein Zeichen für eine politische Verantwortung und damit für die politische Moral setzen wollte. Im ÖCV gab bzw. gibt es seitdem niemanden mehr, zu dem man „Du, Herr Bundeskanzler“ sagen konnte.
DER LEBENSABEND
Klaus war insgesamt 20 Jahre und 10 Monate in politischen Spitzenfunktionen tätig, davon 19 Jahre und 5 Monate (Anteil 93 Prozent) in arbeitsintensiven Exekutivfunktionen (Landeshauptmann, Bundesminister, Bundeskanzler), und 1970 bereits 60 Jahre alt. Es sollte ihm – vor allem im Land der Frühpensionen – nicht übel genommen werden, wenn er seinen Ruhestand genießen wollte.
Gelegentliche Spekulationen über eine Rückkehr in die Politik, etwa als Spitzenkandidat bei Präsidentschaftswahlen (so 1971 und 1974), dementierte er immer wieder. Jedoch bereits 1971, ein Jahr nach seinem prompten Rückzug, erschienen seinen Memoiren („Macht und Ohnmacht in Österreich“) und war damit nach längerer Zeit – seit Karl Gruber (AW) 1953 – ein ÖVP-Spitzenpolitiker, der politisch-schriftstellerisch tätig wurde. In der Folge hatten dann auch andere Spitzenpolitiker der ÖVP, wie z. B. Hermann Withalm (Nc), Theodor Piffl-Percevic oder Alfred Maleta (Cl), ihre Memoiren der Öffentlichkeit vorgestellt.
Klaus lebte dann zum Teil in Las Palmas auf Gran Canaria (Kanarische Inseln) und war bis gegen Ende der achtziger Jahre auch als ehrenamtlicher Funktionär von Kolping international tätig, so daß ihn sein Weg häufig nach Köln, wo deren Sitz ist, führte. Dem Kolpingwerk war er seit seiner Gymnasiastenzeit eng verbunden und förderte es.
KLAUS UND DER CV
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Leopold Figl (Nc) und Julius Raab (Nc) sowie teilweise auch Alfons Gorbach (Cl) war Klaus nicht von deren durchaus herzlicher Kommunikationsgabe geprägt. Deren Beliebtheit sollte er nicht erreichen. Aber er war, nicht zuletzt wegen seiner anfänglichen Erfolge, vor allem 1966, in den Reihen des CV hoch angesehen und geschätzt. So gab er z. B. anläßlich der Cartellversammlung Ende Mai 1968 in Wiener Neustadt für die Delegierten ein Mittagessen, zu dem er auch kam und eine Ansprache hielt.
Klaus bekannte sich sein Leben lang zum CV, für den er sich seit seiner Studienzeit engagierte und einsetzte. Das beweisen auch seine acht weiteren Bänder. Darunter zählt er auch zu den Mitbegründern der Carinthia Klagenfurt. Außerdem war er noch Bandphilister der Edo-Rhenania Tokio, eine mit dem ÖCV befreundete Verbindung.
Im MKV gehörte Klaus neben seiner Urverbindung Babenberg Klagenfurt (ehemals Gothia) als Bandphilister auch der Ostaricia Wien, der Gothia Althofen und der Austria Krems an.
WÜRDIGUNG
Klaus war in vielfacher Hinsicht der erste Reformer der Zweiten Republik: Er wagte 1966 eine Alleinregierung – zum Teil auch gegen den Widerstand in den eigenen Reihen und gegen öffentlich geäußerten Befürchtungen vor bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen; er war für eine saubere Budgetpolitik, zuerst selber als Finanzminister und dann mit Hilfe seiner Finanzminister Wolfgang Schmitz (Nc) und Stephan Koren (Le EM); er reformierte den maroden Rundfunk (ORF); er forcierte die Verhandlungen mit der EWG, die sich 1967 durch den Südtirol-Konflikt (in diesem Sommer wurde sogar das Bundesheer an der italienischen Grenze eingesetzt) und die Blockade Italiens verzögerten (dieser Konflikt wurde 1969 mit dem „Südtirol-Paket“ einer Lösung zugeführt); er ordnete die Verstaatlichte Industrie mit der Schaffung der ÖIG (später ÖIAG); er schuf neue Ansätze in der Wohnbau- und der Arbeitsmarktförderung; das Wahlalter wurde von 21 auf 19 Jahre gesenkt; die Todesstrafe wurde auch im standrechtlichen Verfahren endgültig abgeschafft; 1967 wurde ein Forschungsförderungsgesetz mit der Einführung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung beschlossen; in Linz, Salzburg und Klagenfurt wurden neue Universitäten gegründet bzw. ausgebaut; ein Rat für Hochschulfragen wurde eingerichtet.
Ein wichtiger Aspekt der Regierung Klaus war die Außenpolitik, wo einige besondere Akzente gesetzt wurden: Neben den Verhandlungen mit der EWG und der Lösung des Südtirol-Konflikts betrieb er eine besondere Ostpolitik, wo Klaus eine aktive Besuchsdiplomatie entfaltete (u. a. in die Sowjetunion, nach Jugoslawien).
Eine der entscheidenden Neuansätze im Regierungsstil von Klaus war die Auswahl seiner engsten Mitarbeiter und Berater sowie die Schaffung eines „Kabinetts des Bundeskanzlers“. Während vorher die Bundeskanzler lediglich ein oder zwei Sekretäre besaßen, die sich auf den „Dienst um die Person des Bundeskanzlers“ konzentrierten, wie es die Sprache des Österreichischen Amtskalenders so treffend-schön formuliert, schuf Klaus mit seinem „Kabinett“ eine politische Koordinations-/Beraterstruktur, die die Klammer zwischen der Arbeit der Regierung, des Parlaments, der Hochbürokratie und der Partei (ÖVP) bildete.
Diese Funktion hatte vorher teilweise der Präsidalsektionschef des Bundeskanzleramtes ausgeübt. Das war von 1947 bis 1967 Eduard Chaloupka (Baj), der von 1955 bis zu seinem Tod noch dazu das Amt eines Vorsitzenden der Verbandsführung des ÖCV bekleidete. Er starb im Sommer 1967 und wäre ohnedies Ende dieses Jahres in Pension gegangen. Danach erreichten die Präsidialsektionschefs, ab 1967 Roland Jiresch (Rd) und dann unter Bruno Kreisky Lukas Beroldingen (Nc), bei weitem nicht diese Stellung.
Klaus besaß eine glückliche Hand in der Auswahl dieser seiner engsten Mitarbeiter, die zum Teil erheblich Karriere machten: Es waren dies z. B. der spätere Generalsekretär des Europarates (1979–1984) und Gründer der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Verbände (AKV) Franz Karasek (Nc), der spätere Bundespräsident Thomas Klestil (Baj), die späteren ÖVP-Bundesobleute Josef Taus (Baj) und Alois Mock (Nc), der spätere Bundesminister Heinrich Neisser (Rd), der spätere ÖVP-Generalsekretär Michael Graff (AW), der spätere Wiener Kulturstadtrat Peter Marboe (Baj) sowie das spätere Bundesratsmitglied bzw. der Spitzendiplomat Friedrich Hoess (NbW). Dieses System setzten die folgenden Bundeskanzler, insbesondere Bruno Kreisky, aber auch andere Regierungsmitglieder fort, so daß hinsichtlich der Karrierelinien der Betreffenden das geflügelte Wort von der „Republik der Sekretäre“ entstand.
Viele der Reformansätze des „Puristen“ Klaus kamen aber zu früh und wurden schließlich vom Wähler nicht honoriert. Durch verschiedene innerparteiliche Konflikte, durch den Korruptionsskandal um Viktor Müllner (ehemals Dan EM), den Bauskandal sowie Probleme in der Regierung verspielte die ÖVP bald das Vertrauen in der Bevölkerung, wie die Landtagswahlen ab Oktober 1967 gezeigt haben. Die danach an der Jahreswende 1967/68 geführten Diskussionen um eine „Hofübergabe“ waren ebenso kontraproduktiv.
Auch war das Krisenmanagement im Zusammenhang mit der Besetzung der Tschechoslowakei im August 1968 nicht optimal und u. a. auch ein Grund für das spätere Scheitern der ÖVP-Alleinregierung. Hinzu kamen noch unpopuläre Maßnahmen des Finanzministers Stephan Koren (Le EM) wie die Erhöhung der Weinsteuer, die zu Bauernprotesten führte, und die Steuer auf Autos.
Die Wahl Bruno Kreiskys zum SPÖ-Parteivorsitzenden 1967, die allgemeinen gesellschaftspolitischen Umwälzungen in Mitteleuropa (1968) in Richtung links, womit eine Trendwende in der „veröffentlichten Meinung“ (ORF, Presse) verbunden war, aber auch die Ablöse des deutschen CDU-Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger (KV Alamannia Tübingen) durch eine von der SPD geführten Regierung unter Willy Brandt waren gewissermaßen auch Wegbereiter zum Verlust der Macht an die SPÖ im Jahr 1970.
Klaus lebte mit seiner Frau Erna, die er 1936 ehelichte, ab 1995 in einem Altersheim in Wien-Döbling. Er gab zu seinem 90. Geburtstag dem ORF sein letztes Interview. Anfang des Jahres 2001 starb seine Frau, ein halbes Jahr später folgte er ihr nach. Das Begräbnis auf dem Grinzinger Friedhof fand am 1. August statt. Die Gedenkmesse für ihn, an der der CV plen. col. teilnahm, zelebrierte der Alterzbischof von Wien, Franz Kardinal König (Rd EM), im Wiener Stephansdom am 11. September 2001 um 18 Uhr. Anschließend fand der Trauerkommers statt. Sie war überschattet vom Terroranschlag auf das World Trade Center in New York.
„In die Geschichte unseres Heimatlandes wird Josef Klaus aber als einer eingehen, der den Durchbruch in die Moderne gewagt hat.“ (Gerhard Hartmann)
Werke:
Macht und Ohnmacht in Österreich. Konfrontationen und Versuche (2. Aufl. 1971).Führung und Auftrag. Ausgewählte Reden und Aufsätze. Hg. von Wendelin Ettmayer (ehemals Alp) und Eugen Thurnher (1985).
Quellen und Literatur:
Hartmann, Gerhard (Baj): Historisch-Biograhisches über Josef Klaus, in: Durchbruch in die Moderne. Von der industriellen zu nachindustriellen Gesellschaft. Hg. von Alois Mock. Graz 1981, S. 337–345.Hanisch, Ernst: Josef Klaus, in: Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik. Hg. von Herbert Dachs, Peter Gerlich und Wolfgang C. Müller. Wien 1995, S. 299–306.
Weinmann-Steinweis, Beatrice: Josef Klaus. ÖVP-Reformer und Bundeskanzler. Wien phil. Diss. 1995.
Kriechbaumer, Robert (R-J) – Schausberger, Franz (Rp) – Weinberger, Hubert (R-J): Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung von Bundeskanzler Dr. Josef Klaus. Salzburg 1995.
Josef Klaus: „Ich ging einen anderen Weg“. Zeitzeugengespräch Michael Gehler und Helmut Wohnout (Nc), in: Demokratie und Geschichte. Jb. des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich. Jg. 3, 1999. Hg. von Helmut Wohnout (Nc). Wien 1999, SS. 13–62.
Neisser, Heinrich (Rd): Reformer und Wegbereiter, in: Academia intern 7/1995, S. 1f.
Weinmann, Beatrice: Josef Klaus. Ein großer Österreicher. Mit einem Vorwort von Gerd Bacher. Wien 2000.
Wohnout, Helmut (Nc): Josef Klaus – Politik aus christlicher Verantwortung, in: Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs. Hg. von Jan Mikrut. Band 6. Wien 2002, S. 301–322.
Kriechbaumer, Robert (R-J): Salzburgs Landeshauptleute der 2. Republik. Salzburg 2002. (= Schriftenreihe des Landespressebüros: Salzburg-Dokumentation Nr. 113).
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 252, 300, 331–333, 345, 348, 363, 415, 565f., 569–571, 573, 598, 623, 637, 645, 739, 742, 745, 747.
Wohnout, Helmut (Nc): „Res publica semper reformanda“. Josef Klaus als Bundeskanzler, in: Charaktere in Divergenz. Die Reformer Josef Klaus und Erhard Busek. Hg. von Thomas Köhler und Christian Mertens. Wien 2011, S. 60–71.