Lebenslauf:
HERKUNFT UND STUDIUM
Hollnsteiner wurde als Sohn eines Steinmetzen bzw. Bildhauers geboren, absolvierte das Gymnasium in Linz und trat 1914 in das Chorherrenstift St. Florian (Oberösterreich) ein. Nach dem Noviziatsjahr begann er 1915 mit dem Studium an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt und wurde am 29. Juni 1919 zum Priester geweiht. Im Herbst 1919 setzte er seine Studien an der Theologischen Fakultät (Dr. theol. 1920), der Philosophischen Fakultät (Geschichte) und der Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien fort, wo er der Norica beitrat (Couleurname Notker).
1920/21 besuchte Hollnsteiner als ao. Mitglied den Kurs des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 1921 war er für kurze Zeit Mandatar des Katholisch-Deutschen Hochschul-Ausschusses (KDHA) in der Deutschen Studentenschaft (DSt) der Universität Wien und deren zweiter Vorsitzender. In dieser Eigenschaft nahm er am Studententag in Erlangen Anfang Juli 1921 teil, wo er für die Ausgrenzung der Juden aus der DSt eintrat.
Im Herbst 1921 setzte Hollnsteiner sein Studium der Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg/Breisgau (Dr. phil. 1922) fort, wo er bei Hercynia gemeldet war, jedoch kein Band erhielt. Ende 1922 kehrte er in das Stift zurück und war das erste Halbjahr 1923 Kaplan in Lasberg (Bezirk Freistadt, Oberösterreich).
BERUFLICHE LAUFBAHN
Im Herbst 1923 wurde Hollnsteiner Professor für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt von St. Florian und Stiftsarchivar. Im November 1925 habilitierte er sich an der Theologischen Fakultät der Universität Wien für Kirchengeschichte (die Venia legendi wurde 1931 auf Kirchenrecht ausgedehnt). Seine Lehrtätigkeit nahm er dann im Wintersemester 1926/27 auf. Daneben verfaßte er zahlreiche Artikel, so u. a. in der „Reichspost“ unter Friedrich Funder (Cl), zu dem Hollnsteiner eine Freundschaft entwickelte.
In den Jahren 1927/28 war Hollnsteiner provisorischer Unterstaatsbibliothekar an der Österreichischen Nationalbibliothek. 1932 wurde er Direktor des Thomaskollegs in Wien, gleichzeitig wurde er Richter am Wiener Metropolitangericht, seit 1. November 1934 war er gemeinsam mit Alois Illek (Rd) dessen Vizeoffizial. Offizial wurde Franz Zehentbauer (Pan EM). Im September 1933 hielt er eine Rede auf dem Allgemeinen Deutschen Katholikentag in Wien.
Nachdem Hollnsteiner bereits 1931 den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors erhalten hatte, wurde er Anfang 1935 mit Unterstützung von Kurt von Schuschnigg (AIn) zum Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät der Universität Wien ernannt. Zuvor mußte der bisherige Lehrstuhlinhaber und amtierende Dekan, Konstantin Prinz Hohenlohe-Schillingsfürst (Kb EM), überraschend und daher nicht ohne entwürdigende Begleitumstände sowie mit Befremden in den Ruhestand versetzt werden. Hollnsteiner war dann im Studienjahr 1937/38 selber Dekan und mußte, allerdings unter anderen Prämissen, dasselbe Schicksal erleiden wie sein Vorgänger.
Im Jahr 1930 wurde in Wien unter maßgeblicher Initiative von Hollnsteiner die „Katholische Akademikergemeinschaft“ gegründet. Sie sollte ein Diskussionsforum sein und – zusätzlich, nicht gegensätzlich zum CV – der katholischen Elitebildung und der religiösen Neubesinnung dienen. Ab 1936 war er dann selber Vorsitzender, er betreute bereits ohnedies seit 1930 die „Mitteilungen der katholischen Akademikerschaft in Österreich“.
HOLLNSTEINER ALS „CHEFIDEOLOGE DES STÄNDESTAATES“
Eine der wichtigsten Ideologien des „Ständestaates“ war die Betonung des österreichischen Gedankens bzw. der österreichischen Sendung. Nach dem bisherigen Befund dürfte ein Artikel Hollnsteiners die erste seriöse Formulierung dieses „österreichischen Gedankens“ gewesen sein, wo die Rede von Österreichs deutscher Sendung und von Österreich als besseren deutschen Staat die Rede ist. Hollnsteiner wurde von Friedrich Heer (ehemals Baj) als „Chefideologe des Ständestaates“ bezeichnet, wo er einer der bedeutendsten Männer im Hintergrund war, wobei sein Lebenslauf auch einen „schillernden“ Charakter aufweist.
Im Zuge der Inthronisationsfeierlichkeiten für den neuen Wiener Erzbischof Theodor Kardinal Innitzer (NdW) lernte Hollnsteiner Alma Mahler-Werfel kennen und verkehrte ab da in deren Salon, wo sich die Spitzen des damaligen politischen, kulturellen und geistigen Lebens Österreichs bzw. des „Ständestaats“ trafen. Ihr Salon war auch ein Kristallisationspunkt für dessen Kulturpolitik. Dort kamen sich Hollnsteiner und der damalige (noch) Minister Kurt von Schuschnigg (AIn) näher. Unzweifelhaft wurde er von Hollnsteiner in dieser besonderen „Österreich-Idee“ beeinflußt, die von jenem ab 1934 als Bundeskanzler betont sowie zu einer „Staatsideologie des Ständestaates“ emporgehoben wurde.
Die sehr enge und intime Freundschaft zwischen Hollnsteiner und Alma Mahler-Werfel dürfte allem Anschein nach – wenn man seinen und ihren Aufzeichnungen trauen kann – nicht ohne erotisch-sexuellen Hintergrund gewesen sein.
Nachdem sich 1936 Hollnsteiner für die Entfernung des Staatsoperndirektors Felix Weingartner eingesetzt hatte, war er an der Verpflichtung des bekannten Dirigenten Bruno Walter beteiligt. Ebenfalls in diesem Jahr traf sich Hollnsteiner mehrmals mit Thomas Mann und vermittelte ein Treffen mit Schuschnigg, um an ihn die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für einen Exilaufenthalt in die Wege zu leiten, was aber dann nicht klappte.
POLITISCHE VERFOLGUNG UND WEITERER LEBENSWEG
Hollnsteiner kehrte am 13. März 1938 ins Stift St. Florian zurück und richtete am 14. März als noch amtierender Dekan der Theologischen Fakultät eine Loyalitätserklärung an den „Unterrichtsminister“ des Anschluß-Kabinetts Oswald Menghin (ehemals Rd). Am 30. März wurde er in St. Florian verhaftet, war zuerst im Linzer Polizeigefängnis, wurde nach einigen Tagen in das Wiener Polizeigefängnis überstellt und kam später ins Gefängnis des Wiener Landesgerichts. Am 23./24. Mai wurde er mit dem zweiten Österreichertransport ins KZ Dachau gebracht. Von dort kam er am 21. April 1939 frei. Der KZ-Aufenthalt hat ihn vor allem psychisch ziemlich zugesetzt, was u. a. auch den weiteren Lebensweg erklären dürfte.
Hollnsteiner wurde vom Amt des Dekans erhoben und am 22. April 1938 vom Dienst beurlaubt. Am 28. Mai 1938 wurde er in den vorläufigen Ruhestand versetzt und am 25. Oktober 1938 ohne Abfertigung entlassen. Die kirchenrechtliche Lehrkanzel supplierte dann bis 1945 der bereits emeritierte Moraltheologe Franz Zehentbauer (Pan EM).
Nach seiner Freilassung war Hollnsteiner zuerst kurz in Wien, dann wieder im Stift St. Florian. Dort lehnte er eine Lehrtätigkeit an der Hauslehranstalt ab und biederte sich dem NS-Regime bzw. der Gestapo an, um einen für ihn adäquaten Posten zu bekommen. Nachdem im Januar 1941 das Stift St. Florian beschlagnah wurde, wurde Hollnsteiner im März 1941 von der Gestapo zum kommissarischen Leiter der Kunstsammlungen und zum Bibliothekar des Stiftes ernannt, das dann im November 1941 enteignet wurde. Gleichzeitig wurde es in ein Historisches Forschungsinstitut des Reichsgaues „Oberdonau“ umgewandelt
Nach seiner Freilassung aus dem KZ machte sich eine zunehmende Entfremdung zu seinem Stift bemerkbar, die am 5. Mai 1941 zu seinem Austritt aus dem Orden führte. Gleichzeitig beantragte Hollnsteiner die Laisierung. Am 7. September 1941 heiratete er standesamtlich eine geschiedene Opernsängerin aus der Paderborner Verlegerfamilie Schöningh. Mit 1. April 1942 wurde er als Bibliothekar im ehemaligen Stift St. Florian fest angestellt.
Nach dem Krieg wurde Hollnsteiner im Oktober 1945 von der US-Army verhaftet und war bis April 1947 im Entnazifizierungslager Glasenbach bei Salzburg interniert. Friedrich Funder setzte sich für seine Freilassung ein. 1948 wurde er als Universitätsprofessor zwar rehabilitiert, jedoch gleichzeitig pensioniert. Eine Rückkehr an die Theologische Fakultät war wegen seiner Heirat und seiner Laisierung ausgeschlossen. Außerdem war dort bereits seit 1947 Franz Arnold (Nc) Lehrstuhlinhaber. Danach hatte er keine feste Anstellung mehr. Neben seiner – allerdings reduzierten – Pension war er freiberuflich in der Erwachsenenbildung sowie publizistisch tätig. 1948 gründete er den Pilgram-Verlag.
Nach 1945 geriet Hollnsteiner wegen seiner Freundschaft mit Edmund Glaise-Horstenau und des Umstands, daß er in Glasenbach war, in den Verdacht, bereits vor 1938 ein Katholisch-Nationaler gewesen zu sein, was aber nicht zutraf. Die Norica hat ihn nach 1945 nicht mehr als Mitglied geführt, ein formeller Ausschluß ist aber nicht nachzuweisen. Nachdem der erste Mann seiner Frau verstorben war und das Laisierungsverfahren in Rom 1965 positiv erledigt wurde, konnte er kirchlich heiraten. Damit wäre in dieser Hinsicht ein Ausschlußgrund für den CV entfallen.
Hollnsteiner gehörte zu den wichtigsten Hintergrundfiguren des „Ständestaats“. Sein weiterer Lebensweg nach seinem KZ-Aufenthalt hat ihn jedoch in Vergessenheit und in der Historiographie in den Hintergrund treten lassen.
Werke:
(Auswahl)Das Chorherrenstift St. Florian (1928).
Das Konkordat in seiner kirchen- wie staatsrechtlichen Bedeutung (1934).
Die Spruchpraxis der S. Romana Rota in Ehenichtigkeitsprozessen seit Geltung des CIC (1934).
Die Kirche Österreichs. Ihre Eigenart und ihre Sendung (1935).
Christentum und Abendland (1937).
Das Abendland. Aufstieg, Krise, Zukunft (1948).
Quellen und Literatur:
Verbindungsarchiv Norica (Georg Schmitz).Buchmayr, Friedrich: Der Priester in Almas Salon. Johannes Hollnsteiners Weg von der Elite des Ständestaates zum NS-Bibliothekar. Weitra 2003.
Hilmes, Oliver: Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel. München 2004.
Hartmann, Gerhard (Baj): Alma Mahler-Werfel und der CV. Streiflichter zu Politik und Kulturleben des „Ständestaates“, in: Österreichische Academia 56 (2005), März, S. 44f.
Fellner, Fritz–Corradini, Doris A.: Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon. Wien 2006, S. 194.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 243, 252, 284, 294, 348, 413f., 416 und 490.
Alma Mahlers Seelenfreund, in: Wiener Zeitung, 16. 2. 2008, S. 5.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 427–430.