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Komm.R Dkfm. Dr. Hans Egon Gros

Komm.R Dkfm. Dr. Hans Egon Gros

Urverbindung: Norica (13.12.1922)

Bandverbindungen: The, F-B, Cl, Ca, AIn, V-B, Rap

Geboren: 23.05.1904, Wien
Gestorben: 12.05.2000, Wien
Vorsitzender der Altherrenschaft des ÖCV, Träger des Bandes „In vestigiis Wollek“, Unternehmer
Politische Haft: 1938 Polizeihaft Wien

Lebenslauf:

Gros wurde als Sohn eines Malermeisters geboren und absolvierte in Wien-Währing die Realschule, wo er 1919 bei der katholischen Pennalie (später MKV) Thuiskonia aktiv wurde. Ebenso engagierte er sich beim Christlich-Deutschen Studentenbund (CDSB) mit. Nach der Matura im Jahr 1922 begann er das Studium an der damaligen „Exportakademie“, der späteren Hochschule für Welthandel und nunmehrigen Wirtschaftsuniversität (Dkfm. 1925, Dr. rer. oec. 1927), wo er der Norica beitrat (Couleurname Dr. cer. Castor). Sein Leibburch war Karl Vaugoin (Nc), Sohn des damaligen Heeresministers Carl Vaugoin (Rd EM). Neben seinem Studium absolvierte er bei seinem Vater von 1921 bis 1924 eine Anstreicherlehre (Anstreichermeister 1927, Malermeister 1930).

Nach seinem Studium machte sich Gros mit einem eigenen Maler- und Anstreicherbetrieb selbständig, was damals in der Norcia nicht immer als „akademisch standesgemäß“ angesehen wurde. Ebenso gründete er 1936 einen Handel mit Farben und Lacken. Aufgrund seiner Mitgliedschaften im CV und MKV war er auch dem Politischen Katholizismus verbunden. 1933 engagierte er sich in der Vaterländischen Front und wurde 1934 deren Bezirksführer in Wien-Währing sowie 1937 auch in Wien-Döbling. (Die gelegentlich gemachte Bemerkung, er sei Bezirksvorsteher in Währing gewesen, ist nicht korrekt.)

Aufgrund dieser Stellung wurde Gros gegen Mitternacht des 12. März 1938 verhaftet, jedoch bereits am nächsten Tag wieder freigelassen. Einige Tage später wurde er neuerlich in Polizeigewahrsam genommen (Polizeikommissariate Döbling und Währing, Polizeigefangenhaus Roßauer Lände), jedoch nach zwölf Tagen wieder freigelassen. (Die in „Farbe tragen“ – siehe unten – angegebene Haftzeit in der Tabelle stimmt nicht mit dem geschilderten tatsächlichen Haftverlauf im dortigen Text überein.)

In der Folge waren Gros bzw. seine Firmen Schikanen seitens der NS-Behörden ausgesetzt. 1941 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Mit Hilfe von CVern wurde er jedoch der Wiener Kommandatur zugeteilt und konnte dann 1943 sogar abrüsten. Sein Vater führte zwischenzeitlich den Betrieb weiter. Danach war Gros als Buchhalter im Wiener Architektenbüro Karl Fiebinger tätig, das u. a. für die SS in den österreichischen Alpen unterirdische Produktionsstätten für die „Wunderwaffen“ (z. B. V 2, Me 262) errichtete. Ihm gelang es, dort einige CVer dienstzuverpflichten, so daß sie nicht zur Wehrmacht einrücken mußten. Trotz der NS-Überwachung hielten Gros und seine Familie Kontakte zu alten Bekannten, z. T. auch zu Juden.

Nach dem Krieg übernahm Gros wieder seinen Betrieb, baute ihn aus und begann 1950 auch eine Farbenproduktion (Hagentaler Farbenwerke GmbH) mit zeitweise an die 150 Beschäftigten, die dann sein Sohn Hans-Peter Gros (Nc) übernahm. Gros engagierte sich auch in der Interessenvertretung und übernahm diverse Funktionen, so etwa in der gewerblichen Sozialversicherung (1949 bis 1970 Obmann der Wiener Meisterkrankenkasse des Handwerks, 1962 bis 1974 Obmann des Verbandes der Selbständigen-Krankenkassen). Er erhielt den Titel Kommerzialrat.

Anfang der fünfziger Jahre begann auch sein Engagement bei der Norica. Gros wurde dort zuerst 1953 Philisterconsenior und dann 1960 Philistersenior, welche Funktion er bis 1972 bekleidete. Als zweiter Nachfolger von Robert Krasser (Nc), der 46 Jahre dieses Amt bei der Norica ausübte, war es für ihn am Anfang nicht leicht, denn dessen Führungsstil hatte die Verbindung jahrzehntelang geprägt, auch wenn zuletzt Krasser sich krankheitsbedingt weitgehend zurückgezogen hatte. Dazu gehörten auch nicht immer einfache Personalentscheidungen. Bei einer – nämlich Josef Dobretsberger (Cl [ehemals Nc]) – war Gros in Zusammenwirken mit der Carolina ab 1966 um eine dann erfolgreiche Lösung bemüht. In die Amtszeit von Gros fiel auch der Bau der neuen Norica-Bude in der Strozzigasse, die damals von Clemens Holzmeister (Nc) architektonisch betreut wurde. Der Nachfolger von Gros als Philistersenior wurde Lukas Beroldingen (Nc).

Als Philistersenior einer der bedeutendsten ÖCV-Verbindungen war Gros bald auch im ÖCV in einer wichtigen Position. Als Anfang 1960 der bisherige Vorsitzende der Altherrenschaft des ÖCV, Hermann Withalm (Nc), seine Funktion niederlegte, weil er ÖVP-Generalsekretär wurde, hatte dieser und der Vorsitzende der Verbandsführung, Eduard Chaloupka (Baj), Gros zum Nachfolger favorisiert, jedoch wurde Rudolf Mayr (AW) dazu gewählt. Gros hingegen wurde damals 2. stellvertretender Vorsitzender der Altherrenschaft, wodurch er in die obere Führungsebene des ÖCV gelangte. Zur gleichen Zeit wurde er Vorsitzender des Berufszirkels Wirtschaft, der 1965 in die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft umbenannt wurde. Diese Funktion bekleidete er bis Mitte der siebziger Jahre.

Als 1963 die Wahl des Vorsitzenden des ÖCV-Beirats bzw. der ÖCV-Verbandsführung anstand, kandidierte Gros gegen den amtierenden Vorsitzenden Chaloupka. Immerhin erhielt er rd. 45 Prozent der Stimmen. Als dann Chaloupka im Sommer 1967 plötzlich verstarb, wurde auf einer außerordentlichen Cartellversammlung im Herbst Rudolf Mayr zu dessen Nachfolger gewählt. Dadurch war eine Wahl des Vorsitzenden der Altherrenschaft notwendig, die dann Gros als klarer Favorit für sich entschied, obwohl er als Eigentümer eines mittelständischen Unternehmens nicht zum typischen CV-Berufsbild zählte.

Gros bekleidete dieses Amt zehn Jahre von 1967 bis 1977. Es war dies eine Epoche starker Umbrüche – Stichwort 1968 – und auch folgenschwerer Ereignisse rund um den und im ÖCV. Dazu zählten 1970 der Verlust der Regierungsmehrheit für die ÖVP, die Neuausrichtung in der Hochschulpolitik 1969 (vom Wahlblock zur ÖSU), die Krise um die „Österreichische Academia“ (bis 1973) sowie die Gründung der Bildungsakademie (ab 1970). Im letzteren Fall hatte sich Gros von dieser Idee überzeugen lassen und unterstützte sie sehr stark. Des weiteren gab es in seiner Amtszeit im ÖCV noch die Konflikte um die Aufnahme von Protestanten (betreffend die Verbindungen Kristall und Austria Wien) sowie beginnend auch um die von der Aufnahme von Studentinnen (Austria Innsbruck).

All das forderten Gros als Mitglied der Verbandsführung (nunmehr Vorstand der Verbandsführung) besonders heraus, wobei er eine gewisse Festigkeit sowie das nötige Augenmaß mit der Notwendigkeit einer entsprechenden Weiterentwicklung verband. Auch verstand er es immer, einen gewissen Konsens bei Entscheidungen herbeizuführen und nicht zu polarisieren. Diese Eigenschaft wurde dann vor allem während seines Nachfolgers Theodor Detter (AW) bewußt.

Als Gros 1967 in dieses Amt gewählt wurde, war er bereits 63 Jahre alt und wirkte zusätzlich noch älter. In den zehn Jahren seiner Amtstätigkeit fühlten sich mit Sicherheit Alte Herren jüngeren und mittleren Alters von ihm nicht so sehr repräsentiert, was hinter vorgehaltener Hand auch zunehmend Kritik verursachte. Bei der Reform der Cartellordnung des ÖCV im Jahr 1976 wurde daher die Amtsperiode des Vorsitzenden der Altherrenschaft auf maximal zweimal drei Jahre begrenzt.

Gros hat nicht nur die Höhen und (vor allem) Tiefen des 20. Jahrhunderts persönlich erlebt, sondern stand in den entscheidenden Umbruchjahren des CV um 1970 dort in einer verantwortungsvollen Position, die er auf seine Art und letztlich zum Wohle des CV meisterte, wofür er am 23. Juni 1978 auch die höchste Auszeichnung des ÖCV, das Band „In vestigiis Wollek“, erhielt. Er stand jedoch in den achtziger Jahren der Strukturreform in der Norica betreffend Norica Nova kritisch bis ablehnend gegenüber, was ihn an seiner Verbindung fast verzweifeln ließ.

Gros, der sich persönlich bereits Anfang der siebziger Jahre intensiv mit dem Tod und dem Leben im Jenseits auseinandersetzte, erreichte fast das begnadete Alter von 96 Jahren. Auf ihn trifft das Wort des französisch-amerikanischen Schriftstellers Julien Green zu: „Ich habe die Reise durchs Jahrhundert gemacht. Wie jedes Kind bin ich ohne Gepäck angekommen, und ich glaube, mich über die Jahre nicht mit nutzlosen Besitztümern beladen zu haben. Wir verlassen die Erde nur mit dem, was wir gegeben haben.“ Gros wurde auf dem Grinzinger Friedhof begraben.

Quellen und Literatur:

Selbstverfaßter Lebenslauf von Hans Egon Gros, 31. 5. 1976. ÖCV-Archiv, Biographien.
Österreichische Academia 29 (1968/69), Nr. 9, Juni, S. 30.
Academia intern 5/2000, S. 16.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 104f.