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Bds.Min. LH a.D. Josef Reither

Bds.Min. LH a.D. Josef Reither

Ehrenmitgliedschaften: Franco-Bavaria

Geboren: 26.06.1880, Langenrohr (Bezirk Tulln, Niederösterreich)
Gestorben: 30.04.1950, Tulln (Niederösterreich)
Bundesminister, Landeshauptmann (Niederösterreich), Mitglied des Länderrates, Landtagsabgeordneter, Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, Präsident des Österreichischen Bauernbundes
Politische Haft: 1938 Polizeihaft, 1938–1941 KZ Dachau, 1944/45 KZ Ravensbrück und Polizeigefängnis Berlin-Moabit

Lebenslauf:

HERKUNFT UND EINSTIEG IN DIE POLITIK

Reither wurde als Sohn eines Bauern geboren, dessen Familie in Langenrohr alteingesessen war und schon lange politisch aktiv war. Er besuchte dort die Volksschule und war danach im Familienbetrieb und in der Gemeindepolitik tätig. 1907 gründete er dort eine Raiffeisenkasse, deren Leitung er übernahm. Weiters initiierte er die Gründung einer Rinder- und Pferdezuchtgenossenschaft. 1912 wurde er Obmann der örtlichen Milchgenossenschaft.

Von 1912 bis 1924 war er Bürgermeister von Langenrohr. Im Ersten Weltkrieg war er Unteroffizier. Zwischenzeitlich übernahm er den elterlichen Hof. Sein bisheriges Engagement wies Reither den Weg in die Politik nach 1918.

POLITIK FÜR NIEDERÖSTERREICH UND DIE BAUERN

Der niederösterreichische Bauernbund nominierte Reither für die Wahlen zum niederösterreichischen Landtag, dem er dann vom 11. Mai 1921 bis zum 31. Oktober 1934 angehörte (1. bis 3. Wahlperiode). Am 27. Februar 1925 wurde er in die Landesregierung gewählt und war gleich Landeshauptmannstellvertreter in Nachfolge von Josef Zwetzbacher (Pf EM). Dieses Amt bekleidete er vorerst bis zum 30. Juni 1931.

Am 1. Juli 1931 wurde Reither zum Landeshauptmann gewählt, als der bisherige Amtsinhaber Karl Buresch (Wl EM) zum Bundeskanzler ernannt wurde. Diese „Platzhalterfunktion“ übte er bis zum 21. Mai 1932 aus, um danach wieder bis zum 18. Mai 1933 Landeshauptmannstellvertreter zu sein. Als Buresch endgültig aus der niederösterreichischen Landespolitik ausschied, wurde Reither am 18. Mai 1933 neuerlich zum Landeshauptmann gewählt.

Als Reither am 30. Juli 1934 zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ernannt wurde, blieb er weiter Landeshauptmann, wurde jedoch ab 22. November 1934 von einem geschäftsführenden Landeshauptmann vertreten. Als Reither am 17. Oktober 1935 aus der Bundesregierung ausschied – sein Nachfolger wurde Ludwig Strobl (F-B) – , wurde er wieder „voller“ Landeshauptmann, was er dann bis 12. März 1938 blieb. Aufgrund seiner Funktion als Landeshauptmann war er Mitglied des Länderrates und dadurch auch Mitglied des Bundestages.

Reither war ein typischer bäuerlicher Interessensvertreter, der aber nie die christlichsoziale „Gesamtschau“ vergaß, und gehörte der bäuerlichen Führungselite an. Er besaß hohe fachliche Kompetenz, die er sich durch eigene Erfahrungen, wie aber durch seinen unermüdlichen Einsatz für die Bauernschaft erwarb. Mit der Ehrenbandverleihung durch die Franco-Bavaria wurde dadurch der Konnex zur akademischen Elite des Politischen Katholizismus hergestellt.

Zahlreich waren seine Funktionen in den diversen Einrichtungen der bäuerlichen Interessensvertretung bzw. des Genossenschaftswesen. So wurde Reither bei der Gründung der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer im Jahr 1922 gleich deren Vizepräsident, um dann ab 30. April 1925 die Präsidentschaft zu übernehmen. 1928 wurde er zum Obmann des niederösterreichischen Bauernbundes gewählt, der damals die organisatorische Hauptstütze der Christlichsozialen war. Auch war er Aufsichtsratspräsident der Niederösterreichischen Brandschaden-Versicherungs AG (1923 bis 1938 und 1945 bis zu seinem Tod).

Nach Etablierung des „Ständestaates“ wurde Reither am 17. Dezember 1934 Präsident des Reichsbauernbundes und damit „Reichsbauernführer“. Dieser war eine der Hauptstützen des „Ständestaates“. Reither, der zu den entschiedensten Gegnern des Nationalsozialismus zählte, war auch eng mit Engelbert Dollfuß (F-B) verbunden. Reither war vor 1938 zweifelsohne die stärkste Führungspersönlichkeit der österreichischen Bauernschaft und erwarb sich dabei große Verdienste.

DIE JAHRE 1938 BIS 1945:

FÜR EIN NEUES ÖSTERREICH

Im Zuge des Anschlusses wurde Reither am 13. März 1938 verhaftet und am 1. April 1938 mit dem „Prominententransport“ ins KZ Dachau überstellt, aus dem er am 26. Juli 1941 entlassen wurde. Er lebte dann auf seinem Hof und blieb weiterhin unter Beobachtung der Gestapo. Trotzdem wurden Reither und sein Hof zu einem der Kristallisationspunkte, als um eine konzeptionelle Neuordnung Österreichs bzw. der alten Christlichsozialen Partei ging.

Am 4. Mai 1944, dem „Florianitag“, kam es zu einem konspirativen Treffen in Reithers Weinkeller in Judenau, an dem u. a. auch Leopold Figl (Nc) und Edmund Weber (Am) teilnahm. Dabei wurden die Gründung des Bauernbundes und seine spätere Integration in Österreichische Volkspartei (ÖVP) besprochen. Da Reither auch Kontakte zu führenden Männer des 20. Juli hatte, wurde er zwei Tage nach dem Hitler-Attentat neuerlich verhaftet. Dabei flog in Verhören dieses Treffen auf, was dann zu weiteren Verhaftungen, wie die von Figl und Felix Hurdes (NbW EM), zur Folge hatte. Damit erlitten die Bemühungen um die spätere Gründung der ÖVP einen schweren Rückschlag. Und: All diese Vorbereitungen wurden zu einem Zeitpunkt gestoppt, als durch die Kriegslage eine Chance für eine baldige Realisierung gesehen wurde.



Reither kam also am 22. Juli 1944 zuerst ins Tullner Gefängnis, dann in das Wiener Gestapo-Hauptquartier Hotel Métropole. Dort erhielt er zweimal Freigang, um zu sehen, mit wem er dann Kontakt aufnahm. Dann kam er ins KZ Ravensbrück und wurde in der Folge in das Gefängnis Berlin-Moabit überstellt, wo auch der frühere Landehauptmann von Salzburg, Franz Rehrl (AW), einsaß.

Die spätere sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Rosa Jochmann berichtete über das Ende des Krieges und ihre Heimkehr: „In Berlin sprach uns ein magerer Mann in österreichischer Mundart an. Er bat, mitgenommen zu werden. Ich sagte ihm, daß wir nur ehemalige KZ-Häftlinge befördern dürfen. ‚Ich bin auch KZler’, antwortete der Mann. Es war der ehemalige niederösterreichische Landeshauptmann Josef Reither. Er war einer jener Christlichsozialen, die sehr gerne eine Brücke zur Sozialdemokratie gebaut hätten. Natürlich nahmen wir ihn mit und wiesen ihm den schönsten Platz zu.“ Durch seine demokratische Haltung und vor allem wegen seines Kampfes um Österreichs Unabhängigkeit hat sich Reither auch Respekt und Anerkennung beim politischen Gegner erworben.

DIE FÜNF JAHRE, DIE REITHER NOCH GEGÖNNT WAREN

Wegen eines Aufenthaltes im St. Hedwigs-Krankenhaus in Berlin kehrte Reither von dort erst am 10. Juli 1945 in seine Heimat zurück und war sofort wieder politisch bzw. in der bäuerlichen Interessensvertretung aktiv. Er wurde als Nachfolger von Leopold Figl (Nc) am 15. Oktober 1945 zum provisorischen Landeshauptmann bestellt. Für die ersten Wahlen zum niederösterreichischen Landtag kandidierte er, dem er dann vom 12. Dezember 1945 bis zum 30. April 1950 (Mandatsrücklegung) angehörte. In dieser Zeit war er auch Klubobmann der ÖVP-Fraktion. Am 13. Dezember 1945 wurde er zum Landeshauptmann gewählt, legte aber dieses Amt dann am 2. Mai 1949 noch vor Ende der Wahlperiode aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die dreieinhalb Jahre seiner Landeshauptmannschaft waren vom Wiederaufbau nach dem Krieg sowie von den Schwierigkeiten der sowjetischen Besatzung geprägt.

Reither wurde bei der Gründung des Österreichischen Bauernbundes, nunmehr ein Teil der ÖVP, am 22. Juli 1945 zu dessen Präsidenten gewählt, welches Amt er bis zum 30. Oktober 1947 ausübte. Desgleichen war er vom 15. Februar 1946 bis zu seinem Tod Landesobmann des niederösterreichischen Bauernbundes. Ebenso übernahm er 1945 wieder das Präsidentenamt der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und war dann vom Januar 1946 bis zum 12 August 1949 Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.

Reither war auch seit 1933 Ehrenphilister der MKV-Verbindungen Comagena Tulln und Aggstein St. Pölten. Er wurde in Langenrohr bestattet, wo auch eine Straße nach ihm benannt ist. Im Oktober 2012 wurde dort auch ein Josef-Reither-Museum eröffnet.





Quellen und Literatur:

Luža, Radomir: Widerstand in Österreich 1938 – 1945. Wien 1985, S. 212f. und 218.
Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, S. 197f.
Enderle-Burcel, Gertrude–Schmitz, Georg (Nc): Politische Eliten in Niederösterreich im 20. Jahrhundert, in: Eminger, Stefan–Langthaler, Ernst (Hg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 1: Politik. Wien 2008, S. 246.
Bezemek, Ernst–Dippelreiter, Michael: Politische Eliten in Niederösterreich. Bei biografisches Handbuch 1921 bis zur Gegenwart (= Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg, Band 38). Wien 2011, S. 270.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Herbert Fritz und Peter Krause (Rt-D). Wien 2. wesentlich verb. Aufl. 2013, S. 484f.