Lebenslauf:
HERKUNFT UND AUSBILDUNG
Ebner wurde als Sohn eines Magazinarbeiters geboren und besuchte nach der Volksschule das Gymnasium in Brixen, wo er 1923 maturiert hatte. Im selben Jahr wurden die Eltern aufgefordert, Italien zu verlassen, und zogen nach Kötschach (Kärnten). Ebner begann mit dem Wintersemester 1923/24 das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, wo er der Carolina beitrat. Senior in diesem Semester war Johann Grascher (Cl). Ein Consemester von ihm war P. Capistran Pieller (Cl), eines der späteren Nazi-Opfer des CV. Das Bild in dieser Biographie zeigt ihn als Fuchsen der Carolina.
Mit Beginn des WS 1925/26 übersiedelte Ebner nach Wien und setzte dort sein Studium fort. Er ging noch als Fuchs der Carolina zum Kürnberg. Nach der damals wie heute geltenden Cartellordnung des Ö*CV bleibt ein Fuchs bei Studienortwechsel zwar vorerst Mitglied seiner Urverbindung, wird jedoch bei der Burschung Urmitglied seiner neuen Aufenthaltsverbindung und verliert die Mitgliedschaft in seiner ursprünglichen Verbindung, wobei das Aufnahmedatum dieser bestehenbleibt.
Ebner wurde im Wintersemester 1925/26 geburscht. Senior dieses Semester beim Kürnberg war Ludwig Bernegger (Kb), später Polizeijurist in Linz, der in den Anschlußtagen brutal von Nazis ermordet wurde und das erste NS-Opfer aus den ÖCV ab dem 11. März 1938 war. Ebner hat also auf die Fahne Kürnbergs, die der Senior Bernegger gehalten hat, den Burscheneid abgelegt, und war Consemester von zwei NS-Opfern des ÖCV (Bernegger, Pieller), was die besondere Tragik seiner Person noch deutlicher werden läßt..
BERUFSLAUFBAHN BIS 1938
Nach Ende seines Studiums in Wien (Dr. iur. 1928) und dem Gerichtsjahr trat Ebner in den Dienst der burgenländischen Landesregierung, Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt. Deren Leiter war Benno von Braitenberg (ehemals AIn), über den – er wurde wegen NS-Mitgliedschaft aus dem CV ausgeschlossen – Ebner erstmals in Kontakt zum Nationalsozialismus kam.
Im Frühjahr 1929 wechselte Ebner in den Bundesdienst, und zwar zur Polizei. Am 1. Oktober 1931 wurde er zum stv. Leiter des Polizeikommissariates Wels ernannt. Am 1. April 1933 wechselte er zur Bundespolizeidirektion Salzburg, wo er sich zum Beitritt in die NSDAP anmeldete, jedoch noch nicht aufgenommen wurde. Doch bereits im Frühjahr 1934 wurde Ebner nach Wien in die Generaldirektion für Öffentliche Sicherheit, Staatspolizeiliches Büro, transferiert, die damals beim Bundeskanzleramt ressortierte. Das war zu Beginn des „Ständestaates“ zweifelsohne eine höchst wichtige Position und zeigt, daß man offenbar von Ebners Annäherungen an die NSDAP vorerst noch nichts wußte.
Das sollte sich aber bald ändern. Denn gegen ihn wurde nach dem Juli-Putsch der Nationalsozialisten im August 1934 eine rund drei Monate dauernde Disziplinaruntersuchung wegen Verdachts des Kontakts zu Nationalsozialisten eingeleitet, während der er suspendiert war. Sie endete aber ohne Ergebnis, so daß er über Vermittlung von Roman Rosiczky (Nc), damals Sekretär von Sicherheits-Staatssekretär Hans Hammerstein-Equord und nach 1945 Parlamentsdirektor, im Herbst 1934 am Polizeikommissariat Wien-Hietzing wieder Verwendung fand.
Im Juli 1936 wurde Ebner in den Wiener Arbeiterbezirk Favoriten strafversetzt, weil er angeblich versucht haben soll, einen SA-Mann zu decken. In diesen Jahren war Ebner aktiver „Illegaler“, wie verschiedene Belege beweisen. In Favoriten war er nicht mehr für die Verfolgung von Nationalsozialisten zuständig, denen er trotzdem viele Hinweise gab, sondern im Referat „Linksbewegung, Jugendliche und Abhängige“. Dort trat er dann formell der illegalen Bezirksgruppe der NSDAP (Juli 1936) und am 3. Januar 1937 der SS-Standarte 3/89 („Putschstandarte Holzweber“) bei.
BERUFSLAUFBAHN NACH 1938
Nach dem Anschluß kam Ebner am 28. März 1938 zur neuerrichteten Gestapo-Leitstelle Wien, Referat II B (Juden und Kirche), die im ehemaligen Hotel Métropole am Franz-Josefs-Kai untergebracht war. Am 1. Juni 1939 übernahm er dann die Leitung des Referats II B (hieß später IV B). In diesem Zusammenhang und zu dieser Zeit war er an zentraler Stelle bei der Deportierung der Juden aus Wien beteiligt und ist aufgrund seiner Stellung bereits 1939 mit Adolf Eichmann zusammengetroffen.
Laut Kurt Schuschnigg (AIn) war Ebner 1939 dessen zuständiger Gestapo-Beamter während seiner Inhaftierung im Hotel Métropole, wobei er ihn „nicht ohne menschliche Haltung“ qualifizierte. Am 1. Oktober 1939 wurde Ebner zum Regierungsrat befördert und am 15. Februar 1941 zum SS-Sturmbannführer ernannt. Ins Jahr 1939 fiel auch sein Austritt aus der katholischen Kirche, der wahrscheinlich mit seiner Mitgliedschaft in der SS ursächlich zusammenhängt. Mit diesem Augenblick endete automatisch seine Mitgliedschaft in der CV-Verbindung Kürnberg.
Im April 1942 wurde Ebner zum stv. Leiter der Gestapo-Leitstelle Wien ernannt. Sein Vorgänger war übrigens Heinz Hellenbroich (Hohenstaufen im CV), der diese Stelle ab Oktober 1941 innehatte (dieser wurde 1948 von einem US-Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet). Mit 1. August 1942 wurde Ebner zum Oberregierungsrat befördert und am 9. April 1943 zum SS-Obersturmbannführer ernannt. Im September 1943 verhörte der des Italienischen mächtige Ebner nach der Befreiung Mussolinis dessen mitgenommenen Gefängnisdirektor und sprach auch mit Mussolini. Im Gefolge der Ereignisse des 20. Juli 1944 in Wien wurde er von Widerstandskämpfern zusammen mit anderen SS- und Gestapo-Leuten kurzfristig festgenommen.
Nachgewiesenermaßen drängte Ebner ab 1942 den Einfluß von Beamten aus dem „Altreich“ systematisch zurück und besetzte neue Posten vorwiegend mit Beamten aus der „Ostmark“. Nachdem sich die Niederlage des Deutschen Reiches abzuzeichnen begann, ist auffällig, daß er versucht hat, prominenten und/oder zahlungskräftigen inhaftierten Regimegegnern so wie auch Juden auf subtile Weise zu helfen. Vor allem geschah das in der Zeit zwischen April bis Juni 1944, wo Ebner wegen der Erkrankung des Wiener Gestapo-Chefs praktisch die Leitung innehatte.
Diese Rolle Ebners geriet Ende 1944 in Gefahr. Am 1. Dezember 1944 wurde ein neuer Leiter der Wiener Gestapo ernannt, der eine geheime Überwachung Ebners anordnete, die am 9. Januar 1945 zu seiner Verhaftung führte. Am 16. März fand in Traunstein am Inn (Oberbayern) die Verhandlung gegen ihn vor dem SS- und Polizeigericht statt, wobei er wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt wurde. Er kam zuerst in das Gefängnis von Neunkirchen (Niederösterreich), von wo aus ihm aber am 22. März die Flucht gelang. Am 31. März wurde Ebner wieder verhaftet und über St. Pölten nach Salzburg gebracht, wo er am 2. Mai 1945 vor Eintreffen der US-Truppen freigelassen wurde.
WEM EBNER GEHOLFEN HAT
Wer zum Kreis der Geholfenen bzw. gar Geretteten gehört hat, ist nicht mehr vollständig zu eruieren, ebensowenig natürlich auch die Zahl derer, die durch Ebners Tätigkeit im Rahmen des NS-Unterdrückungsapparats zu Schaden gekommen ist. Neben seiner entsprechenden Stellung in der Gestapo, die für solche Hilfeaktionen die nötige Basis bildete, war auch das Zusammenwirken mit dem Rechtsanwalt Erich Führer (B! Bruna Sudetia Wien), der zahlreiche NS-Opfer verteidigte, von entscheidender Bedeutung. Aufgrund des gegen Ebner geführten sog. „Volksgerichtsprozesses“ Ende 1948 (siehe unten) sind viele der Geretteten bzw. jener, denen geholfen wurde, aktenkundig geworden, denn die Verteidigung war natürlich bemüht, viele derartige Entlastungszeugen beizubringen. Bei deren Namen fällen unwillkürlich die große Zahl von katholischen Priestern sowie eine erhebliche Anzahl von CVern auf. Auch hat Ebner vielfach Juden geholfen.
Einer der für die CV-Geschichte prominentesten und gut dokumentierten Fälle einer solchen Unterstützung ist die für den bekannten Wiener Prälaten Jakob Fried (Am, Kb). Dieser wurde am 21. November 1939 verhaftet, jedoch erst am 24. November 1943 zu zwei Jahren verurteilt, woraufhin er in das Polizeigefängnis Wien (Roßauer Lände) überstellt wurde. Da eine Einweisung in das KZ Dachau drohte, stellte Ebner im Mai 1944 für Fried eine Lagerunfähigkeit fest. Daraufhin wurde er entlassen und hielt sich dann eine Zeitlang in Nordböhmen auf. Mitte September 1944 traf Ebner Fried in einer Wiener Privatwohnung eines Bekannten.
Fried schreibt darüber: Ebner „sprach etwa zwei Stunden lang mit mir über die Verhältnisse so, wie man nur mit einem Freunde sprechen könnte. Er zeigte sich in seinen Äußerungen als Gegner des Nationalsozialismus [...]. Ich verdanke [...] durch die entscheidende Mithilfe des Herrn Oberregierungsrates Dr. Karl Ebner [...] mein Leben.“ Fried wurde zu der Zeit, als Ebner bei Kürnberg aktiv war, dort Bandphilister.
Eine weitere Unterstützung ist beim ebenfalls legendären Wiener Prälaten Josef Wagner (Am EM) nachgewiesen. Der war bereits vor dem Krieg Kanzleidirektor des Wiener erzbischöflichen Ordinariats und hatte als solcher öfters mit Ebner zu tun gehabt, der einmal über Intervention Wagners den Abtransport eines „nichtarischen“ Kalasantiner-Bruders verhinderte. Solche Interventionen Wagners für nichtarische Katholiken bei Ebner hat es öfters gegeben. Gegen Wagner selber gab es einmal Ermittlungen der Gestapo, wobei Ebner eine Verhaftung verhindern konnte.
Ebner half auch dem ebenfalls bekannten Wiener Prälaten Karl Rudolf (Am), der Ende 1943 ein Gaugebot wegen seiner Initiativen auf dem Gebiet der Seelsorge und seiner Predigten erhielt. D. h., er durfte den Gau Groß-Wien nicht verlassen. Rudolf wurde 1944 von Ebner vorgeladen, der dann das Gebot aufhob.
Am 8. August 1944 wurde P. Capistran Pieller (Cl) als Angehöriger der „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs“ (AFÖ) zum Tod verurteilt. Sein Rechtsanwalt leitete ein Gnadenverfahren ein, wobei er massiv von Ebner unterstützt wurde, so daß die Exekution hinausgeschoben werden konnte. Ebners zwischenzeitliche Verhaftung machte aber eine weitere Hilfe unmöglich, so daß Pieller am 15. April 1945 in der Strafanstalt Stein von der SS erschossen wurde. Ebner konnte auch die Verbringung Otto Tiefenbrunners (AIn), der ebenfalls für die AFÖ tätig war, verhindern.
Es bestanden Kontakte Ebners zu dem damaligen Vorstandsmitglied der Creditanstalt-Bankverein, Josef Joham (Cl), nach 1945 deren Generaldirektor. Dieser geriet aus verschiedenen Ursachen in Spionageverdacht. Die belastenden Aktenstücke behielt Ebner in seinen Schreibtisch unbehandelt. Ebenso soll er sich für den früheren Unterrichtsminister Hans Pernter (Nc) eingesetzt haben. Auch hat Ebner dem Wiener Rechtsanwalt Erich Schwinner (M-D) geholfen, aus der Haft entlassen zu werden. Ebenso soll er dem ehemaligen Vizekanzlers und Bürgermeisters von Wien, Richard Schmitz (Nc), der seit Anfang April 1938 im KZ Dachau war, Hoffnungen gemacht haben. Aber offenbar war dieser für ihn zu „hochrangig“, so daß dieser Versuch ergebnislos blieb. Schmitz verwendete in Briefen für Ebner den Decknamen „Albus“, der Weiße bzw. jener mit einer „weißen Weste“.
Weitere CVer, die Ebner geholfen hat, waren laut Zeugenaussagen im Prozeß:
der frühere Finanzminister Jakob Ahrer (ehemals Trn), Min.-Rat Peter Bernsteiner (Rd).
der burgenländische Landesschulinspektor Wenzel Beza (NdW), der spätere Generaldirektor für die Post- und Telegraphenverwaltung Karl Dworschak (Rd), der spätere Sektionschef Johann Grascher (Cl), der spätere burgenländische Landeshauptmann Lorenz (Lovro) Karall (A-P EM), der legendäre Gefängnispfarrer am Landesgericht Wien, Eduard Köck (Rd), der spätere Min.-Rat Willibald Mayr (Am), Ludwig Mohr (Rg), Sektionschef Josef Pultar (Nc) sowie der spätere Parlamentsdirektor Roman Rosiczky (Nc).
Nach Aussage des bekannten Schauspielers Hans Moser habe Ebner ihm 1940 oder 1941 geholfen, daß seine Frau, eine Jüdin, unbehelligt von Budapest nach Wien kommen konnte.
DER VOLKSGERICHTSHOFPROZESS
Ebner gelangte nach seiner Freilassung in Salzburg Anfang Mai 1945 zu seinen Eltern nach Dölsach in Kärnten, wurde aber dort am 13. Juni 1945 von den Briten verhaftet und am 20. Februar 1947 den österreichischen Justizbehörden überstellt. Danach erfolgte eine eineinhalbjährige Voruntersuchung (Untersuchungshaft). Am 1. Oktober 1948 wurde dann gegen ihn die Anklage wegen Hochverrats, wegen Versäumnis der Dienstaufsicht sowie wegen Ausübung ungesetzlicher Handlungen im Rahmen seiner Amtstätigkeit als Polizeibeamter erhoben. Am 6. Dezember begann die Hauptverhandlung vor dem Volksgerichtshof Wien, bei der er von Rechtsanwalt Hugo Zörnlaib (NbW EM) verteidigt wurde.
Am 11. Dezember 1948 wurde Ebner zu 20 Jahren schweren Kerkers, verschärft durch ein halbjährliches hartes Lager verurteilt und in die Strafanstalt Stein überstellt. Der vorsitzende Richter bemerkte im Hinblick auf die Fülle von Entlastungszeugen, die die Verteidigung beibrachte, daß Ebner nicht wegen seiner möglichen Hilfestellungen vor Gericht steht, sondern wegen seiner ihm zu Last gelegten Taten.
Seit 1951 verfaßten Ebner sowie seine Frau Gnadengesuche, denen am 16. Mai 1953 Bundespräsident Theodor Körner stattgab. Einer der intensivsten Intervenenden für eine Begnadigung Ebners war der damalige Dritte Präsident des Nationalrats, Alfons Gorbach (Cl). Daß Gorbach und Ebner sich aus den Grazer Carolinen-Zeiten her kannten, ist wohl anzunehmen. Seine Strafe wurde auf zwölf Jahre herabgesetzt und die Verbüßung der Reststrafe ausgesetzt, so daß Ebner am 19. Mai 1953 freikam. Da die Inhaftierung durch die Briten und die Untersuchungshaft angerechnet wurden, war er nahezu acht Jahre in Haft. Durch die Herabsetzung des Strafmaßes auf zwölf Jahren waren damit zwei Drittel der Strafe verbüßt.
Ebner wohnte nach der Haftentlassung bis September 1954 bei seinen Eltern in Dölsach, kehrte dann nach Wien zurück und arbeitete ab 1955 bei der Bau- und Siedlungsgenossenschaft GESFÖ, einer Tochtergesellschaft der Creditanstalt-Bankverein, bis zu seiner Pensionierung 1968 als Hausverwalter in einer eher nachgeordneten Stellung. Ob dieser Posten im Zusammenhang mit dem damaligen Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein Joham steht, ist nicht nachzuweisen. Ebner starb am 11. November 1983 in Lienz an Gallenkrebs und wurde in Wien (Kahlenberger Friedhof) beigesetzt.
BEWERTUNG EBNERS
Die Handlungsweise Ebners als Gestapo-Mann ab 1943 ist differenziert zu betrachten bzw. zu beurteilen. Aus den vorliegenden Untersuchungen kann man den Schluß ziehen, daß er sich aus opportunistischen Gründen so verhalten hat: als ein „Retter, um gerettet zu werden“, wie es vor allem sein Biograph Thomas Mang so sieht. Möglicherweise hat er dafür auch Geld angenommen (von Juden). Dabei bleibt die Frage offen, wann Ebner die Überzeugung gewonnen hatte bzw. gewinnen konnte, der Krieg sei endgültig verloren. Denn erst eine solche macht für dieses Verhalten Sinn.
Auf jeden Fall fällt auf, daß sich unter diesen „Geretteten“ zahlreiche CVer befinden, darunter auch viele, die er von der Carolina bzw. vom Kürnberg her gekannt haben muß, wie z. B. die Priester Pieller und Fried. Trifft auf diese ausschließlich ein Rückversicherungsgrund für die Zeit nach einem verlorenen Krieg zu? Oder schimmerte hier bei ihm noch das „unauslöschliche Merkmal“ des Burscheneides durch? Bis viele Jahre nach dem Krieg wurde in Wiener Verbindungen von einem CVer in der Gestapo erzählt, der geholfen haben soll.
Auch muß es ihm andererseits bewußt gewesen sein, daß er mit solchen Hilfeaktionen ein hohes persönliches Risiko einging. Gerade in seiner Stellung war ihm sicherlich bekannt, was mit solchen Personen im NS-System passiert ist. Das ist ja dann mit seiner Verhaftung Anfang 1945 und seiner Verurteilung zum Tod auch eingetreten. Interessant ist übrigens, daß er bis 1946 – in der Zeit vor der Anklage in Österreich – sogar als Widerstandskämpfer und NS-Opfer gegolten hat. Auch seine Verbindung Kürnberg tappte einige Zeit bezüglich seines Schicksals im Dunklen. Aufgrund der Meldungen über seine Verurteilung zum Tode wurde ins Karteiblatt „1944 hingerichtet“ notiert. Nach Kenntnis seiner Verurteilung wurde fälschlicherweise auf „lebenslänglich verurteilt“ korrigiert.
Die Aussagen Jakob Frieds beim Prozeß gegen Ebner lassen aber auch einen anderen Schluß zu, daß nämlich durchaus persönliche Überzeugungsmotive, auch die seines katholischen Glaubens oder schlicht und einfach das schlechte Gewissen, die Triebfeder seines Handelns gewesen sein könnten. Ebner wurde als Kind und Jugendlicher stark katholisch geprägt, insbesondere durch seine Mutter, und war Meßdiener am Dom zu Brixen. Diese Milieuprägung hinterläßt sehr oft eine Irreversibilität, die auch nach zwischenzeitlich anderwärtiger Orientierung („Glaubensabfall“), wieder aufbrechen kann. Das wird oftmals von jenen, die möglicherweise diese Prägung nicht erhalten haben, übersehen. Das Gespräch zwischen Ebner und Fried im September 1944, das von diesem in seiner Autobiographie geschildert wird, kann – wenn man entsprechende Kenntnisse des klerikalen Milieus hat – durchaus als ein solches in einem „forum internum“ gewertet werden. Dafür spricht auch die massive Entlastungsaussage Frieds für Ebner beim Prozeß.
Das Widersprüchliche in der Biographie Ebners ist: Wäre er noch vor Kriegsende 1945 tatsächlich hingerichtet worden, dann hätte ihn die Historiographie möglicherweise als Widerstandskämpfer bzw. Naziopfer gefeiert. Doch davon unbeschadet bleibt das Faktum, daß Ebner einer der Hauptverantwortlichen war, daß Wien „judenrein“ geworden ist – mit all seinen schrecklichen Folgen. Ebner geriet zwischen die Mühlsteine der Tragik des 20. Jahrhunderts. Sein Versuch, sich daraus zu befreien, scheiterte jedoch.
Quellen und Literatur:
Rot-Weiß-Rot-Buch. Darstellungen, Dokumente und Nachweise zur Vorgeschichte und Geschichte der Okkupation Österreich. Nach amtlichen Quellen. Wien 1946, S. 180 (hier wird Ebner in Unkenntnis des Sachverhalts als Nazi-Opfer bezeichnet).Fried, Jakob (Am): Mein Leben in der Nazizeit (= Miscellanea aus dem kirchenhistorischen Institut der katholisch-theologischen Fakultät Wien VII). Wien 1970.
Mang, Thomas: Retter, um sich selbst zu retten. Die Strategie der Rückversicherung. Dr. Karl Ebner, Leiter-Stellvertreter der Staatspolizeileitstelle Wien 1942–1945 . Wien phil. Dipl. Arb. 1998.
Polgar, Michael (Kb): 100 Jahre K. Ö. St. V. Kürnberg 1900–2000. Wien 2000, S. 113.
Mang, Thomas: „Gestapo-Leitstelle Wien – Mein Name ist Huber.“ Wer trug die lokale Verantwortung für den Mord an den Juden Wiens? Münster 2003. (= Schriftenreihe des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes zu Widerstand, NS-Verfolgung und Nachkriegsaspekten Band 1)
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 468–473.
Mang, Thomas: Die Unperson. Karl Ebner, Judenreferent der Gestapo Wien. Ein Täterbiografie. Bozen 2013.