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BM LR Abg. z. NR a.D. Dr. Peter Krauland

BM LR Abg. z. NR a.D. Dr. Peter Krauland

Urverbindung: Austria-Wien (15.12.1926)

Bandverbindungen: Walth

Geboren: 06.08.1903, Kraubath an der Mur (Bezirk Leoben, Steiermark)
Gestorben: 08.09.1985, Wien
Aus dem ÖCV ausgeschlossen, Bundesminister, Landesrat (Steiermark), Nationalratsabgeordneter, Mitglied des Länderrates, Kammerbeamter (Arbeiterkammer, Handelskammer), Bankier
Politische Haft: 1938 Polizeihaft

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Krauland wurde als Sohn eines Kaufmanns geboren, dessen Familie aus der deutschen Sprachinsel Gottschee im Herzogtum Krain (nunmehr Kocevje, Slowenien) entstammte. Nach Absolvierung der Volksschule in Kraubath und der Hauptschule in Langenwang (Bezirk Mürzzuschlag) besuchte Krauland in Graz von 1917 bis 1921 die Handelsakademie und war danach bis 1926 im väterlichen Geschäft sowie in anderen Firmen als Handelsangestellter tätig. Im Herbst 1926 begann er gegen den Willen seines Vaters das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (abs. iur. 1931, Dr. iur. 1932), wo er der Austria beitrat (Couleurname Troll). Sein Leibbursch war der spätere Sektionschef Viktor Hackl (AW).

Dort war Krauland dreimal hintereinander Senior (Wintersemester 1928/29, Sommersemester 1929, Wintersemester 1929/30). Dies ist insofern beachtlich, weil die Austria zu dieser Zeit über 150 Studierende zählte und dort bezüglich des Personalreservoirs für Leitungsfunktionen kein Mangel herrschte. Nach Quellen der Austria war Krauland in der Verbindung sehr aktiv, besaß ein besonderes Organisationstalent und ein wirtschaftliches Geschick. In diesen drei Semestern nahmen auf der Universität Wien seitens des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) die Agitationen deutlich zu, die damals starken antisemitischen Charakter hatten.

Nach seinem Studium war Krauland zuerst im Frühjahr 1932 Gerichtspraktikant am Bezirksgericht Wien-Döbling und danach vom 11. Juni 1932 bis Ende Februar 1934 als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei von Robert Orel (AW) in Graz. Nebenbei beschäftigte er sich mit Fragen der Wirtschaftspolitik sowie Volkswirtschaftslehre und engagierte sich ab 1933 zunehmend in der Vaterländischen Front (VF). Im November 1933 ehelichte er in Wien-Ober St. Veit Xavera (Vera) Krasser, die Tochter von Richard Krasser (Nc) bzw. Nichte von Robert Krasser (Nc), dem damaligen Vorsitzenden der Verbandsführung des gerade gegründeten Dritten ÖCV. Seine künftige Ehefrau hatte Krauland auf einer CV- bzw. Verbindungsballveranstaltung kennengelernt. Eine Schwester von Vera Krasser ehelichte Otto Krammer (Baj), einen der Gründer der Bajuvaria.

Die Tätigkeit bei Orel, der Vizepräsident der steirischen Rechtsanwaltskammer und Mitglied des Verwaltungsausschusses der Anstalten des Katholischen Preßvereins (Verlag Styria) war, sowie die Einheirat in die Familie Krasser waren für den weiteren Werdegang Kraulands sicherlich nicht hinderlich. Nach dem Februaraufstand 1934 und dem Verbot der Sozialdemokratie wurde er zuerst zum Sekretär bzw. dann zum I. Sekretär der Steirischen Arbeiterkammer bestellt (entsprach einem heutigen Kammeramtsdirektor). Aufgrund dieser Funktion gehörte er in dieser Umbruchszeit zur zweiten Reihe der politisch relevanten Funktionäre in der Steiermark. Zur selben Zeit wurden für diese Position Hans Schmitz (Nc) bei der Arbeiterkammer Wien-Niederösterreich, Franz Latzka (Rd) bei der in Kärnten und Alfred Maleta (Cl) bei der in Oberösterreich bestellt. Dieser war bei der Carolina zur selben Zeit ebenfalls Senior wie Krauland bei der Austria Wien.

EINSTIEG IN DIE POLITIK –

DIE JAHRE 1934 BIS 1945

Landeshauptmann Karl M. Stepan (Nc) bestellte Krauland am 10. November 1934 als Nachfolger von Adolf Enge (Fd) zum Landesrat für Finanzen. Der steirischen Landesregierung gehörte er bis zum 12. März 1938 an. Aufgrund dieser Funktion war er auch Mitglied des Länderrates. Während dieser Tätigkeit erhielt er in der Arbeiterkammer in der Person von Leo Hintze sen. (BbG EM) einen II. Sekretär. Krauland gelang es als Finanzreferent, das Budget des Landes Steiermark aus einer nahezu hoffnungslosen Lage binnen verhältnismäßig kurzer Zeit in Ordnung zu bringen und auf stabile Grundlagen zu stellen. Seit 1935 war er auch Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank. Ebenso war er Mitglied von Verwaltungsräten verschiedener, dem Land Steiermark nahestehender Unternehmen.

Nach der Landesverfassung des Jahres 1934 besaß die Steiermark im Gegensatz zu den anderen Ländern auch einen 2. Landeshauptmannstellvertreter. Der bisherige 1. Landeshauptmannstellvertreter hieß so wie in den anderen Ländern (und heute noch in Vorarlberg) Landesstatthalter. Am 31. Dezember wollten der Landesstatthalter Barthold (Graf) Stürgkh, nach 1945 Nationalratsabgeordneter, und ein weiterer Landesrat zurücktreten. Beide gehörten der Heimwehr an, und ihr Rücktrittsbegehren stand im Zusammenhang mit der Entmachtung der Heimwehren im Herbst 1936. Landeshauptmann Stepan nahm diese Rücktritte an und ernannte am 1. Januar 1937 den bisherigen 2. Landeshauptmannstellvertreter zum Landesstatthalter und Krauland zum 2. Landeshauptmannstellvertreter, was natürlich eine politische Aufwertung seiner Person bedeutet hätte.

Stepan verabsäumte es aber, gem. Art. 114, Abs. 7, der Verfassung des „Ständestaates“ vor der Bestellung des Landesstatthalters rechtzeitig die Zustimmung von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (AIn) einzuholen. Dieser verweigerte am 2. Januar 1937 seine Zustimmung, so daß die Regierungsumbildung schließlich unterblieb. Dieser ungewöhnliche Vorgang war auch im Zusammenhang mit einer persönlichen Aversion zwischen Schuschnigg und Stepan zu sehen.

Nach dem Anschluß im März 1938 war Krauland mehrere Wochen in Polizeihaft, mußte danach Graz im April 1938 verlassen und lebte bis Februar 1939 in Wien. Als ihm dort neuerlich Haft drohte, zog er zu seiner Schwester nach Berlin-Lichterfelde, von wo er wieder im Juni 1940 nach Wien zurückkehrte. Wegen seiner Vergangenheit im „Ständestaat“ gelang es ihm nirgendwo, eine Anstellung zu finden. 1942 wurde er schließlich zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und war an der Ostfront eingesetzt.

KRAULAND ALS BUNDESMINISTER

Na ch dem Krieg war Krauland zuerst in der Wiener Waggonfabrik Rohrbacher GmbH tätig, wo sein Schwiegervater geschäftsführender Gesellschafter war. Im Juli 1945 wurde er auf Wunsch von Julius Raab (Nc) zum Generalsekretär der Sektion Geld- und Kreditwesen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft bestellt. Er gelangte dadurch in den politischen wie wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Krieg und kandidierte im November 1945 für die Wahlen zum Nationalrat, wurde gewählt und gehörte diesem dann vom 19. Dezember 1945 bis zum 8. November 1951 (Niederlegung) an. Politisch war er im ÖAAB beheimatet.

Krauland war anfänglich als Finanz- oder Handelsminister im Gespräch, wurde aber dann am 20. Dezember 1945 zum Bundesminister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung im Kabinett Figl I ernannt. Dieses Ressort gab es (als Staatsamt) bereits seit dem 26. September 1945 in der Provisorischen Staatsregierung Renner und wurde vom ehemaligen Landbundpolitiker Vinzenz Schumy geleitet, der nun bei der ÖVP war. Da die Alliierten gegen ihn Vorbehalte hatten, kam Krauland zum Zug.

Dieses Ministerium war damals ein wirtschaftliches Schlüsselressort, denn es behandelte nicht nur die Frage des sog. „Deutschen Eigentums“, sondern war auch für die 1946/47 entstandene verstaatlichte Industrie sowie die Verwendung der ERP-Mittel zuständig. Der wirtschaftliche Aufbau Österreichs nach der Kriegszerstörung aber auch Folgen der Demontage durch die Alliierten fiel hauptsächlich in dieses Ressort.

Krauland gehörte eher dem linken ÖAAB-Flügel an und vertrat damals einen stark planwirtschaftlichen Kurs. Er hat in seinem Ministerium das Modell einer österreichischen Wirtschaftplanung entworfen, das nicht nur auf die neue verstaatlichte Industrie, sondern auch auf alle anderen wichtigen Industriezweige Anwendung hätte finden sollen. Dieses Planungsvorhaben war demokratisch organisiert, auch Arbeitnehmer waren dabei eingebunden. Sie folgten im Prinzip den „15 Programmatischen Leitsätzen“ der ÖVP von 1945 bzw. dem Wiener Programm des ÖAAB von 1947. Krauland verwendete allerdings nicht so sehr den Begriff „Planung“, sondern „Lenkung“.

Krauland war jedoch aufgrund seiner ministeriellen Beanspruchung kaum in die Parteiarbeit bzw. beim ÖAAB eingebunden und dementsprechend in der ÖVP nicht sehr verankert. Mitarbeiter von ihm – wie z. B. der spätere Präsident der Vereinigung Österreichischer Industriellen Hans Igler – bezeichneten ihn als höchst eigenwillige, gelegentlich arrogante, doch sehr intelligente und kompetente Persönlichkeit.

Krauland war auch eine Schlüsselfigur bei der Aufdeckung der sog. „Figl-Fischerei“. Das war das Treffen zwischen Bundeskanzler Leopold Figl (Nc) mit dem KPÖ-Politiker Ernst Fischer Anfang Juni 1947. Krauland erhielt darüber die Information über dieses Treffen von der britischen Besatzungsbehörde und gab diese dann Außenminister Karl Gruber (AW) weiter, der dann diese Affäre publik machte. Ebenso kam noch hinzu, daß es bereits 1947 Unzufriedenheiten bei einigen ÖVP-Regierungsmitgliedern bezüglich deren Koordination bei ihrer Regierungsarbeit gab. Daher fanden gelegentlich Treffen bei Unterrichtsminister bzw. ÖVP-Generalsekretär Felix Hurdes (NbW EM) statt, bei denen Krauland, Außenminister Gruber und Staatssekretär Ferdinand Graf (Trn EM) teilnahmen. Nach Einschätzung britischer Beobachter seien diese Treffen gegen den rechten Flügel der ÖVP, insbesondere gegen Raab, gerichtet gewesen. Im übrigen wohnten sowohl Hurdes wie auch Krauland Am Modenapark Nr. 3 und 6 (Wien-Landstraße), waren also fast Nachbarn.

Ins vermehrte öffentliche Gerede kam Krauland, als er die junge, nicht einmal 30 Jahre alte Margarethe Ottilinger zur Sektionsleiterin machte, mit der er eine Beziehung unterhielt, unter der Kraulands Ehefrau Vera sehr gelitten hat. Ottilinger wohnte sogar als „Gast“ (und nicht als Untermieterin!) in der Wohnung Kraulands (Am Modenapark 6). Er selber hatte aber nicht die Absicht, sich von seine Frau zu trennen zu trennen. Als er am 5. November 1948 mit Ottilinger im Dienstauto auf der Bundesstraße 1 die Zonengrenze (zwischen der sowjetischen und der US-Zone) an der Ennsbrücke Richtung Niederösterreich passieren wollte, wurde Ottilinger von den Sowjets verhaftet. Das erregte damals in Österreich großes Aufsehen. Sie wurde nach Rußland verschleppt, als „US-Spionin“ zu 25 Jahre Lagerhaft verurteilt und kam erst 1955 frei. Später machte sie Karriere bei der ÖMV. Mit der Verhaftung Ottilingers endete auch die „Affäre“ zwischen diesen beiden. Für die Sowjets gehörten so wie Außenminister Gruber auch Krauland und mittelbar Ottilinger zu den Vertretern einer Westbindung Österreichs, was wahrscheinlich der Hintergrund dieser Aktion gewesen sein dürfte.

Im Lauf der Zeit kam es zu immer schwereren Konflikten zwischen Krauland und seinem ehemaligen Förderer Raab. Dieser „hatte sich innerlich mit dem Verstaatlichungsgedanken keineswegs abgefunden und stand […] Krauland sowie den von diesem verfolgten Planungstendenzen mit Vorbehalt gegenüber. Raab erblickte in Krauland, in dem ihm eine seinem Naturell verwandte Persönlichkeit begegnete, den stärksten Vertreter der Wirtschaftsdoktrin des ÖAAB, die von seinem Konzept der Marktwirtschaft durch eine stärkere Betonung des staatlichen Einflusses abwich.“ (Ludwig Reichhold)

In diesem Konflikt, der anfänglich wirtschafts- und finanzpolitische aber dann auch parteipolitische Hintergründe hatte und bereits 1947 anläßlich der Währungsreform begann, mußte Krauland gegenüber Raab, der damals nach Figl die dominante Persönlichkeit in der ÖVP war, á la longue das Nachsehen haben. Nach den Nationalratswahlen von 1949, bei denen die ÖVP die absolute Mehrheit einbüßte, stand das „Krauland-Ministerium“ zur Disposition. Einerseits forderte die SPÖ seine Abschaffung, wobei nach späteren Äußerungen von Bundeskanzler Bruno Kreisky der damalige Bundespräsident Karl Renner sich geweigert hätte, Krauland zum Minister zu ernennen. Andererseits hatte in der ÖVP – mit Ausnahme des ÖAAB – niemand ein besonderes Interesse am Weiterbestehen des „Krauland-Ministeriums“. Raab hatte nach Hans Igler alles getan, um Krauland loszuwerden.

Die SPÖ war u. a. auch deswegen gegen Krauland bzw. dessen Ministerium, weil sie bei der Regierungsbildung Ende 1945 keines der damaligen wirtschaftspolitisch relevanten Ressorts erhalten hatte (Finanzen, Handel, Landwirtschaft, „Krauland-Ministerium“). Darüber hinaus überragte Krauland durch seine bereits erwähnte Persönlichkeit deutlich seine ÖVP-Kollegen in den anderen drei „wirtschaftlichen“ Ministerien, wo es auch zwischen 1945 und 1949 mehrere personelle Wechsel gab (Finanzen und Handel).

DIE „AFFÄRE KRAULAND“

Nach Auflösung des Ministeriums Ende 1949 – seine Agenden wurden weitgehend auf das Finanz- und das Verkehrsministerium sowie das Bundeskanzleramt aufgeteilt – schied Krauland am 8. November 1949 als Minister aus der Regierung, verblieb aber vorerst im Nationalrat und behielt noch weitere Aufgaben (z. B. Mitglied der Kreditlenkungskommission) bei. Im Sommer 1950 tauchten die ersten Verdachtsmomente in bezug auf Amtsmißbrauch und illegaler Parteienfinanzierung gegen ihn sowie einige Beamte des ehemaligen Ministeriums auf, nicht jedoch wegen einer persönlichen Bereicherung. Es war die damals von der US-Besatzungsbehörde herausgegebene Tageszeitung „Kurier“, die im August 1950 diese Affäre aufdeckte und in der Folge skandalisierte.

Das war nun für Julius Raab, der am 14. Juni 1951 zum geschäftsführenden ÖVP-Bundesparteiobmann bestellt worden war, ein willkommener Anlaß, Krauland politisch kalt zu stellen. Dieser trat nun im Juli 1951 selber aus der ÖVP aus, um einem Ausschluß zuvorzukommen. Man warf ihm seitens der ÖVP vor, sich nicht genügend gegen die Vorwürfe gegen ihn gewehrt zu haben. Er blieb aber vorerst noch fraktionsunabhängiger („wilder“) Nationalratsabgeordneter.

Nach Aufhebung seiner Immunität wurde Krauland am 24. November 1951 in Untersuchungshaft genommen, jedoch am 19. Juni 1952 vorläufig wieder aus der Haft entlassen. Am 20. Januar 1954 begann der Prozeß gegen ihn und sechs weitere Angeklagte, darunter Ministerialrat Leo Hintze (BbG EM). Am 6. Juli 1954 wurden die Urteile verkündet, Krauland und Hintze wurden freigesprochen, und zwar nicht aus materiellen Gründen, sondern aufgrund der Anwendung eines im Jahr 1950 aus Anlaß fünf Jahre Befreiung erlassenen Amnestiegesetzes. Dieses betraf Straftaten, die im Zeitraum von 1945 bis 1946 begangen wurden und für die eine Höchststrafe von nicht höher als fünf Jahre vorgesehen war. Auf Krauland und Hintze traf das zu. Die Urteilsbegründung führte u. a. nachkriegsbedingte Umstände an, die „zu einer Verwirrung der Rechtsbegriffe innerhalb der Bevölkerung im weitesten Ausmaß ...“ führten. Krauland wurde zwar in einem Punkt für schuldig erklärt, jedoch war dies wirkungslos. Also ein Freispruch dritter Klasse, wenn man den der zweiten Klasse als Freispruch mangels an Beweisen bezeichnet.

Bei diesem Prozeß sagte auch Bundeskanzler Figl als Zeuge aus, wobei er der zweimaligen uneidlichen Falschaussage überführt worden ist. Dies blieb aber für ihn ohne weitere Konsequenzen, auch in der durchwegs positiven kollektiven Erinnerung an ihn. Anwalt Kraulands war Hans Gürtler, der 1940/41 auch den ehemaligen Finanzminister und Bürgermeister von Baden, Leopold Kollmann (Am EM), vertreten hatte.

KRAULAND NACH 1954

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik errichtete Krauland ein undurchsichtiges Finanzimperium. 1958 kaufte er 74 Prozent einer ehemaligen Rothschildbank (Bankhaus Nicolai), die er in Allgemeine Wirtschaftsbank (AWB) umbenannte. Er war nicht nur Hauptaktionär dieser Bank, sondern auch deren größter Schuldner. Rund 475 Millionen Schilling damaliger Währung flossen als Kredite in Firmen, die Krauland gehörten.

1974 mußte die AWB die Zahlungsunfähigkeit erklären, und Krauland wurde 1977 wegen fahrlässiger Krida (Höhe 500 Millionen Schilling; entspricht umrechnungstechnisch rd. 37 Millionen €, im Wertvergleich zu heute natürlich wesentlich mehr) und Veruntreuung in Höhe von 15 Millionen Schilling angeklagt. Dieser zweite Krauland-Prozeß währte nur kurz, da Krauland aus gesundheitlichen Gründen für verhandlungsunfähig erklärt wurde.

KRAULAND UND DER CV

Die „Affäre Krauland“ erreichte auch den CV. Bereits am 13. September 1950 befaßte sich der ÖCV-Beirat (vergleichbar mit der nunmehrigen Verbandsführung) mit den öffentlichen Anschuldigungen an die Adresse Kraulands. Natürlich beschäftigte sich auch seine Verbindung Austria mit dieser Angelegenheit. Krauland hat ihr gegenüber am 26. Januar 1951 in einem Schreiben erklärt, daß die gegen ihn in der Öffentlichkeit erhobenen Anschuldigungen vielfach unrichtig und böswillig seien. Die Austria nahm dieses Schreiben einstimmig zur Kenntnis – für sie war die Sache vorerst geklärt – und leitete es auch an die Verbandsführung des ÖCV (nunmehr Vorstand der Verbandsführung) weiter.

Diese gab sich jedoch damit nicht zufrieden und befaßte den Altherrenverband der Austria weiter mit dieser Causa. Dieser richtete nun am 7. Juni 1951 an Krauland die Frage, warum er bislang nichts zur seiner Verteidigung unternommen habe, worauf er am 13. Juni antwortete, daß die bisher gegen ihn vorgebrachten Fakten bzw. Anschuldigungen überwiegend nichts Konkretes enthielten, so daß z. B. Ehrenbeleidigungsklagen nicht zum Ziel führen würden.

Die Führungsgremien des ÖCV gaben sich mit dem bisherigen Ergebnissen aber nicht zufrieden, nachdem die Austria erklärt hatte, „hierin nichts weiteres zu unternehmen“. Hinzu kam noch, daß das erste Halbjahr 1951 u. a. von heftigen, haltlosen und üblen Angriffen der SPÖ bzw. der „Arbeiter-Zeitung“ auf den CV im Zusammenhang mit den damaligen Bundespräsidentenwahlen geprägt war, bei denen seitens der ÖVP Heinrich Gleißner (S-B) schlußendlich erfolglos kandidierte.

Die Stimmung im CV – und damit teilweise auch in der ÖVP – war daher in diesem Zusammenhang gereizt. Daher wurde auf einer gemeinsamen Sitzung des Altherrentags und des Altherrenrates am 16. Juni 1951 in Salzburg eine ehrengerichtliche Klärung gefordert. Da das primär zuständige Verbindungsgericht der Austria Wien nicht tätig wurde, hat daher die Verbandsführung des ÖCV am 2. Juli beschlossen, gemäß Abschnitt VI, § 3, Abs. 1 der damals gültigen Ehrengerichtsordnung des ÖCV die Causa Krauland beim Obersten ÖCV-Gericht (OÖCVG) anhängig zu machen. Die Verhandlung erfolgte dort auf zwei Sitzungen am 26. Juli und am 3. September 1951, wo über Krauland die dimissio in perpetuum (Ausschluß auf Dauer) ausgesprochen wurde.

Die Urteilsbegründung wirkt aus heutiger Sicht eher gekünstelt. Sie lautete: „Dr. Peter Krauland ist schuldig, bei der Verteidigung seiner Ehre gegenüber den in der Öffentlichkeit gegen ihn erhobenen Angriffen derart lässig gewesen zu sein, daß hierdurch das Ansehen und die Interessen des ÖCV schwer geschädigt wurden.“ Und im „Weißbuch des österreichischen CV“ (Österreichische Academia 3, 1951/52, Heft 1/2), das die erwähnte Hetze der SPÖ gegen den CV dokumentieren sollte, heißt es: „Der OeCV ist auch nicht vor diesen zum überwiegenden Teil von politischen Gegnern des ehemaligen Ministers erhobenen Anschuldigungen zurückgewichen, sondern mußte vielmehr aus der Tatsache die Konsequenzen ziehen, daß Dr. Peter Krauland auf diese Anschuldigungen nicht bzw. nicht rechtzeitig und in der Form reagiert hat, wie dies von einem Angehörigen einer katholischen Verbindung erwarten werden muß.“

Auffallend sind die nahezu gleichlautenden Begründungen von ÖVP und ÖCV in ihrer Haltung zu Krauland, nämlich nichts gegen die Anschuldigungen unternommen zu haben. Über deren materielle Seite fiel im Urteil des OÖCVG kein Wort, und es wurden Konsequenzen (Ausschluß) noch vor einem rechtskräftigen Urteil gezogen. Bei den engen personellen Verflechtungen ist auch nicht nachzuweisen, wer von den beiden – ÖVP oder ÖCV – als erster das Argument der mangelnden Verteidigung der Ehre ins Spiel gebracht hat. Die ganze Angelegenheit erinnert sehr an den einige Jahre davor liegenden Fall Josef Dobretsberger (Cl [ehemals Nc]) und den danach liegenden Fall des ehemaligen NS-Funktionärs und Vorarlberger VdU-Politikers Rudolf Kopf (ehemals Trn).

Es ist aber auch die politische Dimension anzumerken, wie bereits ausgeführt wurde. Julius Raab sah in den auftauchenden Anschuldigungen gegen Krauland eine günstige Gelegenheit, einen innerparteilichen Gegner kaltzustellen. Die ÖVP zog dabei den doppelten Nutzen, sie konnte ihre eigene Weste beim Parteispendenvorwurf reinwaschen und einen für die Führungsriege unbequemen „Parteifreund“ loswerden. Raab hat aber dabei den Fehler gemacht, sich in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre von zwei innerparteilichen Konkurrenten – neben Krauland 1953 Außenminister Karl Gruber (AW) – zu trennen, die damals unstreitbar zu den fachlich besten Politikern der ÖVP gehörten und eine „Führungsreserve“ darstellten.

Die wahren Hintergründe und Ursachen der „Affäre Krauland“ lagen wahrscheinlich viel tiefer, als es die bisherigen Informationen und Quellen belegen, wobei hier auch die absonderlichen und für heute unvorstellbaren Grauzonen der frühen Besatzungszeit vor allem in Wien (siehe „Dritter Mann“) sowie die für das katholische Milieu „untragbare Affäre“ zwischen Krauland und Ottilinger zusätzlich einen Beitrag geliefert haben. Krauland ist nicht zuletzt aufgrund auch seiner Persönlichkeitsstruktur u. ä. das Opfer eines politischen Systems geworden, an dessen Regeln er sich nur zum Teil hielt bzw. halten wollte.

Krauland wurde auf dem Hietzinger Friedhof in Wien bestattet.

Quellen und Literatur:

ÖCV-Archiv. Akt Heinrich Drimmel, Causa Krauland.
Verbindungsarchiv Austria Wien (Heinz Dopplinger).
Mitteilung von Georg Schmitz (Nc), 15. und 27. 2. 2014.
Mitteilung von Dr. Renate Strigl (Nichte Kraulands), 7. 3. 2014.
Mitteilung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 7. Mai 2014.
Wiener Zeitung, 2. 1. 1937 (Regierungsumbildung Steiermark 1936/37).
Pro aris et focis, Zeitschrift der Katholischen österreichischen Studentenverbindung Austria Wien, 7. Jg., Nr. 1, Juni 1946, S. 12.
Reichhold, Ludwig: Geschichte der ÖVP. Graz 1975, S. 157–159, 195 (hier Zitat) und 310.
Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, S. 132f.
Gehler, Michael: „... this nine days wonder?“ Die „Figl-Fischerei“ von 1947. Eine politische Affäre mit Nachspiel, in: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. Hg. von Michael Gehler und Hubert Sickinger. Thaur 2. durchges. u. erw. Aufl. 1995, S. 347, 350 und 360.
Sickinger, Hubert: Von der „Insel der Seligen“ zur „Skandalrepublik“? Politische Skandale in der Zeiten Republik, in: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. Hg. von Michael Gehler und Hubert Sickinger. Thaur 2. durchges. u. erw. Aufl. 1995, S. 714f.
Kopetzky, Julia: Die „Affäre Krauland“. Ursachen und Hintergründe des ersten großen Korruptionsskandals der Zweiten Republik. Wien phil. Dipl. Arb. 1997.
Facit. Zeitschrift der K. Ö. St. V. Austria Wien, 15. Jg., Juli 1997, S. 12–14 (Johannes Schönner).
Karner, Stefan: Die Steiermark im 20. Jahrhundert. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft – Kultur. Graz 2000, S. 164f. (zu Regierungsumbildung Steiermark 1936/37).
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 228, 519, 566, 591–593.
Kopetzky, Julia: Die Affäre Krauland – oder: Die Aufteilung der Republik, in: Korruption in Österreich. Hg. von Ernst Bruckmüller (Nc) (Hg.). Wien 2011, S. 131–164.
Weigl, Andreas: Der Krauland-Prozeß. Wirtschaftskriminalität im Tauziehen um entzogenes Vermögen (= Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge Heft 94 / Wiener Geschichtsblätter Beiheft 1/2016). Wien 2016.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 184.