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Vz.Kzl. Bgm. a.D. Richard Schmitz

Vz.Kzl. Bgm. a.D. Richard Schmitz

Urverbindung: Norica (23.11.1905)

Geboren: 14.12.1885, Müglitz (Mohelnice, Nordmähren)
Gestorben: 27.04.1954, Wien
Vizekanzler, Bürgermeister von Wien, Nationalratsabgeordneter, Landtagsabgeordneter (Wien), Direktor des Katholischen Volksbundes, Verleger
Politische Haft: 1938 bis 1945 KZ Dachau und Flossenbürg

Lebenslauf:

HERKUNFT, AUSBILDUNG UND BERUFLICHER EINSTIEG

Schmitz wurde als Sohn eines Fleischhauers geboren. Die Familie zog 1888 nach Göß (Leoben, Steiermark) und dann 1889 nach Wien, wo sie zuerst im 3., dann im 10. Bezirk wohnte. Schmitz besuchte das Elisabeth-Gymnasium in Wien-Margareten (Rainergasse) und trat dort der Marianischen Kongregation der Jesuiten bei. In der Oberstufe kam er in Kontakt mit dem Salvatorianer-Pater Gregor Gasser, der auf ihn einen großen Einfluß ausübte. U. a. wurde auf dessen Initiative Anfang 1902 die katholische Pennalie (jetzt im MKV) Herulia gegründet, deren Senior Schmitz im Sommersemester 1905 war.

Nach seiner Matura 1905 begann Schmitz mit dem Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, wo er der Norica beitrat (Couleurname Elmar). Zur selben Zeit wurde dort mit ihm u. a. auch der spätere Unterrichtsminister Hans Pernter aufgenommen. Aus finanziellen Gründen mußte Schmitz neben dem Studium berufstätig sein, was er u. a. zuerst als Redaktionshelfer bei der „Reichspost“, unter der Leitung von Friedrich Funder (Cl), und anschließend als Redakteur bei der „Christlichsozialen Arbeiter-Zeitung“, unter der Leitung von Leopold Kunschak (Nc EM), war. Im Januar 1908 erhielt er ein Angebot als Chefredakteur des „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ in Innsbruck (Tyrolia Verlag).

Dort exponierte sich Schmitz im sog. „Wahrmund-Jahr“ (Studienjahr 1907/08). Bei einer Versammlung der katholischen Studentenschaft am 15. März 1908 in Innsbruck hielt er eine Rede. Im Mai 1908, dem Höhepunkt des Wahrmund-Skandals, wurden sogar Artikel von ihm auf Antrag der Staatsanwaltschaft konfisziert. Seine journalistische Tätigkeit in Innsbruck wurde im September 1909 durch den Militärdienst bei der Einjährig-Freiwilligenschule des Gebirgsartillerieregiments Nr. 2 in Brixen unterbrochen. Sein Nachfolger beim „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ wurde Karl Ongania (AIn). Danach erhielt Schmitz von Friedrich Funder im September 1910 das Angebot, als Redakteur für die „Reichspost“ zu arbeiten, so daß er nach Wien zurückkehrte.

RICHARD SCHMITZ UND DER KATHOLISCHE VOLKSBUND

Auf dem 5. allgemeinen österreichischen Katholikentag 1905 in Wien wurde nach dem Vorbild des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auch ein solches für Österreich beschlossen. Als dieses aus verschiedenen Gründen nicht den erhofften Erfolg brachte, suchte man nach neuen Modellen. Ein solches glaubte man, im „Volksverein für das katholische Deutschland“, der 1890 unter maßgeblicher Beteiligung von Ludwig Windthorst (AW EM) entstanden war, gefunden zu haben. Im Jahr 1908 begann man mit dem Umbau des Zentralkomitees, das nun den Namen „Nichtpolitische Zentralorganisation der Österreichischen Katholiken: Katholischer Volksbund“ bekam. Der bereits erwähnte P. Gregor Gasser kann als dessen Gründer bezeichnet werden.

Schmitz wurde im Juli 1911 auf Vorschlag von P. Gasser zum Direktor der Zentralstelle des Volksbunds berufen und war der „oberster Laie“ im dortigen Apparat. Er konnte nun sein organisatorisches wie journalistisches Talent entfalten, so daß es ihm zu verdanken ist, daß diese Organisation in kurzer Zeit an großer Bedeutung gewonnen hatte. Im März 1914 holte er den Wiener Diözesanpriester Jakob Fried (Am) in die Zentralstelle, der dann im Oktober 1915 zu dessen Generaldirektor berufen wurde.

Nach heutigen Begriffen läßt sich der Volksbund folgendermaßen charakterisieren: Er war eine Agitations- sowie Schulungs- bzw. Informationszentrale des österreichischen Katholizismus, wobei eine starke soziale Komponente hinzukam. Unter dem Begriff Katholizismus sind die Bereiche Vereinskatholizismus, Politischer Katholizismus sowie die Amtskirche bzw. der Klerus zu subsumieren. Der Volksbund stand nicht in Konkurrenz zu den Vereinen, sondern subsidiär zwischen diesen koordinierend und sie unterstützend.

Aufgrund seiner Funktion war Schmitz an den Vorbereitungen des Katholikentags der Deutschen Österreichs im August 1913 in Linz beteiligt, wo er auch ein Referat hielt. Beim zweiten Wiener Diözesankatholikentag im Mai 1922 hielt er eine Abschlußrede. Beim Allgemeinen Deutschen Katholikentag vom September 1933 in Wien war er Vorsitzender des Arbeitsausschusses für Organisation und Veranstaltung sowie Mitglied des Programmausschusses.

Schmitz war als Direktor des Volksbundes formell dessen Angestellter bis zum Anschluß im März 1938. Unterbrochen wurde seine Tätigkeit, als er Mitglied der Bundesregierung und Bürgermeister von Wien war. Während diesen Zeiten war er karenziert.

SCHMITZ IM ERSTEN WELTKRIEG

Bereits am 25. Juli 1914 wurde Schmitz zu seinem nunmehrigen Gebirgsartillerieregiment Nr. 14 nach Hermannstadt (Sibiu, Nagy-Szeben in Siebenbürgen, heute Rumänien) einberufen. Er machte 1914 zuerst den gescheiterten Serbienfeldzug mit und wurde dann zu Beginn 1915 an die Karpathen-Front verlegt. Ende August 1915 wurde er wieder an die serbische Front versetzt, um bei der endgültigen Niederringung Serbiens dabei zu sein. Von dort berichtete er dreimal in der „Academia“.

Zu Beginn des Jahres 1916 wurde Schmitz wieder an die Ostfront verlegt und war bei der Abwehr der Brussilow-Offensive im Sommer 1916 dabei. Inzwischen war er bereits Oberleutnant und Batterie-Kommandant. Nach dem Zusammenbruch der zaristischen Armee wurde er Anfang 1918 ins Tiroler Hochgebirge südlich des Val Sugana bei den „Sieben Gemeinden“ (Setti communi) versetzt.

Von dort kam Schmitz im April 1918 durch Bemühungen von Friedrich Funder und Jakob Fried zuerst ins Kriegspressequartier, dann zur „Soldatenzeitung“ und zur Frontpropagandatruppe. Er war relativ hoch dekoriert: Militärverdienstkreuz mit Kriegsdekoration und Schwertern, zweimal das silberne Signum laudis sowie das bronzene Signum laudis, alle mit Schwertern, und das Karl-Truppenkreuz.

Generaloberst Stefan Frhr. Sarkotic von Lovcen, der letzte Landeschef von Bosnien-Herzegowina, würdigte im Jahr 1935 die militärischen Leistungen von Schmitz: „Daß ein Mann mit solchen Eigenschaften nicht nur im Militärstande, sondern auch in jedem anderen schweren und verantwortungsvollen Berufe nur Vorzügliches leisten werde, war vorauszusehen.“

EINSTIEG IN DIE POLITIK UND REGIERUNGSMITGLIED

Schmitz zählte vor dem Ersten Weltkrieg zu jenem Kreis junger CVer, die vom damaligen „Generalstabschef“ der Christlichsozialen Partei und zeitweiligen k. k. Minister Albert Geßmann (AW EM) bewußt gefördert wurde. Aufgrund seiner exponierten Stellung im Verbandskatholizismus war es aufgrund dessen damaligen engen Verflechtung mit dem Politischen Katholizismus nur eine Frage der Zeit, bis Schmitz den Weg in die Politik fand. Das sollte nach 1918 passieren.

Am 3. Dezember 1918 wurde Schmitz provisorischer Gemeinderat von Wien und bei den ersten Wahlen am 4. Mai 1919 in diesen gewählt. Dieser konstituierte sich am 10. November 1920 zum Wiener Landtag, dem er dann bis zum 13. November 1923 angehörte. Zu den Wahlen für die Konstituierende Nationalversammlung im Februar 1919 kandidierte er zwar in Wien, verfehlte aber ein Mandat. Das gelang ihm erst bei den Wahlen zum ersten Nationalrat, dem er dann vom 10. November 1920 bis zum 2. Mai 1934 angehörte. Schmitz kandidierte immer im Wahlkreis I (Wien-Innere Stadt, Landstraße, Wieden) weil er im dritten Bezirk wohnte und dort auch stellvertretender Bezirksparteiobmann der Christlichsozialen war.

Vom 31. Mai 1922 bis zum 20. November 1924 – unter Bundeskanzler Ignaz Seipel (Nc EM) – sowie unter Engelbert Dollfuß (F-B) vom 21. September 1933 bis zum 16. Februar 1934 war Schmitz Bundesminister für soziale Verwaltung. Vom 20. Oktober 1926 bis zum 4. Mai 1929 war er, wiederum unter Seipel, Bundesminister für Unterricht. Vom 30. September 1930 bis zum 4. Dezember 1930 war er Vizekanzler unter Bundeskanzler Carl Vaugoin (Rd EM) und gleichzeitig mit der Leitung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung betraut. Vom 16. Februar 1934 bis zum 10. Juli 1934 war er Bundesminister ohne Portefeuille im Bundeskanzleramt. Die Gesamtdauer seiner Regierungsmitgliedschaften betrug insgesamt etwas mehr als fünf Jahre und einen Monat.

Seine erste Periode als Sozialminister wurde von der angespannten wirtschaftlichen Situation sowie von der Hyperinflation geprägt, so daß den sozialpolitischen Maßnahmen engen Grenzen gesetzt war. So wurde von Schmitz ein Angestelltensozialversicherungsgesetz im Parlament eingebracht, daß aber während seiner Ministerzeit nicht, sondern erst später verabschiedet werden konnte. Ebenso war die steigende Arbeitslosigkeit – nicht zuletzt eine Folge der notwendigen rigiden Sparpolitik – zu bewältigen. Diese Probleme begleiteten auch seine zweite (1930) und dritte (1933/34) Amtsperiode als Sozialminister.

Während der zweiten Kanzlerschaft Seipels (1926–1929) wurde Schmitz als dessen Vertrauensmann zum Unterrichtsminister berufen. Hier gab es erheblichen Reformbedarf, der zeitweise zu Konflikten mit der sozialdemokratischen Opposition führte. Zum einen mußte die im 19. Jahrhundert eingeführte „Bürgerschule“ (Hauptschule) reformiert, zum anderen mußte Klarheit in der Frage der „Mittelschule“ (Allgemein bildende höhere Schulen) geschaffen werden. Im letzteren Fall forderten die Sozialdemokraten und ihr Schulexperte Otto Glöckel die Einheitsschule der 10- bis 14-jährigen – ein altes, nie aufgegebenes Desiderat der Linken.

Erschwert wurde die Situation dadurch, daß die Bundesverfassung von 1920 keine klaren Regeln für die Schulkompetenz geschaffen hatte, so daß bis heute Schulgesetze mit Verfassungsrang beschlossen werden müssen. Es gelang aber – trotz der Vorfälle im Juli 1927 (Justizpalastbrand) – überraschenderweise relativ zügig eine parlamentarische Einigung im August 1927, so daß die entsprechenden Gesetze auf dem Kompromißweg beschlossen werden konnten. Die wichtigsten Ergebnisse waren:

Die Umwandlung der dreiklassigen „Bürgerschule“ in die vierjährige Hauptschule, in die man nach vier Jahren Volksschule (früher nach fünf Jahren) überwechseln konnte. Die Grundform einer achtjährigen Volksschule blieb zwar bestehen, verschwand aber in Wien.

Die Rekonstruktion des achtklassigen Mittelschulwesens in der Differenzierung als Gymnasium, Realgymnasium, nunmehr achtklassige Realschule und Frauenoberschule.

Als zwei neue Schultypen die Arbeitermittelschule (Wien) und die Aufbaumittelschule für den ländlichen Raum (Horn)

Diese beiden wichtigsten Schulreformen blieben mit Unterbrechung in der Nazizeit bis Anfang der sechziger Jahre bestehen, als unter dem damaligen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel (NdW) für die Allgemein bildenden Höheren Schulen eine neue Struktur geschaffen wurde, die bis heute im großen und ganzen noch besteht.

Diese Reform von 1927, die mit 1. Januar 1928 in Kraft trat, intendierte nicht die Vermehrung der Maturanten- und damit auch der Akademikerzahl. Für Schmitz war klar, daß die damalige wirtschaftliche Lage nicht imstande war, eine höhere derartige Zahl auf dem Arbeitsmarkt zu verkraften, so daß sich daraus sozialer Sprengstoff entwickeln könnte.

In seine Zeit als Unterrichtsminister fielen 1928 auch die Gründung des Max-Reinhardt-Seminars sowie die damit verbundene Übertragung des Schönbrunner Schloßtheaters an dieses als Probebühne.

SCHMITZ ALS BÜRGERMEISTER VON WIEN

Obwohl anfänglich zwischen Schmitz und Engelbert Dollfuß (F-B) eine gewisse Distanz herrschte, änderte sich dies im Lauf des Jahres 1933. Schmitz beteiligte sich mit Billigung von Dollfuß an den Konzeptionen einer Umgestaltung Österreichs und beriet sich mit einem Kreis von Persönlichkeiten, dem u. a. sein Bruder Hans Schmitz (Nc), Friedrich Funder (Cl), Joseph Eberle (ArF) und August Maria Knoll (NbW) angehörten. Standen diese Überlegungen anfänglich noch auf einer parlamentarischen Basis, so erhielten sie im Verlauf des Sommers 1933 durchwegs autoritären Charakter.

Nach dem Katholikentag um den 12. September 1933, wo Schmitz als Volksbunddirektor organisatorisch gefordert war, wurde er neuerlich zum Sozialminister berufen. Das signalisierte auch, daß er zum inneren Kreis um Engelbert Dollfuß (F-B) bei der Umgestaltung Österreichs gehörte.

Diese Funktion wurde abrupt durch den Schutzbund-Aufstand am 12. Februar 1934 beendet. Noch am selben Tag wurden die Wiener Landesregierung sowie der Wiener Landtag (Gemeinderat) aufgelöst und Schmitz am 13. Februar 1934 zum Bundeskommissar für Wien ernannt. Dadurch schied er am 16. Februar als Sozialminister aus, blieb aber weiterhin bis Juli 1934 Bundesminister ohne Portefeuille in der Regierung, um an der Umgestaltung Österreichs mitarbeiten zu können. In dieser Regierungsfunktion war er an der Ausarbeitung der neuen Verfassung wie auch am Aufbau der berufsständischen Ordnung und an der Gründung einer neuen Einheitsgewerkschaft beteiligt.

Am 6. April 1934 wurde Schmitz zum Bürgermeister von Wien ernannt, gleichzeitig mit ihm auch die drei Vizebürgermeister, unter ihnen Josef Kresse (AW) und Ernst Karl Winter (NbW). Letzterer legte am 23. Oktober 1936 sein Amt zurück. Wien wurde im Rahmen der ständestaatlichen Verfassung eine sog. bundesunmittelbare Stadt, die in ihrer Stellung einem Bundesland gleich kam. Es gab aber keine einer Landesregierung vergleichbare Körperschaft.

Die Implementierung von Schmitz im Februar 1934 bedeutete ein vorläufiges Ende des sog. „roten Wien“. Trotzdem mußte auf den vorhandenen Strukturen aufgebaut und weiter verwaltet werden. Es kam auch zu keiner wesentlichen Veränderung der höheren Beamtenschaft, die zum Teil noch in der christlichsozialen Ära vor 1918 eingestellt wurde. Lediglich der sozialdemokratische Magistratsdirektor wurde zwangspensioniert und durch Rudolf Hießmannseder (Nc) ersetzt, der bereits eine Magistratsabteilung leitete.

Die finanzielle Lage der Stadt Wien konnte als nicht gerade rosig bezeichnet werden, so daß Maßnahmen auf den verschiedensten Gebieten Grenzen gesetzt waren. In den vier Jahren zwischen Februar 1934 und Februar 1938 wurden insgesamt 175,8 Millionen Schilling damaliger Währung in Bauvorhaben investiert, davon 74,5 Millionen für Straßenbauten und 77,5 Millionen für Hochbauten. Ein Prestigeobjekt war dabei die Wiener Höhenstraße, deren Bau propagandistisch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme verwendet wurde.

Weitere „optische Spuren“ der Ära Schmitz waren u. a. die das Stadtbild noch heute prägenden Bauten einer großen Wohnhausanlage in der Invalidenstraße (zwischen Ungargasse und Landstraßer Hauptstraße) oder der sog. „Dominikaner-Neubau“ auf dem Lueger-Platz. In die Rekatholisierungspolitik der damaligen Zeit paßten auch einige Kirchenbauten, wie u. a. die Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche im 15. Bezirk, erbaut von Clemens Holzmeister (Nc).

SCHMITZ, SEIN ANTISEMITISMUS UND SEIN ANTINATIONALSOZIALISMUS

Ein nicht ganz einfacher Punkt im Leben von Schmitz war dessen Antisemitismus, der eng mit der Entstehung und der Politik der Christlichsozialen verbunden war. Durch diese negative Seite des Katholizismus und der Christlichsozialen Partei wurde Schmitz zwangsläufig beeinflußt. So forderte er in einer Redeskizze aus dem Jahr 1919, daß die Christlichsozialen Antisemiten sein müssen, und trat für eine Erschwerung der Einwanderung, Beschränkung von öffentlichen Ämtern für die Juden sowie Erklärung als eigene Nation ein.

Diese Redeskizze steht in einem zeitlichen wie inhaltlichen Zusammenhang mit einem Gesetzesentwurf über „Die Rechtsverhältnisse der jüdischen Nation“, den Leopold Kunschak (Nc EM) im Herbst 1919 konzipierte, der die Juden als „jüdische Nation“ sah, die die Rechtsstellung einer „geschützten nationalen Minderheit im Staat“ erhalten sollen. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken wurde dieser Entwurf dann von Kunschak nicht eingebracht.

Im November 1926 wurde ein neues Programm der Christlichsozialen Partei beschlossen, das wieder antijüdische Bestimmungen enthielt. 1932 erschien eine parteioffizielle Interpretation dieses Programms von Schmitz, wo es heißt: „Der Antisemitismus ist seit den Uranfängen der Bewegung ein Stück christlichsozialen Wesens.“ Allerdings schränkte er – vielleicht schon durch den herannahenden Nationalsozialismus gewarnt – in bemerkenswerter Weise ein: „Immer jedoch muß er [gemeint der Antisemitismus, Anm. d. Verf.] die Grenzen einhalten, die das Gesetz der christlichen Gerechtigkeit und das Gebot der christlichen Liebe gezogen haben. Daher gibt es für den Christlichsozialen keinen gewalttätigen und auch keinen Rassenantisemitismus.“

Schmitz hat aber hinsichtlich seines religiös motivierten Antijudaismus und eines wirtschaftlich motivierten Antisemitismus ebenso wie hinsichtlich seines Antimarxismus nach sieben Jahren das Konzentrationslager als ein veränderter Mensch verlassen.

Unbestritten war hingegen seine Ablehnung des Nationalsozialismus. Die Ambivalenz der christlichsozialen bzw. ständestaatlichen Führungsschicht wird hier besonders deutlich. Zum einen war sie antisemitisch bzw. partiell antidemokratisch ausgerichtet, zum andern wurde sie wegen ihrer kompromißlosen Ablehnung des Nationalsozialismus nach dem Anschluß verfolgt und ins KZ gesteckt. In der Person von Richard Schmitz wird das besonders sichtbar.

Beim sechsten Wiener Diözesankatholikentag Ende September 1931 warnte Richard Schmitz sehr eindringlich vor dem Nationalsozialismus: „Diese Bewegung hat scheinbar ein Kreuz zum Abzeichen, aber es ist nicht das Christuskreuz, es ist ein Kreuz, das an den Ecken abgebogen ist, ein Kreuz, das zeigen soll, daß man auch die christliche Lehre abbiegt, wie man sie braucht.“ Am 8. März 1938, kurz vor dem Anschluß, fand eine Veranstaltung der Norica unter dem Motto „Wir halten die Fahne“ statt, wo Richard Schmitz und andere zündende Bekenntnisreden für die Unabhängigkeit Österreichs hielten.

DER LEIDENSWEG VON RICHARD SCHMITZ

Am 11. März 1938 befand sich Schmitz am Nachmittag mit anderen bei Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (AIn). Nach dessen Radiorede, nach 20 Uhr, begab sich Schmitz ins Rathaus, ließ die Eingänge versperren und die Rathauswache aufziehen. Der von der Heimwehr gestellte Vizebürgermeister Fritz Lahr wollte die Macht übernehmen, was Schmitz aber ablehnte. Lahr wurde dann vom Anschluß-Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart mit der Führung der Geschäfte des Bürgermeisters bestellt. Schmitz, der eine Dienstwohnung im Rathaus besaß, wurde unter Hausarrest gestellt und am Nachmittag des 12. März verhaftet.

Er wurde zuerst ins Polizeigefängnis an der Roßauer Lände gebracht und kam mit dem ersten Österreichertransport am 1./2. April 1938 ins KZ Dachau. Dort war er Schikanen ausgesetzt und befand sich vom 1. Dezember 1938 bis zum 24. April 1939 in Einzelhaft („Bunker“). Ende September 1939 wurde ein Teil der Gefangenen, unter ihnen Schmitz, in das KZ Flossenbürg verlegt. Anfang März 1940 kehrten sie wieder nach Dachau zurück. Schmitz war danach u. a. im Arbeitskommando Heilkräutergarten eingesetzt. Als seine Frau sterbenskrank war, erhielt er die Erlaubnis, am 24. Juni 1943 zu seiner Frau zu fahren, die dann am 27. Juni starb. Am 7. Juli mußte er wieder zurück ins KZ.

Am 24. April 1945 wurde er mit anderen Prominenten, u. a. Kurt Schuschnigg, über Innsbruck nach Südtirol (Niederdorf im Pustertal) gebracht, wo man am 28. April ankam. Am 4. Mai wurden sie von US-Einheiten befreit. Danach wurde Schmitz mit anderen am 11. Mai auf die Insel Capri und danach Ende August nach Rom gebracht. Im Januar 1946 konnte er Rom verlassen, am 29. Januar 1946 erreichte er Wien.

DIE LETZTEN JAHRE

Auf Initiative von Friedrich Funder, der inzwischen anstatt der „Reichspost“ die Wochenzeitung „Die Furche“ gegründet hatte, wurde Schmitz im März 1946 Generaldirektor des Herold Druck- und Verlagshauses, das neben der „Furche“ noch eine Druckerei, mehrere Buchhandlungen und einen Buchverlag betrieb, der Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre mit einer beachtlichen religiösen, historischen und literarischen Buchproduktion begann.

Anmerkenswert ist, daß fast gleichzeitig Karl M. Stepan (Nc) seine Tätigkeit als Generaldirektor des Druck- und Verlagshauses Styria begonnen hatte. Beide gehörten derselben Verbindung an, beide hatten vor 1938 hohe politische Positionen inne und waren jetzt für zwei der wichtigsten katholischen Verlage Österreichs verantwortlich.

Auf dem Festkommers anläßlich der ersten ordentlichen Cartellversammlung nach dem Krieg, am 30. November 1946 in Wien, hielt Schmitz eine Rede, wo er den dort durch die NS-Zeit leidgeprüften anwesenden Studenten und Akademikern am Schluß zurief:

„Der CVer ist ein kompromißloser Katholik und ein kompromißloser Österreicher [...] Wo immer die Farben einer CV-Verbindung aufleuchten, soll die Welt wissen, hier steht, arbeitet und, wenn es not tut, kämpft und opfert sich akademische Jugend für Glaube, Volk und Vaterland. Schwingt eure bunten Mützen, Freunde, und ruft mit mir: Für die glückliche und freie Zukunft Österreichs und des österreichischen Volkes!“

Schmitz hatte fünf Kinder. Sein ältester Sohn war Bruno Schmitz (ehemals Nc), der im Widerstand aktiv war und deswegen ins KZ Mauthausen kam. Dessen Sohn wiederum ist Richard Schmitz, der von 1987 bis 2001 Bezirksvorsteher der Inneren Stadt Wiens war. Die zweite Tochter Elisabeth Maria ehelichte den späteren Professor für interne Medizin in Innsbruck, Herbert Braunsteiner (NbW).

Durch seine lange Haft im KZ war Schmitz nicht in bester gesundheitlicher Verfassung. Er starb an Herzversagen. Der bekannte Literaturkritiker Hans Weigel schrieb in einem Nachruf. „Die junge, österreichische Literatur trauert um einen ihrer wenigen großen Freunde.“ Schmitz wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.

Werke:

(Auswahl)
Das christlichsoziale Programm. Mit Erläuterungen (1932).
Der Weg zur berufsständischen Ordnung in Österreich (1934).
Reden und Aufsätze des Bürgermeisters Richard Schmitz. Ausgewählt von Rudolf Till (1936).
Betrachtungen für alle Tage des Kirchenjahres. 5 Bände (1947–1952).

Quellen und Literatur:

Academia 28 (1915/16). 389, 394 und 584–586.
Österreichische Academia 62 (2011), Februar, 26–28.
Till, Rudolf: Unser Bürgermeister Richard Schmitz. Eine biographische Skizze. Wien 1935.
Schmitz, Richard: Lebensbuch eines Österreichers. Maschinschriftliche Autobiographie. Nach 1946.
Braun, Fritz: Der politische Lebensweg des Bürgermeisters Richard Schmitz. Beiträge zur Innenpolitik der Ersten Republik. Wien phil. Diss. 1968.
Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, 209f.
Demokratie und Geschichte. Jahrbuch des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich. Hg. Helmut Wohnout. Jahrgang 13/14 – 2009/2010. Wien 2011 (Themenschwerpunkt Richard Schmitz).
Darin besonders folgende Beiträge:
Bruckmüller, Ernst (Nc): Richard Schmitz als Minister, 135–158.
Hartmann, Gerhard (Baj): Richard Schmitz: Der Beginn einer Karriere im Politischen Katholizismus Österreichs, 75–94.
Rigele, Georg: Regierungskommissar und Wiener Bürgermeister 1934–1938, S. 207–226.
Schmitz, Georg (Nc): Konzentrationslager, Transport nach Südtirol, das Problem der Rückkehr und beruflicher Lebensabend, 265–314.
Wohnout, Helmut (Nc): Richard Schmitz und die Etablierung des autoritären Ständestaats 1933/34, 173–206.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, 305f.