Wartungsfunktionen

Sekt.-Chef i.R. Prof. Mag. Dr. Otto Krammer

Sekt.-Chef i.R. Prof. Mag. Dr. Otto Krammer

Urverbindung: Bajuvaria (19.06.1920)

Geboren: 18.07.1903, Wien
Gestorben: 16.04.2007, Wien
Beamter (Ministerialrat), Studentenhistoriker

Lebenslauf:

Krammer wurde als Sohn des späteren Wiener Landtagsabgeordneten Josef Krammer (Baj EM), Beamten am k. k. Rechnungshof, geboren. Zwei Tage nach seiner Geburt starb Papst Leo XIII. Nach Absolvierung der Übungsvolksschule der Lehrerbildungsanstalt in der Sophienbrückengasse (nunmehr Kundmanngasse) wechselte er 1913 ans Landstraßer Gymnasium, wo er sich nach dem Ersten Weltkrieg ab Anfang 1919 im Christlich Deutschen Studentenbund (CDSB) engagierte. In dieser Gruppe entstand im Herbst 1919 die Idee zur Gründung einer katholischen Pennalie, die dann am 26. November d. J. mit Hilfe der Wiener CV-Verbindung Franco-Bavaria umgesetzt wurde und den Namen Frankonia erhielt. Krammer wurde zum Senior gewählt und gilt daher als Gründungssenior der späteren MKV-Verbindung Frankonia. Die Gründungsversammlung präsidierte Engelbert Dollfuß (F-B), der damalige Senior der Franco-Bavaria, Teilnehmer war u. a. auch der spätere Unterrichtsminister Felix Hurdes (NbW EM).

In der Folge wandelte sich diese Frankonia zuerst zu einer gemischten Hochschul- und Mittelschulverbindung, mußte sich aber seitens der Vereinsbehörde für eine der beiden Varianten entscheiden und votierte schließlich für eine Hochschulverbindung. Krammer war hierbei einer der entscheidenden treibenden Kräfte. Die diesbezügliche vereinsbehördliche Genehmigung erfolgte mit 19. Juni 1920. Weitere Gründer waren u. a. Eduard Chaloupka (Baj) und Josef Nagler (Baj).

Aufgrund interner Diskussionen und Schwierigkeiten konstituierte sich am 8. Mai 1921 mit fast denselben bisherigen Gründungsmitgliedern vereinsrechtlich die Hochschulverbindung Bajuvaria, die die Tradition der bisherigen Hochschulverbindung Frankonia fortsetzte (letztere wandelte sich wieder in eine reine Mittelschulverbindung). Daher gilt als Gründungsdatum der Bajuvaria der 19. Juni 1920, und ihre Gründer haben dieses Datum als Rezeptionsdatum. Krammer (Couleurname Struwwelpeter) wurde dabei zum Fuchsmajor gewählt. 1922 war er Mitbegründer der katholischen Pennalie Vandalia (später MKV) in Wien-Simmering.

Noch im Gymnasium besuchte Krammer den Bank- und Handelskurs und begann nach der Matura (8. Juli 1921) das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (abs. iur. 1925; Dr. iur. 1926). Daneben arbeitete er von Mai 1922 bis Oktober 1925 bei der Union Bank. Von Mitte November 1925 bis Ende Juni 1926 absolvierte er seine Gerichtspraxis und trat mit 1. Juli 1927 in den Dienst der Post- und Telegraphendirektion Wien ein. Mit 5. Juli 1933 wurde er in das für die Post zuständige Bundesministerium für Handel und Verkehr/Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung einberufen und im Oktober 1934 dem Bundeskanzleramt dienstzugeteilt. Dort war er beim Bundeskommissariat für Personalangelegenheiten (Personalsektion) unter Sektionschef Arbogast Josef Fleisch (Nc) tätig, das u. a. zu sorgen hatte, daß das die Beamtenschaft nicht durch Nationalsozialisten unterwandert wird.

Im Zuge des Anschlusses vom 11. März 1938 gelang es Krammer, wichtige Unterlagen (Personalkarteien) aus seinem Büro im Bundeskanzleramt in Sicherheit zu bringen und diese auf der Straße durch einen Kanaldeckel in die Abwässer zu entsorgen. Er wurde unmittelbar nach dem Anschluß entlassen sowie dann Ende Januar 1939 mit der Hälfte des Ruhegenusses in den Ruhestand versetzt. Mit 31. März 1940 wurde dieser rückwirkend auf 75 Prozent gekürzt. Ab 1939 war er in der Privatwirtschaft tätig, 1941 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen.

Nach dem Krieg wurde Krammer rehabilitiert und war seit 25. Mai 1945 wieder Beamter in der Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung im Verkehrsministerium. Bereits mit 1. Januar 1946 wurde er zum Ministerialrat ernannt. Zuletzt leitete er dort die Abteilung 4 (Wirtschaftsangelegenheiten, Postwertzeichen) und war dann auch Vertreter des Vorstands (Sektionschef) der Gruppe I der Generaldirektion. Mit 31, Dezember 1967 ging er in Pension und erhielt dabei den Titel eines Sektionschefs. Aufgrund seiner Zuständigkeit für die Postwertzeichen (Briefmarken), wo er auch für Organisation der künstlerischen Entwürfe zuständig war, erhielt er den Berufstitel Professor verliehen.

Krammer betätigte sich nach seiner Pensionierung als Studentenhistoriker aber auch als Kirchenhistoriker, wobei er zum Kreis um Franz Loidl (ehemals NbW), dem damaligen Professor für Kirchengeschichte an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, gehörte. Ein besonderes Forschungsanliegen war ihm dabei die Auswirkungen der Jugendbewegung (Bund Neuland) auf die kirchliche Strategie der Zurückdrängung der katholischen Verbände durch die Katholische Aktion. Hier traf er sich auch mit den Forschungen des Grazer Kirchenhistorikers Maximilian Liebmann (Cl).

„Eine Stimme aus dem Grabe des verschiedenen Verbandskatholizismus“, mit diesen Worten urteilte Anton Böhm, vor 1938 Führer des Bundes Neulands Österreichs und dann illegaler Nazi, nach 1945 dann u. a. zum Herausgeber des „Rheinischen Merkur“ in Bonn avanciert, über die Veröffentlichungen Krammers. Vor allem seine umfangreiche, quellenorientierte Studie über die Zerschlagung des Christlich-Deutschen Studentenbundes nach 1918 war vielen in der Kirche, die der integralistischen Idee der Katholischen Aktion nachhingen, ein unangenehmer Spiegel vor deren Gesicht. Krammers Verdienst war es, die geistig-historische Auseinandersetzung mit den Gegnern des Verbandskatholizismus – und damit des CV – ab den siebziger Jahren durch zahlreiche Veröffentlichungen begonnen und konsequent geführt zu haben.

Krammer verfaßte auch die jeweiligen Geschichten seiner drei Verbindungen, wobei er sich hier auch als Zeitzeuge zu Wort meldete. Erstaunlich war bei ihm, daß er sich noch im allerhöchsten Alter mit den modernen Methoden der PC-unterstützten Texterfassung positiv auseinandersetzte und dadurch in gewissem Sinn auch beispielhaft war. Er war zwar im zunehmenden Alter sehbehindert, ließ es aber sich nicht nehmen, bis fast zum Schluß täglich die Messe um 12 Uhr im Wiener Stephansdom mitzufeiern.

Die zeitliche Dimension seines Lebens wird mit dem Umstand deutlich, daß er zehn Päpste erlebt hatte (von Leo XIII. bis Benedikt XVI.). Eines der beständigsten, beeindruckendsten und für immer in Erinnerung bleibenden Charakteristika seiner Person war sein Wunsch beim Abschiedsgruß: „Gott mit dir!“ Krammer ehelichte eine Tochter von Richard Krasser (Nc), einem Bruder von Robert Krasser (Nc). Deren Schwester ehelichte Peter Krauland (ehemals AW), dessen „Schwippschwager“ demnach Krammer war. Er starb als ältester ÖCVer und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.

Werke:

Der Christlich-Deutsche Studentenbund (CDSB) (1973).
Der Neue Geist, seine Auswirkungen auf das Zusammenleben der Katholiken und die Seelsorge aus Sicht der Erzdiözese Wien (1975; 2. erw. Aufl. 1995).
Die Geschichte der katholisch österreichischen Studentenverbindung Frankonia im MKV 1919–1979 (1980; 2. erw. Aufl. 1995).
Geschichte der katholisch akademischen Verbindung Bajuvaria im ÖCV 1920–1980 (1984).
Geschichte der katholisch österreichischen Verbindung Vandalia (1988).
Bildungswesen und Gegenreformation. Die Hohen Schulen der Jesuiten im katholischen Deutschland im 16. bis zum 18. Jahrhundert (1988).
Akademia. Ein katholischer Finkenverein zu Wien 1902–1983 (1988).
Geschichte der katholisch akademischen Verbindung 1980–1990 (1995).
Publikationen von Mitglieder der katholischen akademischen Verbindung Bajuvaria in Wien (1995).

Quellen und Literatur:

Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner Am, Mitteilung 26. 2. 2021).
Golücke, Friedhelm (Mm): Verfasserlexikon zur Studenten- und Hochschulgeschichte. Ein bio-bibliographisches Verzeichnis (Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen 13). Köln 2004, S. 184f.
Hartmann, Gerhard (Baj): „Gott mit dir!“ Zum Tod des ältesten Angehörigen des ÖCV, in: Academia intern 3/2007, S. 15.
Puchebner, Helmut (Baj EM): Wen Gott liebt, dem schenkt er ein langes Leben. Laudatio auf Dr, Struwwelpeter zum 100. Geburtstag am 20. 7. 2003, in: Für Volk und Glauben. In memoriam Dr. Otto Krammer v. Dr. Struwwelpeter. Hg. von der K. a. V. Bajuvaria, K. Ö. St. V. Frankonia und K. Ö. St. V. Vandalia. Wien o. J. (2007), S. 7–9.