Lebenslauf:
Pastor wurde als Sohn eines evangelisch-reformierten Farbengroßhändlers geboren. Seine Mutter war katholisch, und nach dem frühen Tod des Vaters konvertierte er 1864 zum katholischen Glauben. Die Familie zog bereits 1860 nach Frankfurt/Main, wo er 1875 das Gymnasium absolvierte. Dort wurde bei ihm das Interesse für Geschichte geweckt, und er verkehrte im Kreis der Familie Brentano.
Danach studierte Pastor Geschichte in Löwen, Bonn, wo er der KV-Verbindung Arminia beitrat, Berlin, Wien und Graz (Dr. phil. 1878 in Graz). In den Jahren 1876 bis 1878 hielt er sich zeitweise in Rom auf. Nach Studienabschluß wollte er sich bei seinem Doktorvater, dem bekannten Historiker Johann B. Weiß in Graz, habilitieren. Damals war aber eine Habilitation für Nichtliberale schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Weiß deutete Pastor offen an, daß er ihn gegenüber seinen liberalen Kollegen nicht durchsetzen könne.
Daraufhin habilitierte sich Pastor am 15. Januar 1881 für Geschichte in Innsbruck, was aber wegen seiner katholisch-integralistischen Gesinnung auch nicht ohne Schwierigkeiten von sich ging. Am 16. Februar 1883 erhielt er den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors. Am 30. Oktober 1886 erfolgte dann die Ernennung zu einem solchen und am 5. September 1887 die zum ordentlichen Universitätsprofessor für allgemeine Geschichte an der Universität Innsbruck. Er bemühte sich vergeblich, einen Ruf nach Wien oder Freiburg/Br. zu bekommen. Gleichsam als Entschädigung wurde er am 18. März 1901 zum Direktor des Österreichischen Historischen Instituts (Istituto austriaco di studii storici) in Rom berufen. Dies blieb er vorerst bis zur Kriegserklärung Italiens an Österreich im Mai 1915.
Nach dem Krieg kehrte Pastor wieder nach Rom zurück und wurde am 7. Februar 1920 zum ao. Gesandten und bev. Minister Österreichs beim Heiligen Stuhl ernannt (Dienstantritt am 8. März 1920). Beide Positionen übte er bis zu seinem Tod aus. Während dieser Zeit war er an der Lösung der kirchlichen Organisation für das neue Bundesland Burgenland sowie für Tirol bemüht. Ebenso konnte er das Protektorat für deutsche Nationalstiftgung „Santa Maria dell’ Anima“ für Österreich sichern. Auf sein Betreiben wurde Alois Hudal (BbG EM) 1923 zu deren Rektor ernannt. Pastors Nachfolger als Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom wurde Ignaz Philipp Dengel (Sv). Als Universitätsprofessor wurde er 1924 emeritiert.
Am 30. November 1908 wurde Pastor in den niederen Adelsstand erhoben („von“). Am 4. September 1909 erhielt den Zusatz „Edler von Campersfelden“. Kaiser Franz Joseph erhob ihn am 31. August 1916 in den Freiherrenstand. Er war Mitglied der Akademien der Wissenschaften von Prag, Wien, Krakau und Budapest (alle noch vor 1918 in der Monarchie) sowie der von München und Rom. Die Universitäten Löwen, Breslau und Innsbruck verliehen ihm den Dr. h. c.
Pastor zählte zu den profiliertesten Historikern seiner Epoche. Seine 16bändige Papstgeschichte ist nach wie vor ein Standardwerk. Er vertrat unbeirrt seinen katholischen Standpunkt in der Zeit des Kulturkampfes, war aber nicht zuletzt wegen seines Forschungsgegenstandes ein Parteigänger des Integralismus bzw. Ultramontanismus. Er beteiligte sich während des Pontifikats Pius X. (1903 bis 1914) am Kampf gegen den Modernismus, wobei er auch vor Denunziationen nicht zurückschreckte. Entschieden wandte er sich daher u. a. gegen die Reformkatholiken Herman Schell (Mm EM) und Albert Ehrhard (Mm EM).
Pastor wurde auf dem Friedhof in Innsbruck-Wilten beigesetzt. In Wien (21. Bezirk) und in Aachen wurden Straßen nach ihm benannt.
Werke:
(Auswahl)Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, 16 Bände (1886–1933). Das war neben vielen anderen sein Hauptwerk, das noch zu seinen Lebzeiten ins Englische, Französische, Spanische und Italienische übersetzt wurde.
Quellen und Literatur:
Kriss, Simon–Zathammer, Stefan: Austriae mortuis I. Die Verstorbenen Austrier der Rezeptionsjahrgänge von 1864–1910. Innsbruck 2024, 408f. und 537.Academia 41 (1928/29), 182.
Wühr, Wilhelm (Hg): Ludwig Frhr. von Pastor. Tagebücher, Briefe, Erinnerungen. Heidelberg 1950.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, 69.
Adelslexikon des Österreichischen Kaisertums 1804–1918. Hg. und kommentiert von Peter Frank-Döfering. Wien 1989, 444f.
Gelmi, Josef: Romanorum pontificum historiographo celeberrimo. Der Papsthistoriker Ludwig Pastor Freiherr von Campersfelden, in: Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs. Band 11. Hg. von Jan Mikrut. Wien 2004, 247–266.
Fellner, Fritz–Corradini, Doris A.: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Wien 2006, 308f. (hier ausführliches Publikations- und Literaturverzeichnis).
Agstner, Rudolf–Enderle-Burcel, Gertrude–Follner, Michaela: Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. Biographisches Handbuch des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 2009, 353f.
Sohn, Andreas – Verger, Jacques: Ludwig Pastor (1854–1928). Regensburg 2020.