Lebenslauf:
HERKUNFT, AUSBILDUNG UND VORORTSPRÄSIDENT
Joham wurde als Sohn eines Bauern geboren und besuchte die Volksschule in Winklern (Bezirk Spittal/Drau, Kärnten). Anschließend ging er ab 1900 auf das Gymnasium in Klagenfurt, wo er 1907 bei der ein Jahr zuvor gegründeten katholischen Pennalie (später MKV) Karantania aktiv wurde. Nach seiner Matura im Jahr 1908 begann er das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz (Dr. iur. 1913), wo er der Carolina beitrat (Couleurname Dr. cer. Tell). Im Sommersemester 1910 war Joham Consenior. Für das Sommersemester 1911 und das Wintersemester 1911/12 wurde Carolina erstmals zum Vorort gewählt (damals war das Vorortsjahr in dieser Semester-Reihenfolge).
Im ersten Vorortssemester war Joham Vorortsschriftführer, im zweiten dann Vorortspräsident. Zu den wichtigsten Ereignissen dieses Vorortsjahres zählten u. a. die Vorbereitung der Cartellversammlung, die erstmals seit 1867 (Innsbruck) wieder in Österreich (Linz) stattfinden sollte, der Rücktritt des Redakteurs der „Academia“, Hermann J. Wurm (Sx) – er war deren Gründer – , die Aufnahme des Kartellverbands katholisch deutscher Studentenverbindungen, des KDV, allgemein auch „kleiner CV“ genannt, dann die Cartellversammlung selber sowie die Frage nach der Beteiligung des CV am Eucharistischen Weltkongreß in Wien 1912.
In dieser Zeit erhielt Joham das Band der Franconia Czernowitz. Nach dem Vorortsjahr ging er zum Studium nach Wien, wo er bei der Marco-Danubia aktiv wurde und auch einen Abiturientenkurs an der Handelsakademie belegte.
JOHAMS BERUFLICHE KARRIERE BIS 1938
Nach Studienende absolvierte Joham in Wien das Gerichtsjahr am Handelsgericht sowie am Straflandesgericht. Danach schlug er die damals für CVer eher seltene Banklaufbahn ein. Im März 1914 trat er in die Allgemeine Verkehrsbank in Wien ein und ging 1916 als Präsidialsekretär, später Prokurist, zu deren Tochterinstitut, der Bank für Tirol und Vorarlberg nach Innsbruck. Seine erste Bewährungsprobe kam nach dem Ersten Weltkrieg, als er durch die Abtrennung Südtirols deren dortige Filialen überleiten und vermögensrechtliche Fragen regeln mußte.Bereits seit 1920 stellvertretender Direktor wurde er 1921 Direktor dieser Bank. In dieser Zeit war er an den Fusionen mit der Tiroler Hauptbank, der Agrarbank für die Alpenländer, der Alpenländischen Vereinsbank sowie der Tiroler Landesbank beteiligt.
In dieser Zeit bekam Joham auch Kontakt zur Austria Innsbruck, deren Bandphilister er 1923 wurde. Bei der im Juni 1927 erfolgten Gründung der Rheno-Danubia war er beteiligt und gilt als deren Stifter. Er war auch von 1928 bis 1932 deren erster Philistersenior. In dieser Eigenschaft war er auf der Cartellversammlung 1930 in Koblenz. Alfred Maleta (Cl) erinnert sich in seinen Memoiren an ihn: „Ich erinnere mich an […] Josef Joham, einen Bundesbruder meiner Verbindung Carolina, den ich bei der CV-Tagung in Koblenz kennenlernte. Wir Jungen bewunderten ihn schon deshalb, weil er dort mit einer hinreißend schönen, hellblonden, jungen Frau aufkreuzte.“
Im Zuge des Zusammenbruchs der der Familie Rothschild gehörenden Creditanstalt wurde Joham mit 17. Juli 1931 zum Vorstandsmitglied der Creditanstalt–Wiener Bankverein AG berufen, wo er u. a. auch als Finanzier der Heimwehren und der Ostmärkischen Sturmscharen galt. Aufgrund seiner Stellung wurde Joham mit 1. November 1934 in den Bundeswirtschaftsrat berufen, der ihn dann in den Bundestag, dem eigentlichen gesetzgebenden Organ des „Ständestaates“, wählte, dem er bis zum 12. März 1938 angehörte. Mit 15. Juni 1936 wurde er dann zum Vorstandsvorsitzenden (Generaldirektor) der Creditanstalt berufen.
Seine damalige Stellung zog weitere Funktionen nach sich. So wurde Joham auch zum Präsidenten des Verbandes österreichischer Banken und Bankiers gewählt. Darüber hinaus bekleidete er in über 20 in- wie ausländischen Unternehmen führende Stellungen (Aufsichtsrat, Verwaltungsrat), so u. a. in der Assicurazioni Generali in Triest, der Motorschiffahrts AG in Amsterdam, der Société Continentale de Gestion in Monaco, der Austria-Fiat Werke, der Wiener Messe AG sowie der RAVAG. Beim Katholikentag im September 1933 in Wien war er Mitglied des Finanzausschusses.
DIE JAHRE 1938 BIS 1945
Obwohl Joham zu den führenden wirtschaftpolitischen Repräsentanten des „Ständestaates“ gehörte, blieb er größtenteils unbehelligt. Er wurde zwar im April 1938 als Vorstandsvorsitzender der Creditanstalt abberufen, blieb aber vorerst deren Vorstandsmitglied. Das dürfte u. a. auf seine persönliche Beziehung zu Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank zurückzuführen gewesen sein, die damals die Creditanstalt übernahm.
Nach 1938 baute Joham ein Netz von Banken und Unternehmen im südosteuropäischen Raum auf, der nach dem April 1941 (Balkanfeldzug) von den Deutschen kontrolliert wurde. Dieses Netz diente der deutschen Vormachtstellung in diesem Raum sowie auch dessen Ausplünderung. So war er auch für den Rüstungsminister Albert Speer tätig. Auch übte er zahlreiche Funktionen in Banken und Unternehmen in Kroatien, Bosnien, Serbien und in den Niederlanden aus.
Über die Firma seines Sohnes Günter Joham in London, der dann nach dem Krieg Vorstandsdirektor der Deutschen Bank in Frankfurt/Main wurde, hatte Joham auch Kontakte ins Ausland. Daher wurde er von nationalsozialistischer Seite trotz seiner exponierten wirtschaftlichen Positionen als unzuverlässig bezeichnet. Seit der Teheraner Konferenz Ende 1943 war er auch für alliierte Geheimdienste tätig. So informierte er das Office of Strategic Services (OSS), den US-amerikanischen Geheimdienst, über strategische wichtige Bomber-Ziele. Deswegen geriet er ins Visier der Gestapo. Die ihn belastenden Aktenstücke behielt aber der stellvertretende Gestapochef von Wien, Karl Ebner (ehemals Kb [Cl]), in seinen Schreibtisch unbehandelt („schubladiert“). Dieser kannte Joham mit Sicherheit aus seiner Zeit bei der Carolina
JOHAMS ROLLE NACH 1945
Nicht zuletzt wegen seiner politischen Kontakte vor 1938 war Joham nach Kriegsende sofort wieder aktiv. So stand er bereits auf der ersten Regierungsliste von Karl Ranner als mögliches Mitglied der Provisorische Staatsregierung, doch Joham entschied sich wieder für die Banklaufbahn und wurde am 28. Juni 1945 zum Öffentlichen Verwalter der Creditanstalt bestellt. Am 26. Februar 1948 wurde er dann wiederum zu deren Generaldirektor berufen, welche Funktion er bis zu seinem Tod ausübte.
1946 wurden die drei österreichischen Großbanken Creditanstalt-Bankverein AG, Länderbank AG und Österreichisches Credit-Institut AG verstaatlicht, wobei 1955 bei der Creditanstalt und der Länderbank je 40 Prozent des Aktienkapitals wieder entstaatlicht wurde („Volksaktien“). Im Zuge der seit 1945 amtierenden Großen Koalition wurde auch die verstaatlichte Wirtschaft proporzmäßig aufgeteilt. Die Creditanstalt hatte einen der ÖVP nahestehenden Generaldirektor, wie eben Joham, und einen der SPÖ nahestehenden Generaldirektorstellvertreter. Bei der Länderbank war es hingegen umgekehrt, dort war Josef Koliander (Rt-D) ab 1960 Generaldirektorstellvertreter.
Als Joham 1959 starb, wies die Creditanstalt eine Bilanzsumme von an die 13 Milliarden Schilling aus. Die österreichischen Banken besaßen bereits in der Monarchie ehebliche Beteiligungen an Industrieunternehmungen. Diese Übung setzte sich nach 1918 bzw. nach 1945 fort. Als die drei genannten österreichischen Großbanken verstaatlicht wurden, traf dies auch indirekt auf jene Unternehmungen zu, bei denen sie einen deutlichen Anteil des Aktienkapitals hielten. Im Einflußbereich der Creditanstalt standen nach 1945 u. a. folgende Unternehmen: die Banken für Oberösterreich und Salzburg sowie für Tirol und Vorarlberg sowie die AVA-Bank, wo nach 1945 Eduard Franz Demuth (NdW) Generaldirektor war, die Steyr-Daimler-Puch AG, die Hutter & Schrantz AG, die Jenbacher Werke AG, die Lapp-Finze AG, wo Walther Kamschal (Cl) Vorstandsvorsitzender war, die Maschinenfabrik Andritz AG, die Wertheim Werke AG, die Semperit AG und die Leykam-Josefsthal Papierfabrik AG.
Am 21. November 1945 wurde Joham von der britischen Militärpolizei wegen ihn betreffenden Gerüchten in Zusammenhang mit Tätigkeiten in der Untersteiermark verhaftet, jedoch rasch wieder freigelassen, da sich diese als haltlos erwiesen hatten. In Jugoslawien wurde Joham in Abwesenheit wegen Unterstützung der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches zu zehn Jahren Haft verurteilt, was für ihn aber ohne Folgen blieb.
Wesentlich schwerwiegender waren aber die Vorwürfe vor allem seitens von US-Behörden an die Creditanstalt bzw. an ihn, Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung des Marshallplanes begangen zu haben, sowie der Verdacht der Devisenschiebung (Dollarkapitalflucht aus Österreich). Ein dazu Ende 1949 eingesetzter parlamentarischer Untersuchungssausschuß brachte kein Ergebnis. Auch der Rechnungshof führte 1951 Untersuchungen gegen ihn und die Creditanstalt ohne Folgen durch.
Nachdem im August 1952 einige leitende Mitarbeiter der Creditanstalt wegen des Verdachts der Devisenverschiebung verhaftet worden waren und eine Pressepolemik gegen Johan entstanden war, tauchte er kurzzeitig in einer Schweizer Klinik unter. Nicht zuletzt wurde er durch die ÖVP gehalten, weil er einer der einflußreichsten Persönlichkeiten in der Partei war und von deren Obmann Julius Raab (Nc) auch gedeckt wurde.
Unabhängig davon aber sind Johams Leistungen für den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs nach dem Krieg unbestritten. Er machte die Creditanstalt, die mehrheitlich der Republik Österreich gehörte, zum führenden Bankinstitut Österreichs und schuf durch deren zahlreichen Konzernbetriebe (siehe oben) ein bedeutendes Wirtschaftsimperium (sog. „halbverstaatlichte“ Industrie). Dadurch gehörte er auch zahlreichen Aufsichtsräten an. Er war trotz der genannten „dunklen Punkte“ ein international bekannter Bankfachmann und auch der erste CVer Österreichs, der eine derartige Spitzenposition in der Wirtschaft bzw. im Finanzwesen erreichte.
Weiters war Joham bis zu seinem Tod Mitglied des Generalrats der Nationalbank, nach 1945 neuerlich Präsident des Verbandes der Banken und Bankiers, Präsident der Wiener Börsekammer und Obmann der Sektion Geld-, Kredit und Versicherungswesen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Darüber hinaus war er einige Male als Kandidat für den Finanzminister im Gespräch (welche Position für ihn einen erheblichen Einkommensverlust bedeutet hätte).
Joham war in jeder Hinsicht auch eine schillernde Persönlichkeit. Seine Einkommensverhältnisse gestatteten ihm die Gestaltung eines Privatlebens, das sich deutlich vom Durchschnitt bzw. von manchen Konventionen im CV abhob. Diesem Umstand ist er kurz nach seinem 70. Geburtstag, aber noch voll berufstätig, erlegen. Bei einem nicht alleinigen Kurzurlaub zu Ostern 1959 auf Sizilien erlitt er einen Herzinfarkt. Obwohl ihn – für damalige Zeiten außergewöhnlich – ein Flugzeug sofort nach Wien brachte, war sein aufreibend verlaufenes Leben nicht mehr zu retten. Er wurde auf dem Friedhof Neustift am Wald in Wien begraben.
Im österreichischen Bankwesen kam es ab den siebziger Jahren zu erheblichen Veränderungen. Seit 1975 gehörte das Österreichische Credit-Institut zur Gänze der Länderbank. 1991 wurde diese mit der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien zur Bank Austria fusioniert. Diese übernahm 1997 mehrheitlich die Creditanstalt-Bankverein, was zu erheblichen Diskussionen in der damaligen SPÖ-ÖVP-Koalition führte. Dieser Bankenverbund wurde 2001 von der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank übernommen, die ihrerseits 2005 jedoch an die italienische Unicredit ging. Damit endete die Stellung Wiens als bedeutender Bankenplatz, die sie seit der Monarchie innegehabt hatte. Das alles brauchte Josef Joham nicht mehr erleben.
Quellen und Literatur:
Verbindungsarchiv Carolina. Carolinas Tote VIII, S. 191ff.Academia 33 (1920/21), S. 113, und 44 (1931/32), S. 78.
Wallner, Leopold (Dan): Die öffentliche Hand als Unternehmer. 2. Teil. Wien 1963, S. 42–51.
Maleta, Alfred (Cl): Bewältigte Vergangenheit. Österreich 1932–1945. Graz 1981, S. 76f.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, S. 177f., 180, 236, 304, 366f.
Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, S. 114f.
Rathkolb, Oliver: „Wir selbst brauchen gar nicht viel hineinblasen.“ Der Fall Joham und der CA-Skandal 1949–1953, in: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. Hg. von Michael Gehler und Hubert Sickinger. Thaur 2. Aufl. 1995, S. 382–397.
Krenn, Christoph-Rudolf (Cl): Josef Joham, in: Carolinenblätter 2004/05, S. 16f.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 228, 252, 472, 700.
Hartmann, Gerhard (Baj) – Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 125 Jahre Carolina 1888 bis 2013. Graz 1913, S. 317f.