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BM LHStv. a.D. RA Dr. Jakob Ahrer

BM LHStv. a.D. RA Dr. Jakob Ahrer

Urverbindung: Traungau (08.10.1908)

Bandverbindungen: BbG

Geboren: 28.11.1888, St. Stefan (Bezirk Leoben, Steiermark)
Gestorben: 31.03.1962, Wien
Aus dem CV ausgeschieden, Bundesminister, Landeshauptmannstellvertreter (Steiermark), Landtagsabgeordneter (Steiermark), Rechtsanwalt

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Ahrer wurde als Sohn eines Försters geboren, wuchs aber dann in Leoben auf, wo er 1908 das Realgymnasium absolvierte. Danach begann er das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz (Dr. iur.), wo er der damals gerade gegründeten Verbindung Traungau beitrat (Couleurname Hagen). Dort war er dreimal Senior (im Sommersemester 1910, im Wintersemester 1911/12 und im Sommersemester 1912) und dadurch in die Grazer Auseinandersetzungen mit den Schlagenden involviert.

Nach dem Studium und der Gerichtspraxis begann Ahrer die Rechtsanwaltslaufbahn, war im Ersten Weltkrieg bei der k. u. k. Armee (letzter Dienstgrad: Oberleutnant d. R.; Auszeichnungen: silbernes Signum laudis, silbernes Signum laudis am Bande mit Schwertern, Karl-Trupprenkreuz) und geriet kurz in italienische Kriegsgefangenschaft.

POLITISCHE LAUFBAHN

Da Ahrer bereits in jungen Jahren mit dem Politischen Katholizismus in Kontakt kam, wurde er von der Christlichsozialen Partei gleich in die Provisorische Landesversammlung der Steiermark delegiert, der er vom 6. November 1918 bis zum 27. Mai 1919 angehörte. Diese wählte ihn bereits am 6. November zum Landesrat in den Landesausschuß (provisorische Landesregierung).

Ahrer kandidierte bei den ersten Wahlen zum steirischen Landtag am 11. Mai 1919, wurde gewählt und gehörte ihm nach Wiederwahlen bis zum 21. Mai 1927 an. Er wurde am 27. Mai 1919 zum Landeshauptmannstellvertreter unter Landeshauptmann Anton Rintelen (ehemals Trn EM) gewählt und leitete das Finanzressort. Das war in der wirtschaftlichen schwierigen Zeit nach dem Krieg, der Inflation und Währungsumstellung eine wichtige Aufgabe. Er galt als Verbindungsmann zur Industrie und zur Heimwehr, deren Aufbau er von Anfang an unterstützte und deren Landesleitung er 1921/22 für kurze Zeit innehatte. Er hatte auch gute Kontakte zu den Großdeutschen und den Sozialdemokraten. Ahrer wurde in der Landesregierung sowie in der Christlichsozialen Partei hinter Rintelen der „zweite Mann“ und dessen „alter ego“ bezeichnet.

Am 20. November 1924 wurde Ahrer als Nachfolger von Viktor Kienböck zum Finanzminister der Regierung von Bundeskanzler Rudolf Ramek (Nc) ernannt. Der Grund dafür lag wahrscheinlich darin, daß er der Wortführer der Finanz-Landesräte war, ein Vorsanktionsrecht der Landesbudgets durch die Bundesregierung zu verhindern.

Seine Stellung in dieser Regierung war bedeutsam, so daß diese in historischen Darstellungen gelegentlich Ramek-Ahrer genannt wird. Sein Amt als Landeshauptmannstellvertreter der Steiermark legte er am 1. Dezember 1924 zurück. Sein Nachfolger als Finanzreferent wurde Landesrat Adolf Enge (Fd).

Ahrer hatte nach der durch Bundeskanzler Ignaz Seipel (Nc EM) erreichten Völkerbundanleihe den zweiten Teil der Währungsreform durchzuführen. Durch ihn als Finanzminister wurde das Schillingsrechnungsgesetz im Nationalrat eingebracht, wonach die inflationäre Krone zum Kurs von 10.000 zu 1 durch die Schillingwährung ersetzt wurde. Das Gesetz wurde am 20. Dezember 1924 beschlossen und am 1. März 1925 offiziell umgesetzt. In seiner Amtszeit ist es ihm gelungen, ein ausgeglichenes Budget zu erstellen und die vom Völkerbund in Genf geforderten Einsparungsmaßnahmen anzugehen. Damit wurde auch das Vertrauen des Auslands in Österreich wieder verbessert, was er auch durch Auslandsreisen beförderte.

Ein wichtiges Gesetz in Ahreres Amtszeit war das Goldbilanzgesetz von 1925. Dieses regelte nach der Einführung des Schillings die Bilanzierungsvorschriften, die nun in Schilling erstellt werden mußten.

Ahrer bereitete im Herbst 1925 ein wirtschaftpolitisches Programm vor, das sehr stark planungsorientiert war und auf Wirtschaftslenkung setzte. Es sollte vor allem der Eindämmung der hohen Arbeitslosigkeit dienen, die u. a. durch die Hartwährungspolitik im Zusammenhang mit der neuen Währung („Alpendollar“) entstanden ist. Zu diesem Zweck wollte er auch die oppositionelle Sozialdemokratie einbinden. Er verstand es aber nicht, die Christlichsoziale Partei rechtzeitig in seine Pläne einzubinden, so daß deren Umsetzung scheiterte. Als es zum Rücktritt des Kabinetts Ramek I und dann zu der Neubestellung der Regierung Ramek II kam, wurde er bzw. ließ sich nicht mehr zum Finanzminister vorgeschlagen und schied am 15. Januar 1926 aus der Regierung. Anschließend wurde er für einige Zeit Klubobmann der Christlichsozialen im steirischen Landtag.

AHRER UND DER BANKENSKANDAL VON 1926

Ahrer hatte als Landesfinanzreferent und dann vor allem als Finanzminister naturgemäß mit dem Bankwesen zu tun, daß nach dem Krieg durch Inflation und Wirtschaftkrise in eine schwierige Lage geriet. Zahlreiche Banken wurden zu dieser Zeit insolvent. Um diesem Problem Herr zu werden, drängte er als Finanzminister kleinere Institute zur Fusionierung mit anderen Banken. So war er im Mai/Juni 1925 maßgeblicher Initiator des Aufgehens der Niederösterreichischen Bauernbank und der Steirerbank (deren Präsident Rintelen und Vizepräsident Ahrer seit 1920 war) in die Centralbank der deutschen Sparkassen. Diese verkraftete das aber nicht, war dann im Juli 1926 konkursreif und wurde von der Regierung aufgefangen.

Im September 1926 wurde dann der Skandal um die staatliche Postsparkasse öffentlich. Diese war wegen Devisenspekulationsgeschäften, mit denen sie Inflationsverluste vermeiden wollte, und durch Stützungsaktionen für andere Geldinstitute in eine existenzbedrohliche Notlage geraten. In der Folge wurde nun Ahrer vorgeworfen, einem Spekulanten, der der Postsparkasse erhebliche Beträge schuldete, geholfen zu haben, einen Großteil seines Vermögens in die Schweiz verbringen zu können. Ahrer bestritt aber diese Vorwürfe.

Ahrer selbst geriet nach seinem Rücktritt zusätzlich in eine persönliche Krise. Sein steiler Aufstieg bereits in relativ jungen Jahren – er war noch nicht einmal 30 Jahre alt, als er bereits zum Landesrat gewählt wurde – kam abrupt zu Ende. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung fand er sich als Landtagsabgeordneter und Anwalt in Graz wieder. Darüber hinaus befand er sich in einer Ehekrise, nachdem er eine Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen hatte.

Das bewog Ahrer u. a., sich Ende September 1926 nach Amerika zu begeben, um dort eine neue Existenz aufzubauen. Dies wurde aber als „Flucht“ interpretiert, weil er sich damit einer Aussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß entzogen hatte. Bevor er sich nach Amerika begab, trat er aus dem Traungau aus. Dies tat er zum einen aus persönlichen Gründen (Ehekrise), aber auch um der Verbindung nicht zu schaden, so seine Darstellung in „Erlebte Zeitgeschichte“ (S. 11).

Da ihm jedoch in der Neuen Welt ein beruflicher Neuanfang nicht gelang, kehrte Ahrer nach Aufenthalten in New York und Havanna im März 1927 für einige Zeit wieder nach Österreich zurück. Er begab sich aber im September 1927 zu Verwandten in die Schweiz, wo er eine gewisse Zeit lebte. Dort schrieb er zu seiner Rechtfertigung seine Memoiren. Von 1927 bis 1931 war er Direktor einer Fabrik in Lörrach (Breisgau) nahe der Schweizer Grenze.

Nach seiner Rückkehr 1831 eröffnete Ahrer in Wien (Kärntnerring) eine Anwaltskanzlei und war Präsident der Krankenanstalt Confraternität. Zu seinen damaligen Klienten gehörte u. a. auch der bekannte Operettenkomponist Franz Lehár. Im Krieg hatte er Kontakte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, weswegen er auch politischer Verfolgung ausgesetzt war. Nach dem Krieg konnte er wieder ungehindert seiner Anwaltstätigkeit nachgehen und hat dabei namhafte Persönlichkeiten beraten, wie u. a. die ÖVP-Politiker Alfons Gorbach (Cl), Hermann Withalm (Nc), Ferdinand Graf (Trn EM), Josef Krainer sen. (BbG EM) sowie auch Theodor Kardinal Innitzer (NdW) und den Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein, Josef Joham (Cl).

Das Bild Ahrers in der Geschichtsschreibung ist unvollkommen. Es fand kein Gerichtsverfahren statt, so daß die Vorwürfe gegen ihn weder bewiesen werden konnten, noch daß er für unschuldig befunden wurde. Diese Vorwürfe blieben daher trotz Unschuldsvermutung im Raum stehen. Da es bislang keine eingehende wissenschaftliche Untersuchung zu seiner Person gibt, sind zum einen Bemerkungen über ihn in historischen Darstellungen schlagwortartig und oberflächlich. Zum anderen mangelt es wiederum den Rechtfertigungsversuchen von ihm und seinen Nachkommen an der nötigen Distanz und Objektivität.

Die frühe Karriere eines zweifelsohne begabten politischen Talents wurde durch seine Kontakte mit zwielichtigen Persönlichkeiten – u. a. Rintelen – und finanzwirtschaftliche Umstände jäh beendet, wobei auch noch private Umstände hinzugekommen sind.

Werke:

Erlebte Zeitgeschichte (1930).

Quellen und Literatur:

Ableitinger, Alfred: Die Erste Republik – Erinnerung und Erfahrung, in: Die Landeshauptleute der Steiermark. Hg. von Alfred Ableitinger, Herwig Hösele und Wolfgang Mantl. Graz 2000, SS. 23–37.
Fritz, Wolfgang: Für Kaiser und Republik. Österreichs Finanzminister seit 1848. Wien 2003, S. 178-180.
Corvin Hummer (Enkel von Ahrer) in „Wiener Zeitung“ (25. 2. 2003),

www.wienerzeitung.at/nachrichten/archiv/169785_Jakob-Ahrer-ist-nicht-nach-Havanne-geflohen(abgerufen am 06.07.2022)