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BM a.D. Prof. Dr. Emmerich Czermak

BM a.D. Prof. Dr. Emmerich Czermak

Urverbindung: Nordgau Wien (04.10.1903)

Bandverbindungen: BbW, Va, Dan, Walth, Am, Vi, Rd, Alp, AW, Fd, GlL, NbB, NdP, Nc, S-B

Geboren: 14.03.1885, Datschitz (Bezirk Neuhaus, nunmehr Dačice bzw. Jindřichův Hradec, Südwestmähren)
Gestorben: 18.04.1965, Wien
Bundesminister, Bundesobmann der Christlichsozialen Partei, Landtagsabgeordneter (Niederösterreich), Gymnasialdirektor, Vorsitzender des Österreichischen Altherrenbundes des CV, Träger des Bandes „In-vestigiis-Wollek“
Politische Haft: 1938 Polizeihaft Wien

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Czermak entstammte einer südmährischen Familie und absolvierte das Gymnasium in Iglau (Jihlava). Danach begann er für das gymnasiale Lehramt das Studium der Geschichte und Geographie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Dr. phil. 1907), wo er dem Nordgau beitrat (Couleurname Dr. cer. Atli). Dort war er im Studienjahr 1905/06 zweimal hintereinander Senior. Auf der 5. Cartellversammlung des 2. ÖCV, die im November 1905 im Rahmen des 5. allgemeinen österreichischen Katholikentages tagte, wurde er zum Vorortsobmann gewählt. In dieser Funktion war Czermak maßgeblich an den Verhandlungen mit dem CV beteiligt, als es um den Beitritt des 2. ÖCV zum CV ging. Dieser wurde auf der Cartellversammlung des CV am 17. August 1906 beschlossen.

Anläßlich seiner Promotion im Herbst 1907 beantragte der Nordgau beim Rektor die Auffahrt in Wichs, was dieser aber ablehnte. 1908 war er einer der Mitbegründer der katholischen Ferialverbindung Odergau in Neutischein (Mähren, nunmehr Nový Jicín). Nach der Lehramtsprüfung ging Czermak in den Schuldienst und war zuerst – mit einer Unterbrechung ab 1910 an der Landesoberrealschule in Krems, wo zeitgleich auch Wenzel Beza (NdW) unterrichtete – Gymnasialprofessor in Stockerau. 1928 wurde er zum Direktor des Gymnasiums Hollabrunn ernannt, welche Funktion er bis 1932 ausübte.

CZERMAKS POLITISCHE TÄTIGKEIT

Bereits vor 1914 kurz Gemeinderat in Krems geriet Czermak dann nach dem Ersten Weltkrieg in die Politik. In Stockerau betätigte er sich in der Kommunalpolitik, zog 1921 in den dortigen Gemeinderat ein und war ab 1927 Vizebürgermeister. 1921 wurde er auch Obmann der Landes-Lehrerernennungskommission und des Christlichsozialen Volksverbandes von Niederösterreich. Er kandidierte 1921 auch bei den ersten Wahlen nach der Trennung von Wien zum niederösterreichischen Landtag, wurde gewählt und gehörte diesem vom 11. Mai 1921 bis zum 30. Oktober 1934 an. Ebenso war er dann ab 22. November 1934 bis 12. März 1938 Mitglied des sog. „ständischen“ Landtags.

Am 4. Mai 1929 wurde Czermak als Nachfolger von Richard Schmitz (Nc) zum Unterrichtsminister in die kurzlebige Regierung Streeruwitz berufen, die bis 26. September 1929 amtierte („Sommerregierung“). Ein Jahr später wurde er am 30. September 1930 neuerlich zum Unterrichtsminister ernannt und übte diese Funktion in den Regierungen Carl Vaugoin (Rd EM), Otto Ender (AIn) und Karl Buresch (Wl EM) I und II bis zum 20. Mai 1932 aus. Noch im April 1932 brachte er einen Gesetzesantrag im Nationalrat ein, der das Studentenrecht (für die Selbstverwaltung) im Sinne von „Nationen“ regeln sollte. Diese Vorlage scheiterte jedoch. Seine Ministerschaft war von den Folgen der Wirtschaftskrise geprägt, die die finanziellen und damit gestalterischen Möglichkeiten stark einschränkten.

Nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung wurde Czermak zum geschäftsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Niederösterreich gewählt, dessen Gremium er bereits seit 1921 angehörte. 1934 wurde die Funktion eines geschäftsführenden Präsidenten abgeschafft. Präsident des Landesschulrates blieb weiterhin der Landeshauptmann, allerdings wurde Czermak dann Vizepräsident, womit auch die Geschäftsführung verbunden war. Diese Funktion übte er bis zum Anschluß aus.

Nachdem sich in Österreich ab März 1933 der autoritäre Kurs unter Engelbert Dollfuß (F-B) abzeichnete und als Sammelbewegung die Vaterländische Front (VF) gegründet wurde, geriet die Christlichsoziale Partei unter ihrem Obmann Vaugoin zunehmend unter Druck. Dieser trat zurück, so daß Czermak am 16. November 1933 zuerst zum geschäftsführenden, dann zum Parteiobmann gewählt wurde. Diese Funktion bekleidete er bis zur Auflösung der Partei am 28. September 1934. In der Literatur wird er in dieser Funktion häufig als „Konkursverwalter“ bzw. „Liquidator“ der Christlichsozialen Partei bezeichnet.

Nach dem Anschluß im März 1938 wurde Czermak sofort als Vizepräsident des Landesschulrates beurlaubt und am 24. März 1938 in seiner Wohnung verhaftet. Er blieb in Polizeihaft bis zum 5. April 1938. Danach mußte er sich seinen Lebensunterhalt als Versicherungsagent verdienen und wurde Ende März 1938 aus dem Staatsdienst entlassen. Nach 1945 wurde er rehabilitiert, war eine zeitlang öffentlicher Verwalter der Viktoria Versicherung AG und von 1953 bis 1955 Präsident der Österreichisch-Holländischen Gesellschaft. Im Jahr 1949 hatte es vor den Nationalratswahlen 1949 kurz den Anschein gegeben, daß Czermak Sympathien für die Demokratische Union Josef Dobretsbergers (Cl) hege, weswegen es ja auch zu Konflikten im CV kam. Czermaks Verhalten in dieser Sache wurde kritisiert. Als 1953 von Rudolf Kirchmayer (Rd) eine Christlichsoziale Partei entstand, distanzierte sich Czermak hingegen von ihr.

CZERMAKS ANTISEMITISMUS

Czermak gehörte zu den ausgeprägt antisemitisch eingestellten christlichsozialen Politikern der Zwischenkriegszeit und hat sich zu dieser Frage auch mehrmals publizistisch geäußert. Er gehörte auch der in den Jahren nach 1918 nicht unbedeutenden, logenartigen „Deutschen Gemeinschaft“ an, die stark katholisch-deutschnational orientiert war.

Im Herbst 1933 erschien von Czermak die Abhandlung „Verständigung mit dem Judentum“, in der er für die Juden eine Stellung als eigene Nation mit Minderheitenrecht forderte. Zwar waren seine Vorschläge von den Bemühen getragen, die „Judenfrage“ friedlich zu lösen, doch bedeuteten die Forderungen nach einem besonderen Minderheitenrecht in der Konsequenz auch eine unterschiedliche Rechtsstellung der Juden als Staatsbürger zweiter Ordnung.

Auf der ÖCV-Schulungswoche 1935 hielt Czermak das Referat „Der CV und die Judenfrage“. Obwohl er sich darin deutlich von den Nationalsozialisten distanzierte, stellte er klar, daß die Juden in einem christlichen Land eben doch Fremde seien und Fremde bleiben sollen. Aber so Czermak: „Erst wenn einer als unserem Wesen angeglichen anzusehen war, haben wir uns nicht mehr an den Großmüttern oder Urgroßmüttern gestoßen.“ Also eine deutliche Abschwächung des Rasseprinzips.

CZERMAK UND DER CV

Czermak engagierte sich stark im CV. So war er nicht nur – wie bereits erwähnt – führend im 2. ÖCV tätig, sondern 1908 auch Mitbegründer der Babenberg in Stockerau (später in Wien). 1925 wurde er Vorsitzender des damals errichteten Altherrenlandesbundes Niederösterreich des CV. In der kritischen Zeit des Jahres 1933 vor und nach der „Abschaltung“ des ÖCV vom CV war er Vorsitzender des Österreichischen Altherrenbundes (ÖAHB). Danach wurde er Anfang 1934 wieder Vorsitzender des niederösterreichischen Altherrenbundes, legte aber diese Funktion vor 1938 zugunsten von Josef Seidl (AW), 1953 bis 1959 Vizepräsident des Rechnungshofes, zurück.

Seit 1960 war Czermak Vorsitzender der 1957 bzw. 1960 geschaffenen Historischen Kommission. Diese sollte das ÖCV-Archiv unterstützen sowie eine Geschichte des CV sowie eine Zeitschrift „Mitteilungen aus dem ÖCV-Archiv“ herausbringen. Auf seine Initiative ging dann die Gründung der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung der Studentengeschichte zurück. Diese gab zwar in den sechziger Jahren drei Veröffentlichungen heraus, versandete aber in den siebziger Jahren.

Czermak war im ÖCV sehr beliebt, wie u. a. auch die hohe Zahl der Bandverleihungen zeigt (15 neben seiner Urverbindung). 1963 erhielt er die höchste Auszeichnung des ÖCV, das Band „In vestigiis Wollek“. In Stockerau ist eine Straße nach ihm benannt. Er hatte zwei Söhne, Heinz Czermak (NdW) und den bekannten Kinderarzt Hans Czermak (AIn).

Czermak, der auch begeisterter Pfadfinder war und nach 1934 zu deren österreichischen Präsidenten gewählt wurde, ist auf dem Pfarrfriedhof Wien-Penzing begraben.

Werke:

Geschichte Hermanns, Markgrafen von Baden und Herzogs von Österreich und Steier (1912).
Verständigung mit dem Judentum, in: Ordnung in der Judenfrage. Hg. von Nikolaus Hovorka und Viktor Matejka (1933).
Der CV und die Judenfrage, in: Der CV, der Träger des katholischen Farbstudententums und die neue Zeit. Hg. von Robert Krasser (Nc) (1936).
Demokratie und Wahlrecht (1948).
Der Kardinal als CVer, in: Erzbischof Dr. Theodor Innitzer. „Unser Kardinal“. Ein Erinnerungsbuch, hg. von Karl Mühldorf (1956).

Quellen und Literatur:

ÖCV-Archiv. Eigenhändiger Lebenslauf von Emmerich Czermak; Geschichte der katholischen Ferialverbindung Odergau von Franz Zirps (F-B) (Typoskript)
Academia 20 (1907/08), S. 273 und 23 (1910/11), S. 179.
Mitteilungsblatt des ÖCV und des ÖAHB Nr. 5 (2. 5. 1934), S. 15.
Jedlicka, Ludwig (Aa EM): Aus dem Tagebuch des Unterrichtsministers Dr. Emmerich Czermak, in: Österreich in Geschichte und Literatur 8 (1964),. SS. 268–273, 323–335, 358–370.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 73, 234, 239, 252, 291, 343, 365, 374, 383, 410, 486f., 495f., 587–590.
Preiser-Kapeller, Johannes (NdW): Ein berüchtigtes Buch. Emmerich Czermak und seine Schrift „Verständigung mit dem Judentum?“, in: Die Fiedel – Zeitschrift der K. Ö. H. V. Nordgau Wien im ÖCV, Ausgabe Nr. 1/2007, S. 4–9.
Bezemek, Ernst–Dippelreiter, Michael: Politische Eliten in Niederösterreich. Bei biografisches Handbuch 1921 bis zur Gegenwart (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg, Band 38). Wien 2011, S. 47.
Hartmann, Gerhard (Baj): Der CV in Österreich. Seine Entstehung, seine Geschichte, seine Bedeutung. Kevelaer 4. Aufl. 2011, S. 241f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 46f.