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Abg. z. NR a.D. RA Mag. Dr. Michael Graff

Abg. z. NR a.D. RA Mag. Dr. Michael Graff

Urverbindung: Austria-Wien (11.11.1955)

Bandverbindungen: The

Geboren: 02.10.1937, Wien
Gestorben: 29.07.2008, Wien
ÖVP-Generalsekretär, Nationalratsabgeordneter, Rechtsanwalt

Lebenslauf:

Michael Hugo Peter Graff war ein Kriegshalbwaise und absolvierte 1955 das Wiener Schottengymnasium. Danach studierte er an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1959), wo er der Austria Wien beitrat (Couleurname Zawisch). Dort engagierte er sich bei der von Michael Mitterauer (AW) angestoßenen Hochschulreformdiskussion und war im Wintersemester 1958/59 deren Senior. Während des Studiums arbeitete er beim ÖAAB.

Nach dem Studium absolvierte Graff die Gerichtspraxis sowie den Präsenzdienst, schlug danach die Berufslaufbahn eines Rechtsanwaltsanwärters ein und ging dann für kurze Zeit zur Finanzprokurator. 1964 holte ihn Bundeskanzler Josef Klaus (Rd) in sein persönliches Kabinett. Dort wirkte er aktiv an der Hochschulreformpolitik des damaligen Unterrichtsministers Theodor Piffl-Percevic mit. 1966/67 war Graff Diplomat bei der OECD in Paris, wo er kurz mit Alois Mock (Nc) zusammen war.

Nach seiner Rückkehr nach Wien war Graff wiederum Rechtsanwaltsanwärter, blieb aber im „vorpolitischen Raum“ mit der Politik weiter verbunden. 1969 wurde er selbständiger Rechtsanwalt und hatte 1971 bis 1975 eine Kanzleigemeinschaft mit Alfred Strommer (Nc). Ebenso war er auch im CV immer präsent und gehörte zu dessen reformorientierten Kreisen. Ein Versuch der ÖVP, ihn 1970 als Mitglied des Verfassungsgerichts zu nominieren, scheiterte an Einwänden der SPÖ. Ein weitere diesbezüglicher Versuch Anfang 1973 scheiterte diesmal ÖVP-intern, weil Graff einen Antivietnamkrieg-Aufruf unterzeichnet hatte.

Im März 1982 machte Alois Mock (Nc) Graff als Nachfolger des glücklosen Sixtus Lanner zum Generalsekretär der ÖVP. Damit waren die Positionen eines ÖVP-Bundesparteiobmanns und eines ÖVP-Generalsekretärs zusammen wieder von einem Angehörigen des CV besetzt. Graff war seit jeher ein scharfzüngiger Intellektueller, der um pointierte Formulierungen selten verlegen war. So verkündete er anläßlich seiner Wahl zum ÖVP-Generalsekretär, daß sich der nächste Wahlkampf „gewaschen haben wird“. Zwar hatte die SPÖ die absolute Mehrheit nach zwölf Jahren wieder verloren und die ÖVP dazu gewonnen, so daß sich der Abstand zwischen SPÖ und ÖVP von 18 Mandaten (1979) auf neun verringerte. Jedoch der Weg der ÖVP in die Regierung blieb weiterhin versperrt, weil die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ einging.

Graff war 1985/86 zusammen mit Mock auch der wesentliche Stratege der Kandidatur Kurt Waldheims (Wl EM) für das Amt des Bundespräsidenten. Seine Strategie war erfolgreich. Ebenso war er für die Wahlen im Herbst 1986 verantwortlich. Der Abstand zwischen SPÖ und ÖVP verringerte sich zwar auf drei Mandate. Doch durch das Erstarken der FPÖ unter Jörg Haider und das erstmalige Auftreten der Grünen verloren sowohl SPÖ (mehr) als auch die ÖVP (weniger). In der Folge kam es zu einer Großen Koalition, womit die ÖVP seit 17 Jahren wieder in der Regierung saß.

Im Zuge der Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit von Waldheim und der Einsetzung einer Historikerkommission gab Graff im November 1987 dem französischen Nachrichtenmagazin „L’Express“ ein Interview, das am 17. November erschien. Dort stand die Äußerung Graffs: „So lange nicht bewiesen ist, daß er [gemeint Waldheim, Anm. d. Verf.] eigenhändig sechs Juden erwürgt hat, gibt es kein Problem.“ Diese Äußerung wurde natürlich auch in Österreich bekannt. Der innenpolitische Druck wurde auf Graff daraufhin so stark, daß er am 18. November von seinem Amt als Generalsekretär zurücktrat. Bundespräsident Waldheim ließ verlauten, daß er „von den unqualifizierten Äußerungen zutiefst betroffen“ gewesen sei. Graff war Opfer seines scharfzüngigen Intellekts geworden. Sein Nachfolger wurde Helmut Kukacka (A-D).

Graff blieb aber weiterhin Nationalratsabgeordneter und wurde Justizsprecher der ÖVP. Als solcher betätigte er sich als anerkannter Justizpolitiker. Zeitweise war er auch Vorsitzender des Justizausschusses. Auf seine Initiativen kam es zur Reform der Untersuchungshaft, und es wurde die Grundrechtsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) geschaffen.

Dem Nationalrate gehört Graff vom 19. Mai 1983 bis zum 6. November 1994, vom 15. März 1995 bis zum 7. Mai 1995 und vom 31. Juli 1995 bis zum 14. Januar 1996 an. Ein weiteres politisches Wirken Graffs wurde jedoch vom neuen ÖVP-Bundesparteiobmann Wolfgang Schüssel verhindert. Das wieder führte dazu, daß Graff zu einem scharfen Kritiker Schüssels wurde. Anläßlich der sog. „Amsterdamer Frühstücksaffäre“ 1997, als Schüssel in einem Pressegespräch mit österreichischen Journalisten den deutschen Bundesbankpräsidenten als „richtige Sau“, den dänischen Ministerpräsidenten als „Trottel“ und den weißrussischen Präsidenten als „Kümmeltürken“ bezeichnet haben soll, kritisierte Graff diesen vehement. Als die ÖVP Ende 2006 die Wahlen verloren hatte, forderte Graff als erster: „Schüssel muß gehen!“

Nach seinem Ausscheiden als Generalsekretär und dann vor allem aus dem Nationalrat widmete sich Graff erfolgreich wieder seiner Anwaltskanzlei. Er starb nach langer Krankheit und wurde in aller Stille auf dem Ottakringer Friedhof begraben. Sein Tod wurde von seiner Familie erst am 7. August 2008 bekannt gegeben.

Quellen und Literatur:

Biographisches Handbuch der österreichischen Parlamentarier 1918–1993. Hg. von der Parlamentsdirektion. Wien 1993, 163.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, 570, 594, 640f., 647 und 680.
Die Furche, 24. 2. 1973 (betr. Unterzeichnung Antivietnamkrieg-Aufruf).
Die Presse, 7. 8. 2008.
Der Standard, 7. 8. 2008.
Facit. Zeitschrift der K. Ö. St. V. Austria Wien, 26. Jahrgang, August 2008, 24.