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Vz.Bgm. a.D. Univ.-Prof. Dr. Ernst Karl Winter

Vz.Bgm. a.D. Univ.-Prof. Dr. Ernst Karl Winter

Urverbindung: Nibelungia (16.01.1919)

Geboren: 01.09.1895, Wien
Gestorben: 04.02.1959, Wien
Vizebürgermeister (Wien), freier Publizist und Verleger

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Win­ter wurde in eine gut­bür­ger­li­che und be­gü­ter­te Fa­mi­lie hin­ein­ge­bo­ren. Nach Ab­sol­vie­rung des Gym­na­si­ums in Wien-Wäh­ring mel­de­te er sich 1914 als Kriegs­frei­wil­li­ger zum Ti­ro­ler Kai­ser­schüt­zen­re­gi­ment Nr. II (ge­hör­te zur k. k. Land­wehr) und war Re­gi­ments­ka­me­rad von En­gel­bert Doll­fuß (F-B), den er dort auch ken­nen­lern­te. Da Win­ter ein Duell ab­lehn­te, konn­te er nicht Of­fi­zier wer­den.

Nach dem Krieg stu­dier­te Win­ter zu­erst an der Rechts- und Staats­wis­sen­schaft­li­chen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Wien (Dr. iur. 1922), wo er der Ni­be­lun­gia bei­trat (Cou­leur­na­me Vol­ker) und im Win­ter­se­mes­ter 1919/20 Se­ni­or war. Zu­sätz­lich stu­dier­te er noch So­zio­lo­gie und Ge­schich­te an der dor­ti­gen Phi­lo­so­phi­schen Fa­kul­tät, je­doch ohne Ab­schluß.

1918/19 wurde Win­ter über­zeug­ter Le­gi­ti­mist, womit er bei der Ni­be­lun­gia eine geis­ti­ge Hei­mat und mit dem ein­ein­halb Jahre spä­ter re­zi­pier­ten Au­gust Maria Knoll (NbW) auch einen in­tel­lek­tu­el­len Weg­ge­nos­sen fand. Le­gen­där wurde das „Ge­sangs­du­ell“ auf der Car­tell­ver­samm­lung 1920 in Re­gens­burg mit Doll­fuß, wo die­ser zur Haydn­hym­ne das Deutsch­land­lied, Win­ter je­doch das „Gott er­hal­te“ in­to­nier­te.

Nach dem Stu­di­en­en­de – eine zu­sätz­li­che Pro­mo­ti­on in Ge­schich­te wurde ihm ver­un­mög­licht – lebte Win­ter als frei­er Pu­bli­zist und Pri­vat­ge­lehr­ter und ent­wi­ckel­te nicht immer „kon­for­me“ Ideen.

„RECHTS STE­HEN UND LINKS DEN­KEN“

Als be­ruf­lich Un­ge­bun­de­ner fühl­te sich Win­ter kei­nem Lager zu­ge­hö­rig. Im Herbst 1926 wurde im Hause von Hans Karl Frhr. Zeß­ner von Spit­zen­berg (Tt, NbW) zu­sam­men mit Win­ter, Au­gust Maria Knoll (NbW) und Al­fred Mis­song (NbW EM) die Ös­ter­rei­chi­sche Ak­ti­on ge­grün­det. Diese pro­pa­gier­te u. a. eine ei­gen­stän­di­ge Ös­ter­rei­chi­sche Na­ti­on. Win­ters De­vi­se da­mals war „Rechts ste­hen und links den­ken“, die für den Links­ka­tho­li­zis­mus nach 1945 – neben Knoll u. a. auch Fried­rich Heer (ehe­mals Baj) und Wil­fried Daim (Rd) – prä­gend war. Er ge­hör­te auch der 1929 von Anton Orel (ehe­mals Nc) ge­grün­de­ten „Stu­di­en­run­de ka­tho­li­scher So­zio­lo­gen“ an.

Win­ter war auch einer der Pro­pa­gan­dis­ten einer „ös­ter­rei­chi­schen Idee“, die je­doch im Ge­gen­satz zu Kurt von Schu­sch­nigg (AIn) von einer ös­ter­rei­chi­schen Na­ti­on und nicht von „bes­se­ren Deut­schen“ in An­ti­the­se zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus aus­ging. Er war ein Ver­fech­ter einer „so­zia­len Mon­ar­chie“ und war ein frü­her Ver­tre­ter des Um­welt­schut­zes (z. B. gegen den „Che­mis­mus“ in der Land­wirt­schaft).

1933/34 wand­te Win­ter sich zu­erst öf­fent­lich gegen den Ver­fas­sungs­bruch, schwenk­te je­doch nach dem 12. Fe­bru­ar 1934 auf die Linie von Doll­fuß um, der ihm zum Brü­cken­bau­er zwi­schen dem Stän­de­staat und der So­zi­al­de­mo­kra­tie („Ak­ti­on Win­ter“) sowie am 6. April 1934 zum 3. Vi­ze­bür­ger­meis­ter von Wien mach­te. Bür­ger­meis­ter von Wien war da­mals Ri­chard Schmitz (Nc), 2. Vi­ze­bür­ger­meis­ter Josef Kres­se (AW). Nach der Er­mor­dung von Doll­fuß ver­lor er al­ler­dings zu­neh­mend den Rück­halt bei Schu­sch­nigg, und die „Ak­ti­on Win­ter“ wurde in die „So­zia­le Ar­beits­ge­mein­schaft“ (SAG) der Va­ter­län­di­schen Front (VF) ein­ge­glie­dert. Das Juli-Ab­kom­men 1936 kri­ti­sier­te Win­ter als Ende Ös­ter­reichs. Am 23. Ok­to­ber 1936 wurde er dann als Vi­ze­bür­ger­meis­ter von Wien ab­ge­löst.

ERNST KARL WINTER ALS VERLEGER

Im Jahr 1929 stieg Win­ter in das Ver­lags­ge­schäft ein. Zu­sam­men mit einer Pa­pier­händ­le­rin na­mens Gusti Gsur über­nahm er in Wien die Vo­gel­sang-Buch­han­dels- und Ver­lags GmbH, die dann als OHG unter dem Namen Gsur & Co. wei­ter­ge­führt wurde. Be­reits 1930 schied Gusti Gsur aus OHG, so daß Win­ter nun Al­lein­ge­sell­schaf­ter war. Mit die­sem Ver­lag konn­te nun Win­ter seine Vor­stel­lun­gen ver­le­ge­risch um­set­zen. Zum einen er­schie­nen seine ei­ge­nen Werke in die­sem Ver­lag, zum an­de­ren ver­folg­te er eine strikt an­ti­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche bzw. ös­ter­rei­chi­sche Linie. Im April 1933 er­schie­nen die von Win­ter her­aus­ge­ge­be­nen „Wie­ner Po­li­ti­schen Blät­ter“ als Zwei­mo­nats­schrift, deren ers­tes Hefte in Deutsch­land be­reits ver­bo­ten wurde.

Mit Be­ginn sei­ner Amts­tä­tig­keit als Vi­ze­bür­ger­meis­ter von Wien im April 1934 ruhte Win­ters Ver­lags­tä­tig­keit. Der Rein­hold-Ver­lag, des­sen In­ha­ber Ni­ko­laus Ho­vor­ka war, bei dem auch der spä­te­re KPÖ-Stadt­rat Vik­tor Ma­te­j­ka und das NS-Opfer Karl Krcz­mar (BbW) mit­ar­bei­te­ten, über­nahm in­te­ri­mis­tisch den Wei­te­be­trieb. Ein Jahr spä­ter mel­de­te Win­ter den Wie­der­be­trieb des Gsur-Ver­la­ges wie­der an, weil er Angst hatte, die Kon­zes­si­on zu ver­lie­ren.

Doch im Juli 1936 wur­den die „Wie­ner Po­li­ti­schen Blät­ter“ be­schlag­nahmt, im Ok­to­ber wurde dann Win­ter die Be­wil­li­gung zur Her­aus­ga­be die­ser Zei­tung „aus Grün­den der öf­fent­li­chen Ruhe, Ord­nung und Si­cher­heit“ ent­zo­gen. Der Hin­ter­grund dafür lag auch in Be­schwer­den des deut­schen Ge­sand­ten in Wien, Franz von Papen, der sich wegen der an­ti­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Li­te­ra­tur des Ver­la­ges bei der Bun­des­re­gie­rung be­schwer­te. Win­ter be­en­de­te nun end­gül­tig seine Ver­lags­tä­tig­keit.

DIE JAHRE AB 1938

We­ni­ge Tage vor dem An­schluß such­te Win­ter das Ge­spräch mit der So­zi­al­de­mo­kra­tie und konn­te noch kurz vor dem 11. März 1938 über die Schweiz, Frank­reich und Eng­land in die USA emi­grie­ren. In New York sam­mel­te er die Exil-Ös­ter­rei­cher (Prä­si­dent des „Aus­tro Ame­ri­can Cen­ters“) und er­hielt eine Pro­fes­sur für So­zio­lo­gie an der New School for So­ci­al Re­se­arch in New York. Nach­dem nach 1945 Rück­kehr­ver­su­che zu­erst schei­ter­ten, sie­del­te Win­ter erst 1955 nach Wien. Dort ha­bi­li­tier­te er sich im sel­ben Jahr für So­zio­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Wien.

Win­ter war einer der ori­gi­nells­ten ös­ter­rei­chi­schen vi­sio­nä­ren Den­ker sei­ner Zeit, der vie­les vor­weg­nahm und viele präg­te. Al­ler­dings sind ei­ni­ge sei­ner Ideen und An­sät­ze, wie etwa sein Le­gi­ti­mis­mus oder Teile sei­ner So­zi­al­phi­lo­so­phie, nicht mehr ver­mit­tel­bar. Das Organ der SPÖ, die „Ar­bei­ter-Zei­tung“ schrieb am 6. Fe­bru­ar 1959 zu sei­nem Tod: „Der per­sön­lich sym­pa­thi­sche, be­schei­den le­ben­de Mann hat die an­er­ken­nen­de Er­in­ne­rung aller De­mo­kra­ten ver­dient.“

Win­ter wurde auf dem Fried­hof Wien-Gerst­hof be­er­digt. Im 19. Wie­ner Ge­mein­de­be­zirk gibt es einen nach ihm be­nann­ten Ernst-Karl-Win­ter-Weg (Ver­bin­dungs­weg zwi­schen Sie­ve­rin­ger Stra­ße und Not­te­bohm­stra­ße).

Werke:

(Auswahl)
Nibelungentreue (1921).
Austria erit in orbe ultima (1921).
Die heilige Straße von Wien nach Mariazell (1927).
Die österreichische Aktion (1927).
Die Sozialmetaphysik der Scholastik (1928).
Das Soziologische in Platos Ideenlehre (1930),
Arbeiterschaft und Staat (1934).
Rudolf IV. 2 Bände (1934)-
Monarchie und Arbeiterschaft (1936).
Christentum und Zivilisation (1956).

Quellen und Literatur:

Marko, Joseph (Cl): Ernst Karl Winter. Wissenschaft und Politik als Beruf(ung) 1918–1938, in: Geistiges Leben in der Ersten Republik, Geistiges Leben im Österreich der Ersten Republik. Auswahl der bei den Symposien in Wien vom 11. bis 13. November 1980 und am 27. und 28. Oktober 1982 gehaltenen Referate. Hg. von Isabella Ackerl und Rudolf Neck (= Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich Band 10). Wien 1985, SS. 199-219.
Hall, Murray G.: Österreichische Verlagsgeschichte 1918 – 1938. Band II. Belletristische Verlage der Ersten Republik (=Literatur und Leben Neue Folge Band 28/II). Wien 1985, S. 178–194.
Schoißengeier, Josef: Ernst Karl Winter im Umfeld des Politischen Katholizismus zur Zeit des Österreichischen „Ständestaates“. Wien Dipl. Arb. 1990.
Holzbauer, Robert (Ne): Ernst Karl Winter (1895–1959). Materialien zu seiner Biographie und zum konservativ-katholischen politischen Denken in Österreich 1918–1938. Wien geiwi. Diss. 1992.
Fellner, Fritz–Corradini, Doris A.: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Wien 2006, S. 459.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 192, 220, 224, 382, 390, 421, 496.
Der Nibelungenkurier, I/2009, S. 14f.