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NR-Präs. BM a.D. Univ.-Prof. i.R. Dr. Heinrich Neisser

NR-Präs. BM a.D. Univ.-Prof. i.R. Dr. Heinrich Neisser

Urverbindung: Rudolfina (19.10.1954)

Bandverbindungen: The, Gol

Geboren: 19.03.1936, Wien
Gestorben: 22.08.2025, Villach
Bundesminister, Zweiter Präsident des Nationalrates, ÖVP-Klubobmann, Nationalratsabgeordneter, Beamter, Professor für Politische Wissenschaften

Lebenslauf:

Neisser wurde an einem „Josefi-Tag“ geboren und wuchs in Wien-Mariahilf auf. Nach seiner Matura am Piaristengymnasium (Wien-Josefstadt) im Jahr 1954 begann er das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1960), wo er der Rudolfina beitrat (Couleurname Aladin). Sein Leibbursch war Gerd Rittenauer, der unter dem Academia-Amtsträger Helmut Steinacker (Nc) Redakteur war und 1965 einer der Verursacher der ersten Academia-Krise war. Nach seiner Promotion studierte Neisser ohne Abschluß Staatswissenschaften.

Nach dem Gerichtsjahr trat Neisser 1961 in den Dienst des Verfassungsgerichtshofes. Zur selben Zeit war dort auch Manfried Welan (F-B) tätig. 1966 wechselte Neisser in das Bundeskanzleramt, und zwar ins Kabinett von Bundeskanzler Josef Klaus (Rd). Kabinettschef war damals Alois Mock (Nc), weitere Mitglieder zu dieser Zeit waren u. a. Thomas Klestil (Baj) und Leopold Wallner (Dan). In der Folge war Neisser in der Abteilung Ministerratsdienst eingesetzt, die er kurz leitete. Bei der letzten Regierungsumbildung von Josef Klaus am 2. Juni 1969 wurden Alois Mock Unterrichtsminister und Neisser Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Dieses Amt bekleidete er bis zum 21. April 1970. Danach war er Beamter in der Sektion Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes (letzter Dienstgrad Ministerialrat).

Neisser verblieb nach 1970 weiterhin im vorpolitischen Raum und profilierte sich als Verfassungsjurist sowie in der Politikwissenschaft. Im Laufe der Zeit gab er zahlreiche Veröffentlichungen heraus (siehe nachstehend unter „Werke“). 1974 erhielt er das Angebot, eine Stabsstelle in der Vereinigung Österreichischer Industrieller zu übernehmen, und wurde als Beamter karenziert.

Neisser kandidierte 1975 bei den Nationalratswahlen, wurde gewählt und gehörte diesem vom 4. November 1975 bis zum 28. Januar 1987 und vom 16. Mai 1989 bis zum 28. Oktober 1999 an. Obwohl er ein „weißer Jahrgang“ war, d. h. noch nicht den Präsenzdienst beim Bundesheer leisten mußte, war er zunächst Wehrsprecher, um dann Wissenschaftssprecher zu werden. Als solcher war er u. a. bemüht, in der damaligen Zersplitterung der Studentenparteien der Mitte Ordnung hineinzubringen. Es gelang ihm, die drei Fraktionen Österreichische Studentenunion (ÖSU, Nachfolgerin des Wahlblocks), Studentenforum und Junge Europäische Studenteninitiative in ein Gespräch zu bringen. Sie konnten sich auf eine Wahl der Vorsitzenden der ÖH und des Hauptausschusses an der Universität Wien einigen. Im Herbst 1982 bildeten die Rest-ÖSU und das Studentenforum mit dem Namen Aktionsgemeinschaft (AG) eine Wahlplattform. Bei den Hochschülerschaftswahlen im Mai 1983 hatte die AG mit ihrem Spitzenkandidaten Herbert Rainer (Vi) Erfolg.

1981 beendete Neisser offiziell seine Tätigkeit bei der Vereinigung Österreichischer Industrieller und wurde Bundesgeschäftsführer des Management Clubs, einer Vorfeldorganisation der ÖVP. Diese Funktion bekleidete er bis 1984. Nach den Nationalratswahlen des Jahres 1986 mit dem Spitzenkandidaten der ÖVP Alois Mock (Nc) wurde Anfang 1987 eine Große Koalition gebildet, in der Mock Vizekanzler und Außenminister wurde. Neisser wurde am 21. Januar 1987 zum Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt ernannt, war also Kanzleramtsminister.

Im Zuge der Ablöse Mocks als ÖVP-Obmann kam es am 24. April 1989 zu einer Regierungsumbildung. Mock blieb zwar Außenminister, Vizekanzler wurde jedoch der neue ÖVP-Obmann Josef Riegler. Dieser übernahm auch das Ressort Neissers im Bundeskanzleramt, so daß er aus der Regierung ausschied und wiederum Nationalratsabgeordneter wurde. Dort machte er bald Karriere. 1990 wurde er als Nachfolger von Friedrich König (Dan EM) Klubobmann der ÖVP Parlamentsfraktion. Nach den Nationalratswahlen 1994 wurde er am 6. November 1994 zum Zweiten Präsidenten des Nationalrats gewählt. Sein Nachfolger als Klubobmann wurde Andreas Khol (R-B). Bei den Nationalratswahlen 1999 wurde die ÖVP knapp hinter der FPÖ Dritte. Damit endete am 29. Oktober 1999 Neissers Funktion als Zweiter Präsident des Nationalrats. Der ÖVP stand nur mehr der Dritte Präsident zu, welche Funktion für kurze Zeit Andreas Khol übernahm.

Neisser schied damit als 63-jähriger aus der aktiven Politik aus, nicht zuletzt auch wegen Differenzen mit dem ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel. Gleichzeitig ging er als Beamter in den Ruhestand. Er war aber seit 1995 Präsident der Politischen Akademie der ÖVP, welches Amt er bis 2004 bekleidet hatte. Nachdem er bereits seit 1989 Honorarprofessor für Politische Wissenschaften an der Universität Wien war, wurde er 1997 Gastprofessor für dieses Fach an der Universität Innsbruck. 1999 übernahm er dort bis 2008 einen Jean Monnet Lehrstuhl am Institut für Politische Wissenschaften.

Neisser entstammte der von Bundeskanzler Josef Klaus (Rd) eingerichteten „politischen Kaderschmiede“, nämlich seinem persönlichen Beraterkreis bzw. Kabinett im Bundeskanzleramt. Diesem gehörte eine Reihe späterer Politiker an, wie u. a. der Bundespräsident Thomas Klestil (Baj), Vizekanzler Alois Mock (Nc), der Europarats-Generalsekretär Franz Karasek (Nc), der ÖVP-Obmann Josef Taus (Baj), der ÖVP-Generalsekretär Michael Graff (AW), das Mitglied des Bundesrates Friedrich Hoess (NbW) und der Wiener Stadtrat Peter Marboe (Baj).

Nach der Wahlniederlage der ÖVP im Jahr 1970 gehörte Neisser zu den politischen Hoffnungsträgern der ÖVP, der 1975 in den Nationalrat einzog. Seinen politischen Höhepunkt erreichte er in den Jahren 1987 bis 1999, als er gehobene Positionen der zweiten Reihe innehatte, wie Kanzleramtsminister, ÖVP-Klubobmann und Zweiter Nationalratspräsident. Von seinem eigentlichen Naturell her war er Wissenschaftler in den Bereiche Rechtswissenschaften und Politische Wissenschaften, die er in seiner politischen Laufbahn integrieren konnte. Er gehörte dadurch zu den Nachdenklichen und Intellektuellen Politikern in der ÖVP, die dort nicht allzu häufig vertreten waren bzw. sind.

Daher war es für alle, vor allem für jene, die ihn gut kannten, ein großer Schock, als sie erfahren hatten, daß am 10. August 2025 mit seinem PKW in Treffen am Ossiacher See schwer verunglückt war. Er ist von einem Weg abgekommen, das Auto stürzte über eine Böschung hinunter und überschlug sich mehrmals. Er wurde eingeklemmt, mußte von Einsatzkräften geborgen werden und wurde in das LKH Villach gebracht. Dort starb er zwölf Tage später an den Folgen des Unfalls und wurde in aller Stille sowie im engsten Familienkreis bestattet. Neisser war auch Ehrenphilister der MKV-Verbindung Aggstein-St. Pölten. Sein jüngerer Bruder war Herbert Neisser (Rd).



Werke:

(Auswahl)
Zeit zur Reform. Parteireform, Parlamentsreform, Demokratiereform (1969) (gemeinsam mit Peter Diem [Rd]).
Der Bundeskanzler im österreichischen Verfassungsgefüge (1971) (gemeinsam mit Manfried Welan [F-B]).
Das österreichische Wehrrecht. Drei Bände (1981) (gemeinsam u. a. mit Felix Ermacora).
Wie sicher ist Österreich (1982) (gemeinsam mit Fritz Windhager [Baj]).
Das Wehrrecht (1987) (gemeinsam mit Felix Ermacora).
Das politische System der EG (1993).
Technikfolgenabschätzung. Eine Herausforderung für das Parlament (1993).
Die innovative Verwaltung. Perspektiven des New Public Management in Österreich (1998).
Die Europäische Union (2001).
Europäisierung der österreichischen Politik? Konsequenzen der EU-Mitgliedschaft (2002). Unsere Republik auf einen Blick. Das Nachschlagewerk über Österreich (2005).

Quellen und Literatur:

Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner Am, Mitteilung 25. 8. 2025).
Neisser Heinrich, Dr. | Parlament Österreich (Abruf 29. 8. 2025).
Hartmann, Gerhard: Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich. Wien–Kevelaer 2023, 842, 847, 949, 953.
Biographisches Handbuch der österreichischen Parlamentarier 1918–1993. Hg. von der Parlamentsdirektion. Wien 1993, 401.
https://kurier.at/chronik/kaernten/heinrich-neisser-oevp-tot-auto-unfall-kaernten/403080316