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Bschf. Univ.-Prof. DDr. Alois Hudal

Bschf. Univ.-Prof. DDr. Alois Hudal

Ehrenmitgliedschaften: Babenberg Graz

Geboren: 31.05.1885, Graz
Gestorben: 13.05.1963, Rom
Titularbischof, Universitätsprofessor (Altes Testament)

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AKADEMISCHE LAUFBAHN

Hudal wurde als Sohn eines slowenischstämmigen und sozialdemokratisch orientierten Schuhmachermeisters geboren und ging nach der Volksschule ab 1896 auf das bischöfliche Gymnasium in Graz. Nach der Matura im Jahr 1904 begann er mit dem Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Graz (abs. theol. 1908; Dr. theol. 1911) und trat in das Grazer Priesterseminar ein. In seinem letzten Studienjahr erlebte er die Auseinandersetzungen zwischen dem CV und den schlagenden Verbindungen im sog. „Wahrmundjahr“, die in Graz besonders heftig waren. Am 19. Juli 1908 wurde er im Grazer Dom zum Priester geweiht, die Primiz feierte er in seiner Grazer Heimatpfarrkirche „Herz Jesu“. Danach war er Kaplan in Kindberg (Obersteiermark), in welcher Zeit er seine Doktorarbeit schrieb. Kurz vor seiner Promotion trat er der Grazer KV Verbindung Winfridia als Urmitglied bei.

Nach seiner Promotion studierte Hudal von 1911 bis 1913 am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom (Dr. rer. bibl. 1913), wo er sich für das Fach Altes Testament spezialisierte und während dieser Zeit im deutschsprachigen Priesterkolleg „Santa Maria dell‘ Anima“ (kurz auch Anima genannt) wohnte. Nach seiner Rückkehr war er von 1913 bis 1916 Subregens des Priesterseminars. Interessant ist sein Bezug: Er erhielt auf diesem Posten, mit dem auch die ökonomische Leitung des Priesterseminars verbunden war, jährlich 1260 Kronen bei freier Kost und freiem Quartier (das war zwar weniger als ein Volksschullehrer, jedoch mußte dieser für Kost und Quartier selber aufkommen).

In dieser Stellung konnte sich Hudal 1914 für Altes Testament an der Grazer Theologischen Fakultät mit einer Arbeit über das Buch der Sprüche habilitieren. 1915 wurde er von der k. k. Landwehr zum Feldkuraten der Reserve assentiert und 1916 zum Dienst an die Isonzofront einberufen. Hier erregte er mit seinen Soldatenpredigten Aufsehen, die dann teilweise auch in Druck erschienen sind. Im Herbst 1917 wurde er von seiner Funktion als Feldkurat entbunden. Zum einen war er kurz im Gespräch, die Leitung des Kollegs Campo Santo Teutonico in Rom zu übernehmen, was aber am Einspruch deutscher Bischöfe scheiterte, zum anderen sollte er die zu errichtende Lehrkanzel über die orthodoxen Kirchen im Rahmen des Orientalischen Instituts an der Universität Wien übernehmen, In diesem Zusammenhang wurde er seitens des k. u. k. Außenministeriums im Frühjahr 1918 auf eine Erkundungsreise auf den Balkan geschickt.

Am 5. Februar 1919 wurde Hudal zum außerordentlichen Universitätsprofessor für Altes Testament ernannt. Im September 1919 starb der Lehrstuhlinhaber Johann Weiß (Cl EM), so daß Hudal die Leitung der Lehrkanzel übernahm. Schließlich wurde er 1923 zum ordentlichen Universitätsprofessor für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Graz ernannt. Anfang 1922 übernahm er auch den Vorsitz im vorbereitenden Komitee für den 3. Steirischen Katholikentag.

REKTOR DER ANIMA UND BISCHOF

Als Anfang 1923 der Rektor der Anima einen Schlaganfall erlitt und dienstunfähig wurde, mußte rasch eine Lösung gefunden werden. Auf Initiative des damaligen österreichischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Ludwig Pastor Freiherr von Campersfelden (AIn EM), ernannte Papst Pius XI. am 24. März 1923 Hudal zum Koadjutor des Rektors der Anima mit dem Recht der Nachfolge. Diese trat dann ein Jahr später ein. Bezüglich seines Professorenpostens wurde er bei weiterlaufenden Bezügen dienstfreigestellt bzw. entpflichtet. Dieser Zustand überdauerte sogar den Anschluß sowie die 1939 erfolgte Zusammenlegung der Grazer mit der Wiener Theologischen Fakultät und währte bis Mai 1950. Danach erhielt er den gesetzlichen Ruhegenuß. Hudals Weggang von Graz wurde mit Bedauern zur Kenntnis genommen. So schrieb Erwin Wasserbäck (Trn), Priester und Diplomat in Berlin, an ihn: „Insbesondere wird die kath. Studentenschaft ihrem unvergeßlichen Führer nachtrauern.“ In diesem Zusammenhang steht auch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Hudal seitens der Babenberg Graz.

Hudal baute nun über Jahre seine Kontakte im Vatikan und in der Diplomatie aus und wurde Anfang 1930 zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt. Vom 1930 zum Kardinalstaatssekretär ernannten Eugenio Pacelli (Tfs EM), dem späteren Papst Pius XII., wurde Hudal 1931 beauftragt, Verhandlungen über ein Konkordat mit Österreich vorzubereiten. Unter den Fachleuten, die ihn unterstützten, befand sich auch der Wiener Weihbischof Franz Kamprath (F-B EM). Unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (F-B) wurden die Verhandlungen 1932 forciert, so daß das Konkordat am 1. Mai 1933 paraphiert und am 5. Juni 1933 unterzeichnet werden konnte. Zwischenzeitlich war Hudal nach dem Tod des Wiener Erzbischofs Friedrich Gustav Kardinal Piffl (Wl EM) als dessen Nachfolger im Gespräch und soll auch auf einer entsprechenden Liste gestanden sein. Möglicherweise war es ein Trostpflaster oder eine Belohnung für die Konkordatsverhandlung, daß Hudal am 1. Juni 1933 zum Titularbischof von Aela (Syrien) ernannt wurde. Am 18. Juni wurde er in der Anima von Pacelli dazu geweiht, was dort auch eine Gedenktafel dokumentiert.

HUDAL UND DER NATIONALSOZIALISMUS

Hudal wuchs in der Steiermark auf und wurde von der dort stark verbreitenden deutschnationalen Stimmung geprägt. Man darf aber nicht vergessen, daß sich damals fast alle Österreicher als Deutsche sahen und sich als solche auch fühlten. Damalige Äußerungen dieser Art darf man aufgrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus nicht be- und verurteilen, wie das u. a. auch der Hudal-Biograph Johannes Sachslehner tut. Hudal gehörte zweifelsohne zu jenen, die ihr Deutschtum stärker betonten, und damit zweifelsohne zu den sog. „Betont Nationalen“ bzw. zu den „Katholisch Nationalen“, die aber oft nicht mehr weit weg vom Nationalsozialismus waren.

Als Adolf Hitler Ende Januar 1933 in Deutschland die Macht übernommen hatte, konkretisierte sich bei Hudal die Vorstellung, Brücken zwischen Christentum und Nationalsozialismus zu bauen. Angeregt wurde er u. a. durch seine Erfahrungen in Rom, wo es 1929 zu einer Aussöhnung zwischen dem Heiligen Stuhl und dem faschistischen Italien gekommen war und der Vatikanstaat errichtet wurde. So schlug Hudal 1933 Dollfuß vor, einen „christlichen Nationalsozialismus“ als Gegenmodell zur NSDAP ins Leben zu rufen. Im Oktober 1936 erschien sein vielbeachtetes und auch umstrittenes Buch „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“, das mehrere Auflagen erlebte. In diesem würdigt er die dem Christentum gegenüber positiven Seiten des Nationalsozialismus und schickte es Hitler mit der Widmung: „Dem Siegfried deutscher Größe.“

Das Buch erschien in einem deutschen Verlag, jedoch wurde seine Verbreitung in Deutschland von Joseph Goebbels untersagt. Es wies Hudal als latenten Sympathisanten des Nationalsozialismus aus, wodurch er zum „Bückenbauer“ schlechthin wurde. Der Münchener Erzbischof Michael Kardinal Faulhaber bezeichnete ihn deswegen als „Hoftheologen der NSDAP“. 1938 war er auch im Hintergrund bei den Friedens- oder Geheimverhandlungen des österreichischen Episkopates mit den nationalsozialistischen Machthabern beteiligt

Allerdings stellt sich Hudals Bild aufgrund bereits veröffentlichter Quellen und vor allem nach der teilweisen Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs am 15. Februar 2003 für die Zeit Pius XI. jedoch etwas differenzierter dar. An der Aufarbeitung dieser Dokumente war u. a. der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf (Wf EM) maßgeblich beteiligt. Dieser wird nach der Öffnung des Vatikanischen Archivs für die Zeit Papst Pius XII, Anfang 2020 Hudals Rolle weiter erforschen, wurde jedoch vorerst infolge des Ausbruchs der Corona-Pandemie daran gehindert.

Danach hat Hudal als Konsultor des Heiligen Offiziums, wozu er 1930 ernannt wurde, bereits 1934 die Indizierung des „Mythus [sic!] des 20. Jahrhunderts“ des NS-Ideologen Alfred Rosenberg betrieben, weil er glaubte, den Nationalsozialismus „taufen“ zu können, wenn die Ideen Rosenbergs isoliert werden. Insbesondere kritisierte Hudal die Vergötterung von Blut und Rasse, die zu einer antijüdischen Selbstüberschätzung führte. Ein strategischer Ansatz von ihm war auch, den linken bzw. radikalen Flügel des Nationalsozialismus zu isolieren. „Ja, Hudal hatte eine große Vision: den christlichen Nationalsozialismus“ (Johannes Sachslehner).

Auf Hudals Drängen setzte Papst Pius XI. eine Kommission ein, die ähnlich dem Antimodernisten-Syllabus einen solchen zu den nationalsozialistischen Häresien ausarbeiten sollte. Auch wurde der Plan einer Antirassismus-Enzyklika vom Papst verfolgt. Hudal und das Heilige Offizium hatten sich nach Lage der Akten 1934 vorgenommen, die nationalsozialistische Rassenlehre zu verdammen und dabei auch Adolf Hitler namentlich zu nennen. Beide Vorhaben wurden jedoch vom Staatssekretariat torpediert.

Als im Oktober 1943 römische Juden verhaftet wurden, intervenierte Hudal im Auftrag des Vatikans bei den deutschen Militärbehörden und bat um sofortige Einstellung der Verhaftungen, was dann auch geschah. Jedoch war zu diesem Zeitpunkt die Aktion bereits abgeschlossen. Auch versteckte Hudal geflüchtete alliierte Kriegsgefangen in der Anima. Als im Juni 1944 Rom von den Alliierten besetzt wurde, machte Hudal einen „Schwenk“. Bald darauf kam es in der Anima zur Gründung eines Österreichischen Komitees. Das wurde jedoch vom „Free Austrian Movement“ in London kritisiert, wobei Hudal als „Nazi Bischof“ bezeichnet wurde.

HUDALS ROLLE NACH 1945

Nach 1945 wurde durch Hudals Hilfe vielen ehemaligen hochrangigen Nationalsozialisten, darunter nachgewiesenermaßen Verbrechern, die Flucht ermöglicht, indem er meistens Ausweisdokumente des Internationalen Roten Kreuzes Genf (sog. „Reise-Titel“, titre de voyage) und Geld vermittelte, das u. a. von der National Catholic Welfar Conference (NCWC, USA) stammte. So u. a. dem aus Österreich stammenden Kommandanten der Vernichtungslager Treblinka und Sobibor, Franz Stangl. Dieser konnte 1948 aus einem Linzer Gefängnis nach Italien fliehen. Von Hudal erhielt er einen Paß für Syrien. Desgleichen soll er dem „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, und möglicherweise auch bei Adolf Eichmann sowie Erich Priebke geholfen haben, die über die sog. „Ratten-Linie“ (rate lines) über Genua nach Südamerika entkommen konnten. In Genua war der erzkonservative Giuseppe Kardinal Siri Erzbischof, der die schützende Hand über diese Aktionen hielt und als Favorit bei der ersten Papstwahlen des Jahres 1978 galt. Hudal half auch dem SS-Gruppenführer Otto Wächter, der 1934 den Einsatz des Juli-Putsches leitete, bei dem Dollfuß ermordet wurde, und dann aus Österreich floh.

Es wundert daher nicht, daß Hudal aus all diesen Gründen nach 1945 immer mehr in eine innerkirchliche Isolation geriet. Auf Veranlassung Roms bzw. des Nuntius in Wien, Giovanni Battista Dellepiane (Nc EM), drängten 1951 die österreichischen Bischöfe, die bezüglich der Anima die Personalhoheit haben, Hudal, als Rektor zurückzutreten, was er dann am 30. Juni 1952 tat. Er blieb aber nominell weiterhin Konsultor des Heiligen Offiziums. Sein Nachfolger wurde Jakob Weinbacher (NbW).

Hudal erwarb eine kleine Villa in Grottoferrata in den Albaner Bergen, etwa 20 km südöstlich von Rom, und verbrachte dort seine letzten Lebensjahre. Die 1961 geplante Verleihung des goldenen Doktordiploms durch die Grazer Universität mußte auf öffentlichem Druck hin unterbleiben. 1976 erschienen posthum seine Memoiren „Römische Tagebücher“, für die Weinbacher, inzwischen Weihbischof von Wien, merkwürdigerweise ein Geleitwort verfaßte.

In dem 1956 auch in Deutsch erschienenen Roman „Die Schlüssel von St. Peter“ des französischen Schriftstellers Roger Peyrefitte wurde Hudal ein literarisches Denkmal gesetzt. Darin tritt er als eifriger Diskutant bei einer „Sondersitzung“ des Heiligen Offiziums auf, in der es um die Verehrung der Reliquie „Sanctum Praeputium Domini“ ging. (Ein Exemplar eines solchen befindet sich übrigens in der Reliquienkapelle des Wiener Stephansdomes.) Hudal litt in den letzten Jahren nicht nur an einer Augenkrankheit, es kam noch ein bösartiges Leber- und Gallenleiden hinzu. Diesem erlag er dann kurz vor Vollendung seines 78. Lebensjahres in einer römischen Klinik. Er wurde auf dem Campo Santo Teutonico im Schatten des Petersdomes beigesetzt.

Hudal kann mit Sicherheit als umstrittener Bischof bezeichnet werden und war in der Tat mehr als eine schillernde Figur. Seine teilweise slowenische Abstammung war möglicherweise für ihn eine Triebfeder für seine betont deutschnationale Gesinnung und Anbiederei an den Nationalsozialismus. Er war auch nicht groß von Wuchs, was wiederum bzw. möglicherweise zu seinem besonderen Ehrgeiz und seiner Geltungssucht geführt hat, was oft typisch für solche Menschen ist. Trotz alledem darf man bei der Bewertung seiner Person nicht das Augenmaß verlieren und ihn nicht allein vom heutigen Standpunkt bzw. nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus be- und verurteilen. Das Bild Hudals in der Geschichte ist noch nicht vollständig. Ein großer Schritt dazu hin wird erst beim Vorliegen der erwähnten Forschungsergebnisse von Hubert Wolf erfolgen.

Werke:

(Auswahl)
Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Bücher des Alten Testaments (1920, 6. Aufl. 1948)
S. Maria dell’anima, die deutsche Nationalkirche in Rom (1928).
(Hg.) Der Katholizismus in Österreich. Sein Wirken, Kämpfen und Hoffen (1931).
Der Vatikan und die modernen Staaten (1935).
Die Grundlagen des Nationalsozialismus. Eine ideengeschichtliche Untersuchung von katholischer Warte (1937).
Die österreichische Vatikanbotschaft 1806–1918 (1952).
(Posthum) Römische Tagebücher. Lebensbeichte eines alten Bischofs (1976).

Quellen und Literatur:

Academia 42 (1929/30), S. 316.
Liebmann, Maximilian (Cl): Alois Hudal, in: Biographisches Lexikon des KV. Teil 2 (= Revocatio Historiae Band 3). Schernfeld 1993, S. 61–63
Langer, Marcus (FlP): Alois Hudal. Bischof zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Versuch einer Biographie. Wien phil. Diss. 1995.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 253f., 347, 439 und 496f.
Wolf, Hubert (Wf EM): Papst & Teufel. Die Archive des Vatikans und das Dritte Reich. München 2008, bes. S. 281ff.
Blankenstein, Christian: Die Merk-würdigen von Gestern und ihre Spuren im Heute. 15 Portraits aus Österreich. Nordhausen 2011, S. 176–192.
Sachslehner, Johannes: Hitlers Mann im Vatikan. Bischof Alois Hudal. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kirche. Wien 2019.