Lebenslauf:
HERKUNFT UND AUSBILDUNG
Pultar wurde als Sohn eines Lehrers und einer Lehrerin geboren. Der Vater war tschechischer Herkunft, seine Muttersprache war Tschechisch, und sein Name schrieb sich Pultár. Pultar selber wuchs zweisprachig auf. Da er als Kind kränklich war, unterrichteten ihn die Eltern zu Hause. Erst mit zwölf Jahren besuchte er das zweite deutsche Gymnasium in Brünn, wo er bei Verwandten wohnte. Das selbe Gymnasium besuchten auch Franz Hemala (Nc) und Hubert Dostal (Nc). 1897 gründeten sie dort den katholischen Jugendbund „Habsburg“. Wegen sich daraus ergebender Konflikte mit einem nationalliberal gesinnten Lehrer wechselte Pultar nach der 7. Klasse auf das Gymnasium in Linz, wo er 1899 maturierte.
Danach begann Pultar das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1908), wo er der Norica beitrat (Couleurname Ratbod). Im Sommersemester 1901 war er dort Consenior. Als 1902/03 die Norica den Vorort innehatte, bekleidete er im Sommersemester 1902 die Funktion eines Vorortsschriftführers. Diese legte er Anfang Juni krankheitshalber zurück. Sein Nachfolger in diesem Amt wurde Robert Krasser (Nc).
PULTAR ALS HOFBEAMTER
Pultar hatte bereits seit 1898 Kontakt mit Friedrich Funder (Cl), dem Herausgeber der „Reichspost“, und war bei ihr seit 1900 freier Mitarbeiter. Ab Januar 1903 war Pultar Parlamentsberichterstatter für die „Reichspost“, da er – wie viele andere damals – die Gabelsberger Stenographie beherrschte. Aber schon im Juni 1903 bekam er eine Stelle beim Obersthofmeisteramt, und zwar als Rechnungsbeamter bei der k. u. k. Hofbibliothek (nunmehr Nationalbibliothek). Mitte November 1904 wurde er zum k. u. k. Hof-Assistenten ernannt. Von Februar 1909 bis Februar 1910 war er bei der k. k. niederösterreichischen Statthalterei, um Erfahrungen im Verwaltungsdienst zu sammeln. Dor war bereits sein Freund Hemala beschäftigt, und dort traf er auch Anton Frey (Fd), den Gründer der Christlich-Deutschen Turnbewegung, wodurch er mit dieser in Kontakt geriet.
Nach seiner Rückkehr in den Dienst der Hofbibliothek versuchte Pultar wegen Unzufriedenheit am Arbeitsplatz eine andere Stelle im Obersthofmeisteramt bzw. Oberstkämmereramt zu bekommen. Am 15. Februar 1912 wurde er der Intendanz des Naturhistorischen Hofmuseums zugeteilt und im Dezember 1913 zum k. u. k. Hofkonzipisten I. Klasse ernannt, Im März 1918 wurde er zum Hofsekretär im Dienst des Oberstkämmereramtes ernannt, dem u. a. die Hofmuseen und die Hofbibliothek unterstanden.
PARLAMENTSDIREKTOR
Nach Ende der Monarchie und der Ausrufung der Republik wurde Pultar im Februar 1919 Mitglied der hofärarischen Verwaltungkommission und war somit an der Abwicklung der sog. Hofstäbe beteiligt. Im September 1921 wurde er auf Wunsch des Nationalratspräsidenten Richard Weiskirchner (AW EM) als Sektionsrat Leiter von dessen Sekretariat und wechselte damit in den Parlamentsdienst. Gleichzeitig nahm er als Protokollführer an den Sitzungen des Klubvorstands der Christlichsozialen Partei teil. Diese Funktion übte er auch bei den Nachfolgern von Weiskirchner aus, so bei Wilhelm Miklas (AW EM) (bis 1928), und dann beim Zweiten Präsidenten des Nationalrats Rudolf Ramek (Nc) (ab 1930). Am 7. August 1922 wurde Pultar zum Ministerialrat ernannt. Als Miklas 1928 zum Bundespräsidenten gewählt wurde, wollte er Pultar in die Präsidentschaftskanzlei mitnehmen, was dieser aber ablehnte.
Nach der Errichtung des „Ständestaates“ am 1. Mai 1934 wurden die sog. „ständestaatlichen“ Räte geschaffen und im sog. „Haus der Bundesgesetzgebung“ (Parlamentsgebäude) zusammengefaßt, deren administrativer Leiter Pultar wurde. Das entsprach der Funktion eines Parlamentsdirektors. Daher wurde er am 30. Mai 1934 zum Sektionschef ernannt. Allerdings wollte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (F-B) Pultar als Präsidialisten ins Bundeskanzleramt holen, was dieser aber ablehnte.
Nach dem Anschluß wurde Pultar am 14. März 1938 verhaftet, blieb bis 8. Juni 1938 in Polizeihaft und wurde mit 5. Oktober 1938 als Beamter formell entlassen. Ebenfalls verhaftet wurden seine Söhne Erich Pultar (Nc) und Walter Pultar (Nc). Schließlich wurde er nach einem Überprüfungsverfahren vom 7. März 1940 aufgrund einer anrechenbaren Dienstzeit von mehr als 35 Jahren unter Zuerkennung der Hälfte des Ruhegenusses in den Ruhestand versetzt, Dieser betrug 5.433 Reichsmark im Jahr, das waren 452,75 Reichsmark im Monat. Während des Krieges arbeitere er u. a. als Matrikenforscher, die Familie wohnte in Kilb (Bezirk Melk, Niederösterreich), wo sie ein Haus besaß.
Nach dem Krieg kehrte die Familie Pultar nach Wien zurück. Er wurde mit 15. November 1945 nunmehr als Parlamentsdirektor rehabilitiert, obwohl er bereits 66 Jahre alt war. Seine Pensionierung, mehrmals verschoben, erfolgte schließlich mit 73 Jahren (!) am 31. Dezember 1952. In den rund sieben Jahren Tätigkeit als Parlamentsdirektor hat er wesentlich am Aufbau und Funktionieren des Parlaments nach 1945 mitgewirkt. Sein Nachfolger wurde Roman Rosiczky (Nc).
PULTAR UND DAS KATHOLISCHE VERBANDSLEBEN
Pultar war seit dessen Gründung im Katholischen Volksbund aktiv und dort ab 1915 Vizepräsident. Generaldirektor war der Wiener Diözesanpriester Jakob Fried (Am), Direktor war Richard Schmitz (Nc). Bei dessen Biographie wird Zweck und Funktionsweise dieses Volksbundes erörtert.
Die Norica hat in der „Academia“ berichtet, daß sich Anfang 1900 in Wien ein christlicher Turnverein gebildet hat, dessen Obmann der niederösterreichische Landesbeamte Anton Frey (Fd) wurde. Weiter heißt es: „Die meisten von uns sind demselben beigetreten.“ Darunter befand sich auch Pultar. Die christlich-deutschen Turnvereine Österreichs gründeten am 31. Mai 1914 in St. Pölten den Reichsverband der Christlich-deutschen Turnerschaft Österreichs. Stellvertretender Vorsitzender wurde damals Johann Krumpe (Va), nach 1918 Abgeordneter der tschechoslowakischen Nationalversammlung.
Pultar wurde 1923 Obmann der Christlich-deutschen Turnerschaft Österreichs (CDTÖ) und bekleidete dieses Amt bis 1938. In diesen Jahren baute er die CDTÖ auf und machte sie zum zweitgrößten Sportverband (der größte war der national ausgerichtete Deutsche Turerbund). Die CDTÖ ab 1934 auch zur sog. Wehrfront (neben dem Heimatschutz, den Ostmärkischen Sturmscharen und dem Freiheitsbund). Die Abbildung oben zeigt Pultar in der Uniform der Christlich-deutschen Turnerschaft, Nach dem Krieg war er im Juni 1945 Mitbegründer der Turn- und Sport-Union, der Nachfolgeorganisation der CDTÖ, und deren erster Präsident bis 1954. An deren Aufbau war er wesentlich beteiligt. Nach 1945 wurde die Union zum größten Sportverband Österreichs. Sie versteht sich auch als katholischer Verband und war 1954 Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV). Sie ist eine der drei großen Sport-Dachorganisationen Österreichs.
Pultar fünf Kinder, darunter die Söhne Erich Pultar (Nc), Hugo Pultar (Nc), Walter Pultar (Nc, Cl) und Herbert Pultar (Cl, Nc). Seine Tochter Edith ehelichte Mathias Specht (Nc). Seine Enkel sind Christian Pultar (Nc), Kurt Pultar (Nc) und Manfred Pultar (Nc). Seine Urenkel sind Benedikt Pultar (Nc), Johannes Pultar (Nc) und Joseph Pultar (Nc). Josef Pultar wurde auf dem auf dem Stammersdorf Friedhof begraben (4/2).
Quellen und Literatur:
Verbindungsarchiv Norica (Mitteilung von Georg Schmitz).Academia 12 (1899/00), S. 315, 15 (1902/03), S. 46 und 28 (1915/16), S. 361.
http://sportunion.at/de/boxnewsshow0-100-jahre-christlich-deutsche-turnerschaft-oesterreich-cdtoe (6. 2. 2016)
Neuigkeits Weltblatt, 23. 3. 1929.
Enderle-Burcel, Gertrude–Follner, Michaela: Diener vieler Herren. Biographisches Handbuch der Sektionschefs der Ersten Republik und des Jahres 1945. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1997, S. 370f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Herbert Fritz und Peter Krause (Rt-D). Wien 2. wesentlich verb. Aufl. 2013, S. 476.
Specht, Edith: Dr. Josef Pultar (1879–1959). Hofadjunkt–Museumsdirektor–Häftling–Parlamentsdirektor. Klosterneuburg 2021.