Lebenslauf:
HERKUNFT, AUSBILDUNG UND EINSTIEG IN DIE POLITIK
Heinl wurde als Sohn eines Hausbesorgers in der Naglergasse 19 (Wien-Innere Stadt) geboren, unweit des jetzigen Verbindungsheims der Bajuvaria, deren Ehrenmitglied er 51 Jahre später werden sollte. Er absolvierte 1898 das Gymnasium und trat danach in den Dienst des Magistrats der Stadt Wien. Daneben besuchte er Kurse der Handelsakademie und hörte auf der Universität Vorlesungen in Nationalökonomie.
Gleichzeitig engagierte sich Heinl ab 1898 nebenberuflich auch im Sekretariat der Christlichsozialen Partei und war zeitweise sogar Privatsekretär des RRAbg. und späteren k. k. Ministers Albert Geßmann (AW EM), der ihn förderte. 1906 wurde dann mit Richard Wollek (AIn) ein hauptamtlicher Sekretär geschaffen. Heinl kam also relativ früh in die damals aufstrebende Christlichsoziale Partei und damit in die Politik.
1908 verließ Heinl den Magistratsdienst und wurde Landesinspektor für die Gewerbeförderung Niederösterreichs ernannt, ab 1. Januar 1910 war er dort Direktor. Damit kam er mit wirtschaftlichen Fragen in Berührung, die ihn sein ganzes Leben begleiten sollten und ihn zu einem der führenden Wirtschaftspolitiker der Christlichsozialen Partei sowie der ÖVP nach 1945 werden ließen.
HEINLS POLITISCHE LAUFBAHN VON 1918 BIS 1938
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden im Mai 1919 die niederösterreichische Gewerbeförderung und Heinl in das Gewerbeförderungsamt der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Wien übernommen. Ebenso begann seine politische Laufbahn, die u. a. von Ignaz Seipel (Nc EM) gefördert wurde. Er wurde als Kandidat für die Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung aufgestellt und in diese gewählt, der er dann vom 4. März 1919 bis zum 9. November 1920 angehörte. Danach war er nach Wiederwahlen Nationalratsabgeordneter vom 10. November 1920 bis zum 2. Mai 1934. Dort war er lange Zeit Generalberichterstatter für den Staatsvoranschlag.
Vom 7. Juli 1920 bis zum 20. November 1920 gehörte Heinl der Provisorischen Staatsregierung als Staatssekretär (gleichbedeutend mit Minister) für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten unter dem Kabinettsvorsitzenden Michael Mayr (AIn EM) an. (Nach dem Ausscheiden Karl Renners übernahm dieser als Staatssekretär [Minister] den Vorsitz im Kabinett, ohne den Titel Staatskanzler zur führen.) Heinl selber war dann nach dem Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der Regierung ab 23. Oktober 1920 stellvertretender Vorsitzender im Kabinett.
Heinl hatte also bereits in relativ jungen Jahren in der damaligen Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg ein Schlüsselressort geleitet. Seine Betrauung mit dem stellvertretenden Vorsitz im Kabinett weist auf eine bereits bedeutende Stellung in der Christlichsozialen Partei hin. Dieses Ressort führte er dann als Bundesminister in der ersten Bundesregierung unter Bundeskanzler Mayr bis zum 21. Juni 1921 weiter. In dieser Zeit bemühte er sich, einen Ausgleich für den Zerfall des österreichisch-ungarischen Wirtschaftsraums durch Handelsabkommen u. a. mit den Nachfolgestaaten zu schaffen. Dadurch konnte er auch die wichtigen Kohlelieferungen sichern. Ebenso war er am Handelskammergesetz von 1920 beteiligt.
Neun Jahre später wurde Heinl am 30. September 1930 wiederum Bundesminister für Handel und Verkehr ernannt und übte dieses Amt bis zum 20. Mai 1932 unter den Bundeskanzlern Carl Vaugoin (Rd EM), Otto Ender (AIn) und Karl Buresch (Wl EM) aus. In diese Zeit fiel die Bankenkrise des Jahres 1931, deren Folgen es zu bekämpfen galt. Besonderes Augenmerk legte Heinl u. a. auf die Förderung des aufstrebenden Fremdenverkehrs.
Entscheidend war aber Heinls Wirken als Wirtschaftsförderer der Handelskammer. Er war 1921 Gründer und später bis zu seinem Tod Präsident der Wiener Messe AG – sein Nachfolger dort wurde Eduard Strauß sen. (Baj) – sowie von 1926 bis 1938 Aufsichtsratspräsident der RAVAG (Radio). Er förderte die österreichische Filmindustrie (Sascha-Film) und die Wiener Mode. Er setzte eine Gewerbeordnung durch und förderte den Ausbau der Wiener Exportakademie zur Hochschule für Welthandel mit Promotionsrecht. Er war in der Exportförderung erfolgreich tätig und vertrat als Abgeordneter die Interessen vor allem der kleinen Selbständigen. Nach dem Ersten Weltkrieg war er an der Gründung der niederösterreichischen Gewerbe- und Handelsbank beteiligt, die die Wirtschaftskrise überstand.
Heinl gehörte auf jeden Fall zur zweiten Garnitur des „Ständestaates“, nicht zuletzt auch wegen seiner wirtschaftspolitischen Stellung. Deshalb wurde er nach dem Anschluß von all seinen Ämtern entfernt und verhaftet. Er blieb bis 9. April 1938 in Polizeihaft. In den Jahren 1944 und 1945 war er jeweils für einige Tage neuerlich verhaftet. Im Krieg war er in verschiedenen privaten Stellungen tätig.
HEINLS POLITISCHE UND WIRTSCHAFTLICHE STELLUNG NACH 1945
Nach dem Krieg wurde Heinl wieder in die Politik geholt. So wie 1920 gehörte er 25 Jahre später vom 27. April bis 20. Dezember 1945 wiederum der Provisorischen Staatsregierung als Staatssekretär (Minister) für Handel, Gewerbe, Industrie und Verkehr an. Mehr als nach 1918 war dieses Staatsamt (Ministerium) ein Schlüsselressort nach den Zerstörungen des Krieges. Gleichzeitig konnte er noch vor Installierung der Provisorischen Staatsregierung die Wiener Handelskammer reaktivieren und war deren erster provisorischer Präsident nach Kriegsende.
In die erste Bundesregierung unter Leopold Figl (Nc) wurde zuerst Eugen Fleischhacker als Handelsminister berufen, jedoch nach dessen Rücktritt kehrte Heinl am 31. Mai 1946 als Bundesminister für Handel und Wiederaufbau in die Regierung zurück, um dann seinerseits am 28. Februar 1948 Ernst Kolb (AIn), der bereits bei ihm im Ministerium Konsulent war, Platz zu machen. In dieser Funktion war Heinl um den „Wiederaufbau“ in jeglicher Beziehung bemüht und versuchte u. a., den Außenhandel zu reaktivieren.
Mit Ende des Krieges war Heinl bereits 65 Jahre alt. Es war klar, daß er in diesem Alter seinen beruflichen bzw. politischen Zenit überschritten hatte. Umso mehr war er aber dann in zahlreichen wirtschaftlichen Aufsichtsgremien führend tätig. Seine diesbezüglich wichtigste Stellung war die eines Präsidenten des Aufsichtsrats der Creditanstalt-Bankverein AG, die er nach seinem Rücktritt als Minister vom 26. Februar 1948 bis zu seinem Tod ausübte. Zusannen mit dem damaligen Generaldirektor Josef Joham (Cl) war er am wirtschaftlichen Aufschwung dieses damals größten österreichischen Bankinstituts beteiligt.
Darüber hinaus war Heinl Präsident der Österreichisch-Jugoslawischen Gesellschaft (1952 bis zu seinem Tod) und der Österreichisch-Tschechoslowakischen Gesellschaft (1946 bis 1948). Vom 24. Februar 1952 bis 1955 war er Finanzreferent der Wiener ÖVP. Das war wegen seines Vorgängers Peter Krauland (ehemals AW) anfänglich keine leichte Aufgabe. Sein Nachfolger war dann Johann Wollinger (Nc)
Heinl war eine große, imponierende Gestalt und eindrucksvolle Persönlichkeit, der sich von kleinen Verhältnissen in eine politische und wirtschaftliche Spitzenposition emporgearbeitet hatte. Dabei vergaß er nie sein Herkommen, konnte aber seinen erreichten Status auch genießen. In der damaligen vergleichsweise noch gering motorisierten Zeit fiel sein Dienstwagen als Aufsichtsratspräsident der Creditanstalt-Bankverein, ein amerikanisches Ford-Kabriolett mit der Kfz-Nummer W 300, im Wiener Stadtbild auf.
Durch seine politischen Funktionen blieb es nicht aus, daß Heinl Kontakt zum CV fand und Ehrenmitglied von vier Verbindungen wurde. Die erste war die Waltharia, dann folgten die Bajuvaria und schließlich die Austria Innsbruck. Hier ist als Aufnahmedatum der 21. November angegeben, das war der konkrete Bandverleihungsakt. In allen Gesamtverzeichnissen des ÖCV steht aber der 1. Juli. Das war das offizielle Beschlußdatum der Austria. Heinl ist ca. einen Monat vor jener Cartellversammlung verstorben, wo die Waltharia in den ÖCV aufgenommen wurde. Somit war seine Erst-Ehrenmitgliedschaft die der Bajuvaria. Bei der Zitierung seines Namens im CV-Kontext ist daher als Verbindungssuffix (Baj EM) die korrekte Schreibweise.
1946 wurde Heinl von der Hochschule für Welthandel der Dr. h. c. verliehen, und im 19. Wiener Gemeindebezirk ist eine Gasse nach ihm benannt. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in der Krypta der Lueger-Gedächtniskirche bestattet. Der gelegentlich genannte Todestag 11. April ist unrichtig.
Quellen und Literatur:
Eduard Heinl. Ein Leben für Österreich. Hg. vom Österreichischen Club. Wien 1955.Austrier-Blätter, Nr. 26, 1957, S. 291-294.
Hafenscher, Christian: Der Wirtschaftspolitiker Eduard Heinl. Wien phil. Diss. 1973.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Herbert Fritz und Peter Krause (Rt-D). Wien 2. wesentlich verb. Aufl. 2013, S. 329f.