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LH i.R. Ök.R Eduard Wallnöfer

LH i.R. Ök.R Eduard Wallnöfer

Ehrenmitgliedschaften: Leopoldina, Amelungia

Geboren: 11.12.1913, Gschneir ob Schluderns ([Sluderno], damals Bezirk Schlanders, nunmehr Bezirksgemeinschaft Vinschgau, [Süd-]Tirol)
Gestorben: 15.03.1989, Innsbruck
Landeshauptmann (Tirol), Landtagsabgeordneter (Tirol), ÖVP-Landesparteiobmann (Tirol), Landwirt

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Wallnöfer wurde als Sohn eines Bauern geboren, der am Beginn des Ersten Weltkriegs zu den Kaiserschützen (k. k. Landwehr) eingezogen wurde und 1915 an der italienischen Front fiel. Die Mutter zog 1920 mit dem kleinen Halbwaisen 1920 ins Oberinntal, wo sie in Oberhofen bei Telfs (Bezirk Innsbruck-Land) einen Bauern bzw. einen Kriegskameraden ihrer gefallenen Mannes heiratete. Dort besuchte Wallnöfer die Volksschule und wegen seiner Tüchtigkeit auf Empfehlung seiner Lehrer anschließend in Imst die Landwirtschaftliche Lehranstalt sowie Sonderkurse in Buchhaltung. Gleichzeitig arbeitete er am stiefväterlichen Hof.

Wallnöfer engagierte sich bald in der bäuerlichen Interessensvertretung. 1933 wurde er Jungbauernobmann in Oberhofen und trat dem Bauernbund sowie dann auch der Vaterländischen Front bei. Nach Schulabschluß wurde er 1934 gleich Sekretär der Bezirksbauernkammer Imst und 1936 Geschäftsführer der dortigen Landwirtschaftlichen Genossenschaft. 1935 wurde er Jungbauernobmann des Bezirkes Imst. 1940 heiratete er in einen Bauernhof in Barwies (heute Mieming, Bezirk Imst) ein, den er in der Folge selber bewirtschaftete und welcher bis zu seinem Lebensende sein offizieller Wohnsitz bleiben sollte.

Nach dem Anschluß im März 1938 wurde Wallnöfer zwar seiner Funktion als Sekretär der Bezirksbauernkammer enthoben, wurde aber im Rahmen des sog. Reichsnährstands als Sachbearbeiter in Imst weiter beschäftigt, da er für die neuen Machthaber nicht zu den oberen Rängen des „Ständestaates“ zählte und das neue Regime auf Fachkräfte angewiesen war.

WALLNÖFERS MITGLIEDSCHAFT BEI DER NSDAP

Als ab 2001 zunehmend die Aufnahme ehemaliger Nationalsozialisten in die SPÖ in Diskussion geriet und der damalige SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer eine diesbezügliche Untersuchung initiierte, die dann 2005 veröffentlicht wurde, ist dann quasi als Gegenzug oder „Entlastungsoffensive“ im Februar 2005 im Nachrichtenmagazin „profil“ die NSDAP-Mitgliedschaft Wallnöfers „aufgedeckt“ bzw. hochstilisiert worden.

Dazu lassen sich folgende objektive Tatsachen feststellen. Am 30. Juni 1938 hat Wallnöfer einen Antrag bei der Ortsgruppe Imst zwecks Aufnahme in die NSDAP gestellt. Eine solche wurde jedoch vom damaligen Ortsgruppenleiter abgelehnt, weil Wallnöfer zu stark mit dem „Ständestaat“ (im NS-Jargon „Systemzeit“) verbunden war. Er wurde jedoch ab diesem Zeitpunkt als Parteianwärter geführt und zahlte auch entsprechende Beiträge bis November 1939, als er als „Mindertauglicher“ (einziger Sohn eines im Ersten Weltkriegs Gefallenen) zur zur Deutschen Wehrmacht eingezogen wurde. Als solcher wurde er im September 1940 wieder entlassen. Er war damals auch Mitglied der NS-Volkswohlfahrt (NSV).

Wallnöfer bewarb sich für die Geschäftsführung des Braunviehzuchtverbandes in Innsbruck, die er erhielt und auch erfolgreich gestaltete. Im November 1940 war er in einen Verkehrsunfall verwickelt, in dessen Folge er im Januar 1941 zu einer kleinen Geldstrafe (20 Reichsmark) verurteilt wurde. Daraufhin mußte satzungsgemäß das NSDAP-Parteigericht gegen ihn ermitteln. Im Zuge dessen wurde zum einen die Geringfügigkeit des Vergehens festgestellt, zum anderen wurden die seinerzeitigen Bedenken gegen seine Parteiaufnahme aus dem Jahr 1938 ausgeräumt. Das weitere Aufnahmeverfahren zog sich dann aber bis Februar 1944 hin. Wallnöfer wurde dann rückwirkend mit 1. Januar 1941 in die NSDAP aufgenommen (Mitgliedsnummer 9 566 289).

Der Grund für das lange Verfahren wird unterschiedlich interpretiert. Zum einen könnten Gegner Wallnöfers weiterhin eine Aufnahme zu verhindern versucht haben, zum anderen könnten das auch kriegsbedingte bzw. bürokratische Ursachen gewesen sein. Nach dem Krieg ließ sich Wallnöfer am 5. April 1946 entsprechend der Meldepflicht im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens in seiner Heimatgemeinde Mieming als Parteianwärter registrieren. Am 9. Juni 1947 stellte er bei der Bezirkshauptmannschaft Imst den Antrag auf Streichung aus der Registrierung, dem dann am 13. August 1947 stattgegeben wurde. Der Grund hiefür waren u. a. mangelnde Unterlagen für den Nachweis einer Parteimitgliedschaft.

Die im Februar 2005 plötzlich aufgebrochene Debatte um die NSDAP-Parteimitgliedschaft Wallnöfers hatte damals die Züge einer „Provinzposse“ angenommen. Sie diente, wie bereits erwähnt, der Entlastung der SPÖ sowie dem Nachweis, daß es auch bei der ÖVP „Ehemalige“ gegeben hat, und wurde von entsprechender (linker) Seite angestoßen. Die tatsächliche Parteimitgliedschaft Wallnöfers ist zwar durch Akten des Berlin Document Centers nachgewiesen, jedoch steht wohl außer Zweifel, daß er in keinster Weise ein Anhänger des Nationalsozialismus gewesen ist. Ebenso gibt es nachweisliche Fälle, wonach er Bauern bei sog. „Schwarzschlachtungen“, die damals zu schwersten Strafen führten, deckte. Er war also ein sog. „Mitläufer“, der aus Gründen der Existenzsicherung o. ä. den Aufnahmeantrag gestellt hat, ohne je in die ideologische Nähe des Nationalsozialismus geraten gewesen zu sein (im Gegensatz zu manchen derartigen SPÖ-Beispielen).

WALLNÖFERS POLITISCHER AUFSTIEG NACH 1945

Am 2. September 1944 wurde Wallnöfer wieder zur Deutschen Wehrmacht einberufen und zwar zur Nachrichtentruppe. Zum Ende des Krieges war er beim Volkssturm, wo er sich beim Herannahen der Alliierten zu seinem Bauernhof absetzen konnte.

als Funker bei der Deutschen Wehrmacht, wurde nach Kriegsende wieder als Sekretär der Bezirksbauernkammer Imst eingesetzt und 1945 Mitglied des Gemeinderates von Mieming. Ebenso war er wieder im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen tätig. Gleichzeitig engagierte er sich im Tiroler Bauernbund.

Wallnöfer kandidierte als relativ Unbekannter bei den Wahlen für den Tiroler Landtag im Jahr 1949, dem er dann vom 25. Oktober 1949 bis zum 2. März 1987 – also mehr als 37 Jahre – angehörte. Aufgrund seiner fachlichen Qualifikation wurde er gleichzeitig zum Landesrat gewählt, welche Funktion er ebenfalls ab 25. Oktober 1949 bis zum 13. Juli 1963 ausübte. Als Landesrat leitete er naheliegenderweise das Agrarressort. In dieser Stellung war er anfänglich noch mit dem nachkriegsbedingten Aufbau der Ernährungssituation befaßt und bemühte sich dann in der Folge um eine Modernisierung der Landwirtschaft.

Wallnöfers Stellung im Agrarbereich war dann derart geworden, daß er am 20. Januar 1958 zum Landesobmann des Tiroler Bauernbundes gewählt wurde, der zu seiner Zeit wohl der einflußreichste Bund der Tiroler ÖVP war. Als Landeshauptmann Hans Tschiggfrey (Le) relativ überraschend am 30. Juni 1963 starb, wurde Wallnöfer als dessen Nachfolger am 13. Juli 1963 zum Landeshauptmann gewählt, welches Amt er dann bis zum 2. März 1987 – also fast 24 Jahre – ausübte. Am 30. Juli 1963 wurde er auch zum ÖVP-Landesparteiobmann bestimmt, welche Funktion er ebenfalls bis 1987 bekleidete. Gleichzeitig übte er als Landeshauptmann auch die Funktion eines ÖVP-Klubobmanns im Landtag aus.

WALLNÖFER ALS LANDESHAUPTMANN

Wallnöfer war der bislang am längsten amtierende Landeshauptmann Tirols und prägte damit unwillkürlich seine Zeit. Er entstammte einfachen Verhältnissen und gab sich als Politiker daher auch als Vertreter der „einfachen Leute“ aus. Er wurde als „politisches Naturtalent“ beschrieben, dem eine gewisse „Schläue“ und „urige Rhetorik“ eigen gewesen war. Relativ rasch wurde er als „Landesvater“ zu einem über Parteigrenzen hinweg beliebter Politiker. Legendär war sein Verhältnis zum damaligen SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky, das die Jahre 1970 bis 1983 prägte, obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein konnten und vielleicht auch deswegen ein beliebtes Objekt der Karikatur (speziell IRONIMUS) wurden.

In seiner Amtszeit als Landeshauptmann legte Wallnöfer seine Schwerpunkte vor allem im Ausbau der Infrastruktur und des Fremdenverkehrs. Davon zeugen viele Maßnahmen im Straßenbau (z. B. Inntal- und Brennerautobahn sowie Arlbergtunnel) sowie die Errichtung von Seilbahnen. Zu Beginn seiner Regierungszeit fand Anfang 1964 die Winterolympiade in Innsbruck statt, eine zweite folgte dann 1976.

In Wallnöfers Amtszeit erfolgte die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (ARGE ALP) als grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Ländern Tirol, Südtirol, Trentino und Bayern, deren eigentlicher Zweck eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden Tiroler Ländern sein sollte. Ebenfalls in seiner Amtszeit erfolgten Gemeindezusammenlegungen, gesetzliche Grundlagen für das Elektrizitätswesen sowie die Schaffung einer eigenen Diözese Innsbruck. Im letzten Fall gab es Konflikte mit Salzburg, weil Wallnöfer den Tiroler Anteil des Erzbistums Salzburg bei der neuen Diözese Innsbruck haben wollte. Das führte u. a. zu einem distanzierten Verhältnis zu Bundeskanzler Josef Klaus (Rd).

In Wallnöfers Amtszeit geriet die Südtirolpolitik stärker in Bewegung. Diese war ihm auch als ehemaligen Südtiroler emotional sehr wichtig. Bereits ab 1961 hatte er zusätzlich als Landesrat das Südtirolreferat übernommen. Zum einen eskalierten im Sommer 1967 neuerlich die Anschläge in Südtirol, was den aus Tirol stammenden Innenminister Franz Hetzenauer (Vi) veranlaßte, das Bundesheer zur Grenzsicherung gegenüber Italien bzw. Südtirol heranzuziehen. Zum anderen kam es 1969 unter Bundeskanzler Klaus sowie Außenminister Kurt Waldheim (Wl EM) zu einer politischen Lösung („Südtirol-Paket“). In der Zeit bis 1966 entwickelte sich infolge der Südtirolfrage auch das bereits erwähnte gute Verhältnis zwischen Wallnöfer und dem damaligen SPÖ-Außenminister Bruno Kreisky, was sich dann nach 1970, als Kreisky Bundeskanzler wurde, fortsetzte.

Wallnöfer war naturgemäß ein Föderalist, was er im Verhältnis zum Bund sowie zur Bundes-ÖVP immer wieder ausspielte. Ende der sechziger Jahre gab es sogar Überlegungen – offenbar dem Beispiel CSU folgend – für die Gründung einer Tiroler Volkspartei, weil man mit der Bundesregierung bzw. der Bundespartei unter Klaus bzw. Hermann Withalm (Nc) unzufrieden war, was jedoch dann nicht zustande kam.

Nach dem Tod bzw. dem Abtreten der Landeshauptleute Josef Krainer sen. (BbG EM) sowie Heinrich Gleißner (S-B) im Jahr 1971 zählte Wallnöfer zu den bestimmenden Persönlichkeiten in den Reihen der ÖVP-Landeshauptleute. Bei Wallnöfer kam noch das bereits erwähnte gute Verhältnis zu Kreisky hinzu, wodurch die Position der regierungsamtslosen ÖVP-Bundesparteiobleute Karl Schleinzer, Josef Taus (Baj) und Alois Mock (Nc) manchmal ins Hintertreffen geriet. Wallnöfers innerparteilicher Einfluß zeigen auch die Vorgänge um die Demontierung Withalms als Kandidat für die Bundespräsidentenwahlen im Frühjahr 1974 zugunsten des populären Innsbrucker Bürgermeisters Alois Lugger (AIn).

Wallnöfers patriarchischer Stil im Land sowie in der Partei zeigte vor allem im letzten Drittel seiner Amtszeit (achtziger Jahre) negative Züge. Innerparteilich kam ein Nachwuchs nicht richtig zum Zug, was zu Kritik (Junge ÖVP) führte, und Wallnöfer fiel es immer schwerer, dem gesellschaftlichen Wandel zu folgen, etwa dem Spannungsverhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie.

Obwohl Wallnöfer bzw. die ÖVP 1984 mit 64,6 Prozent das beste Ergebnis seit 1945 erzielte, erkannte schlußendlich Wallnöfer nicht zuletzt wegen seiner angeschlagenen Gesundheit (er war Kettenraucher), daß ein Rücktritt in sein Blickfeld geraten sollte. Er favorisierte als Nachfolger den Bauernbündler Alois Partl (Am), der dann im Parteivorstand deutlich gegenüber den Kandidaten des gespaltenen ÖAAB, darunter Fritz Prior (Vi EM), das Rennen machte. Neben Partl und Prior saßen in der Ära Wallnöfer noch Luis Bassetti (R-D), Karl Erlacher (Vi), Hans Gamper (Vi) und Hermann Scheidle (AIn) in der Landesregierung.

Wallnöfer starb zehn Tage nach den Tiroler Landtagswahlen, die für die ÖVP aufgrund des Erstarkens der FPÖ verlustreich waren, an einer Lungenentzündung in einem Innsberucker Krankenhaus. Er hatte drei Kinder. Seine Tochter Luise ehelichte den späteren Landeshauptmann von Tirol, Herwig van Staa (Le).

Quellen und Literatur:

Schober, Richard: Geschichte des Tiroler Landtages im 19. und 20. Jahrhundert. Mit einem Beitrag von Eberhard Lang. Innsbruck 1984, S. 543f.
Gehler, Michael: Die Volkspartei in Tirol 1945 – 1994, in: Volkspartei – Anspruch und Realität. Zur Geschichte der ÖVP seit 1945 (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg, Band 2). Hg. von Robert Kriechbaumer (R-J) und Franz Schausberger (Rp). Wien 1995, S. 662ff.
Schreiber, Horst: Anmerkungen zur NSDAP-Mitgliedschaft des Altlandeshauptmanns von Tirol, Eduard Wallnöfer, in: Geschichte und Region 14 (2005), S. 167–198 dieser Beitrag ist zwar in eine gewisse Richtung tendenziös, führt aber die ereignisgeschichtlichen Fakten genau an.
„Profil“, 21. 2. 2005, S. 28f. und „Der Standard“, vom 25. 2. 2005 (Michael Gehler) zur NSDAP-Mitgliedschaft Wallnöfers.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 582.
Biographisches Handbuch des Tiroler Landtages und der Tiroler Landesregierung 1945–2007. Hg. von Thomas Hofbauer. Innsbruck 2006, S. 139f.
Gehler, Michael: Tirol im 20. Jahrhundert. Vom Kronland zur Europaregion. Innsbruck 2008, S. 319ff.
Hundert (100) Jahre Katholische Österreichische Hochschulverbindung Amelungia im ÖCV. Für Volk und Altar. Redaktion Oskar Mayer. Wien 2008, S. 329.
Matscher, Franz (Cl): Eduard Wallnöfer. Ein großer Sohn des Vinschgau, in: Der Vinschger Nr. 35, 7. 10. 2009.
Wladika, Michael: Zur Repräsentanz von Politikern und Mandataren mit NS-Vergangenheit in der Österreichischen Volkspartei 1945–1980. Eine gruppenbiographische Untersuchung. Forschungsprojekt im Auftrag des Karl von Vogelsang-Instituts. Wien 2018 (als pdf verfügbar), S. 183–190.