Lebenslauf:
Kamschal wurde als Sohn eines Hoteliers geboren, der 1916 an der Ostfront fiel. Seine Mutter betrieb in der Folge zeitweise das alteingesessene Grazer Lokal „Milchmariandl“ (Richard-Wagner-Gasse). Er besuchte in Graz die Volksschule und absolvierte bis 1928 die Realschule in der Kirchengasse. In dieser Zeit trat er 1925 der katholischen Pennalie Guelfia bei, die später teilweise in der MKV-Verbindung Markomannia-Eppenstein aufgegangen ist. Nach der Matura begann er ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Graz, wo er am 18. Oktober 1928 zuerst dem Traungau beitrat. Da aber der Carolina das „Milchmariandl“ zum „Bierdorf“ erklärten, wechselte er zur Carolina (Couleurname Dr. cer. Tilly). Sein Leibbursch war Alfred Maleta (Cl).
Kamschal geriet in die handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen dem CV und den schlagenden Verbindungen. Am Sonntag, dem 23. Juni 1929, kehrte Carolina gegen Mitternacht vom Stiftungsfestausflug zurück. Eine Gruppe von acht Carolinen wurde am Kaiser-Josef-Platz von Angehörigen der Burschenschaft Cheruskia provoziert. Deren Mitglied Wolfram Sorgo schlug Kamschal von hinten mit einem Bambusstock auf den Kopf, so daß dieser zusammenbrach. Auf den auf dem Boden Liegenden drosch Sorgo nochmals ein, so daß Kamschal und ein weiterer Caroline ins Krankenhaus gebracht werden mußten.
Am 26. März 1930 kam es zum Prozeß gegen Sorgo, der wegen schwerer Körperverletzung zu drei Monaten bedingten Arrests verurteilt wurde. Der Gerichtssaal war von Studenten gefüllt. „Als der Zeuge Kamschal seine Aussage beendet hatte, bemerkte er, daß ihm unterdessen sein Überzieher gestohlen worden war.“ Bei einer Studentenversammlung am 2. Juli 1930 kam es zu einer offenen Feindseligkeit gegen die anwesenden CVer. Sorgo gab eine völlig andere Darstellung des Vorfalls im Juni 1929. Als Kamschal die Tatsachen richtigstellen wollte, wurde er ausgepfiffen. Als sich sein Leibbursch Maleta zu Wort meldete, wurde er niedergeschrieen: „Der Caroline soll froh sein, daß ihm nur das Nasenbein und nicht der Schädel eingeschlagen wurde!“
Aus finanziellen Gründen konnte Kamschal das Studium nicht weiterführen und schied daher im Mai 1931 vorerst aus der Verbindung aus. Nach verschiedenen Tätigkeiten nahm er am 1. Mai 1934 eine Stelle bei der Böhler AG in Kapfenberg an und engagierte sich in der Vaterländischen Front bzw. für den „Ständestaat“ sowie in den Ostmärkischen Sturmscharen. Am 23. Juni 1934 wurde er Zeuge, als der Kapfenberger Kaplan Franz Eibl (KV Winfridia Graz) Opfer eines Bombenanschlages von illegalen Nazis wurde. Auf der Straße vor dem Kapfenberger Pfarrhof wurde dieser von einem Ekrasitsprengkörper mit Zeitmechanismus schwer getroffen, sein Becken wurde total zerrissen. Schwer verletzt sank er in die Arme des zufällig vorbeikommenden Kamschal.
Aufgrund seiner politischen Einstellung wurde Kamschal im Zuge des Anschlusses am 12. März 1938 entlassen und verhaftet. Noch am selben Tag wurde er aus dem Kapfenberger Gefängnis auf den Hauptplatz geführt und unter dem Gejohle der Bevölkerung zusammengeschlagen. Später wurde er ins Polizeigefängnis Graz überstellt, wo er am 2. November 1938 entlassen wurde.
Anfang 1939 bewarb sich Kamschal um eine Stelle als Buchhalter bei der Lapp-Finze AG in Kalsdorf (heute Roto Frank AG), die er am 17. Januar 1939 antreten konnte. Am 15. Januar 1942 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und an der Ostfront eingesetzt. Dort wurde er Anfang 1945 schwer verwundet und konnte noch vor Ende des Krieges nach Graz bzw. Kalsdorf zurückkehren.
Kamschal setzte sich beim Einmarsch der sowjetischen Armee sofort für die Lapp-Finze AG ein und rettete durch sein geschicktes Verhandeln mit den Sowjets das Werk vor der Demontage. Seine Initiative kam auch anderen steirischen Industriebetrieben zugute. Entsprechend der Versorgungslage konnte unter seiner Leitung die Produktion sofort beginnen, die für den Wiederaufbau dringend notwendig war (u. a. Baubeschläge). Er wurde daher im August 1945 zum Öffentlichen Verwalter eingesetzt und am 15. Februar 1946 zuerst zum Alleinvorstand, später dann zum Vorstandsvorsitzenden mit dem Titel Zentraldirektor bestellt.
Kamschal, dessen Lapp-Finze AG zu den Konzernbetrieben der Creditanstalt-Bankverein AG gehörte, deren Vorstandsvorsitzender damals Josef Joham (Cl) war, bekleidete zusätzliche Funktionen in der Wirtschaft bzw. in der wirtschaftlichen Interessensvertretung. So war er ab 1949 bis zu deren Fusion mit der VÖEST im Jahr 1973 Mitglied des Aufsichtsrats der Alpine-Montan Union AG und von 1949 bis 1955 auch dessen Vizepräsident. In dieser Zeit war Rupert Roth (BbG) Generaldirektor. Weiters war er Aufsichtsratsmitglied der Steirischen Gußstahlwerke AG und der Teerag-Asdag AG. Er war 1949 auch einer der Initiatoren der Schöckelseilbahn AG und deren erster Vorstand, danach dort Aufsichtsratsmitglied.
In der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft war Kamschal über viele Jahre hindurch Erster Vorsteherstellvertreter des Fachverbands der Eisen- und Metallwarenindustrie und Vorsitzender dieses Fachverbandes in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für die Steiermark. Seit 1949 war er Vizepräsident des Donaueuropäischen Instituts. Darüber hinaus war Kamschal Mitglied bzw. Funktionsträger bei zahlreichen Vereinigungen, wobei hier nicht selten unterstützende Motive eine Rolle spielten.
Kamschal ließ sich nach 1945 bei der Carolina formell als Aktiver wieder reaktivieren und wurde in Folge philistriert. Seine Reintegration in den steirischen CV, den er unterstützte, erfolgte relativ rasch, wie die Bandverleihungen der Babenberg Graz bereits vor 1949 und der Glückauf Leoben vor 1954 zeigen. 1961 unterstützte er auch die Gründung der Albertina, deren Bandphilister er ebenso wurde. Er war auch Ehrenphilister der MKV-Verbindungen Lützow Leoben und Paulinia St. Paul im Lavanttal.
Kamschal repräsentierte in besonderem Maße die engagierte Aufbaugeneration nach 1945. Nicht von ungefähr war sein beruflicher Zenit in den fünfziger Jahren bzw. bis Anfang der sechziger Jahre, der Ära der Bundeskanzler Leopold Figl (Nc), Julius Raab (Nc) und Alfons Gorbach (Cl). Unterstützt wurde das auch durch die Produktion der Lapp-Finze AG, die besonders für den Wiederaufbau bzw. für das Baugewerbe ausgerichtet war. Er konnte auch nach Kriegsende entscheidend mithelfen, daß die steirische Industrie relativ rasch wieder funktionstüchtig wurde.
Nach seinem Eintritt in den Ruhestand litt Kamschal zunehmend an einer altersbedingten Krankheit, der er auch erlag. Er ist auf dem St. Peter Friedhof in Graz begraben. Eine Tochter von ihm ehelichte Karl Kober (BbG).
Werke:
Die große Freiheit (1947).Quellen und Literatur:
Archiv des Verfassers. Lebenslauf Kamschal, Januar 1974.Academia 44 (1931/32), S. 43.
Maleta, Alfred: Bewältigte Vergangenheit. Österreich 1932–1945. Graz 1981, S. 63.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, SS. 278, 281, 369, 389 und 534
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, SS. 314–316, 408 und 751.
Hartmann, Gerhard (Baj) – Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 125 Jahre Carolina 1888 bis 2013. Graz 1913, S. 319f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 154f.