Wartungsfunktionen

BM a.D. Gen.-Dir. Ök.R Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Strobl

BM a.D. Gen.-Dir. Ök.R Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Strobl

Urverbindung: Franco-Bavaria (29.11.1919)

Bandverbindungen: Pf

Geboren: 22.01.1900, Siebenhirten (nunmehr Mistelbach, Niederösterreich)
Gestorben: 09.07.1974, Türnitz (Bezirk Lilienfeld, Niederösterreich)
Bundesminister, Mitglied des Rates der Stadt Wien, Generaldirektor des Verbands der ländlichen Genossenschaften Niederösterreichs
Politische Haft: 1938 Polizeihaft

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Strobl wurde als Sohn eines Landwirten sowie Kaufmanns geboren. Fälschlicherweise wurde er zeitweise im Wikipedia-Eintrag „Siebenhirten (Wien)“ als dort geborene bekannte Persönlichkeit angeführt. Nach fünf Klassen Volksschule absolvierte er von 1911 bis 1918 als Zögling des erzbischöflichen Knabenseminars Hollabrunn das dortige Gymnasium. Am 6. März 1918 wurde er als Einjährig-Freiwilliger zur k. u. k. Armee einberufen, besuchte die Offiziersschule und wurde dem k. u. k. Feldhaubitzenregiment Nr. 43 bzw. dann dem k. u. k. Feldartillerieregiment Nr. 143 zugeteilt. Noch während der Militärzeit konnte er am 19. Oktober 1918 in Hollabrunn die Kriegsmatura ablegen, kam aber dann nicht mehr zum Einsatz an die Front. Nach dem offiziellen Ausscheiden aus der k. u. k. Armee am 8. November 1918 war er auf einem Gut in Staatz (Bezirk Mistelbach, Niederösterreich) tätig.

Im Herbst 1919 begann Strobl das Studium der Landwirtschaft an der Hochschule für Bodenkultur in Wien (Dipl. Ing. 1923; Dr. nat. techn. 1929), wo er der Franco-Bavaria beitrat (Couleurname Harri). Sein Leibbursch war Engelbert Dollfuß, den er noch vom Hollabrunner Knabenseminar her kannte. Im Studienjahr 1920/21 bekleidete er das Amt des Fuchsmajors. Bei der Gründung der Tochterverbindung Pflug im Sommersemester 1921 war er Gründungsbursch und dort im Sommersemester 1922 deren Senior. Später war er dann auch Philistersenior des Pflug.

IN DER LANDWIRTSCHAFTSKAMMER

Nach seinem Studium wurde Strobl mit 1. August 1923 Leiter der Bezirksstelle Mistelbach der Landwirtschafts-Krankenkassa und Inspektor für das wirtschaftliche Betriebswesen. Gleichzeitig trat er dem Niederösterreichischen Bauernbund bei. Mit 1. Februar 1924 wurde er Sekretär der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, wo er einer der engsten Mitarbeiter des damaligen Kammeramtsdirektors Dollfuß wurde. Dort befaßte er sich zuerst mit betriebswirtschaftlichen Fragen der Landwirtschaft und war deswegen auf Anregung des damaligen Kammerpräsidenten Josef Zwetzbacher (Pf EM) ab Sommer 1924 zu Studienzwecken an der ETH Zürich sowie im Bauernsekretariat in Brugg in der Schweiz.

In diesem Zusammenhang veröffentlichte Strobl zahlreiche Fachbücher (siehe unten unter Werke). 1927 wurde er Mitglied des wissenschaftlichen Rates des „Internationalen Agrarinstituts“, des Vorgängers der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO). 1929 wurde er mit der Kontrolle und der Verwaltung des „Deutschösterreichischen Wirtschaftsverbandes für den Viehverkehr AG“ beauftragt. 1930/31 war er bei der Textierung des Viehverkehrsgesetzes beteiligt, das am 30. Oktober 1931 in Kraft trat. Aufgrund dieses wurde er Leiter der Viehverkehrsstelle der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer. Im Juni 1933 übernahm er zusätzlich die Leitung von deren Tierzuchtabteilung.

IM KONSUMGENOSSENSCHAFTSWESEN UND BUNDESMINISTER

Nach den Februarkämpfen des Jahres 1934 sowie des darauf folgenden Verbotes der Sozialdemokratie und deren Gewerkschaften wurde Strobl auf Ersuchen von Bundeskanzler Dollfuß am 17. Februar 1934 Vorsitzender der Verwaltungsausschüsse der zu deren Bereich gehörenden Großkaufgenossenschaft österreichischer Consumvereine (GÖC) (ab 5. Januar 1936 deren geschäftsführender Präsident) sowie der Konsumgenossenschaft Wien und Umgebung bestellt. Von 1934 bis 1938 war er auch Mitglied des Rates der Stadt Wien.

Vom 17. Oktober 1935 bis zum 14. Mai 1936 war Strobl unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (AIn) als Nachfolger von Josef Reither (F-B EM) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. In der in- und ausländischen Presse wurde seine Ernennung dahingehend kommentiert, daß der Dollfuß-Kurs eine Stärkung erfahren habe, wobei auf die genannten persönlichen Beziehungen Strobls zu Dollfuß hingewiesen wurde.

In seiner siebenmonatigen Amtszeit legte Strobl den Schwerpunkt auf die Besserung der Lage der Bergbauern, ebenso förderte er die Hebung des Rinder- und Schweineabsatzes. Auch initialisierte er im Ministerium eine Verwaltungsreform. Nach Ende seiner Ministerschaft kehrte er wieder in die GÖC zurück. Ab 1937 nahm er einen Lehrauftrag für Genossenschaftswesen an der Hochschule für Welthandel wahr.

DIE JAHRE DES KRIEGES UND DANACH

Nach dem Anschluß war Strobl im April 1938 zwei Tage in Polizeihaft, verlor seine Ämter, blieb aber vorerst offiziell noch bei der GÖC angestellt, bis er im Februar 1939 entlassen wurde. Am 25. August 1939 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und zuerst dem schweren motorisierten Artillerieregiment Nr. 109 sowie dann dem leichten motorisierten Artillerieregiment Nr. 106 zugeteilt. Jedoch wurde er bereits Ende Oktober 1939 u. k. (unabkömmlich) gestellt, d. h. entlassen, da er mit 1. November 1939 zum Geschäftsführer der Münchener Handelsgesellschaft für Lebensmittel und Haushaltsbedarf GmbH bestellt wurde.

Mit 1. November 1940 wechselte Strobl als Geschäftsführer zur Deutschen Großeinkaufsgesellschaft nach Hamburg, wo er für die Produktionsbetriebe zuständig war. Ab 1941 war er beim „Gemeinschaftswerk“-Industriebetriebe GmbH, die zur Deutschen Arbeitsfront (DAF) gehörte, einer Vorfeldorganisation der NSDAP. Dort war Geschäftsführer der Sektoren Industrie und Großeinkauf. Der NSDAP gehörte er aber nicht an. Während der großen Bombenangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli 1943 wäre er beinahe umgekommen.

Während des Krieges stand Strobl in Kontakt mit Regimegegnern, so u. a. mit Heinrich Gleißner (S-B). Mit 28. Februar 1945 wurde er als Geschäftsführer der „Gemeinschaftswerk“-Industriebetriebe entlassen. Heinrich Himmler erließ gleichzeitig einen Haftbefehl gegen ihn, weil er Kontakt zu Carl Goerdeler hatte. Er konnte sich jedoch dem entziehen, weil er nach Österreich geflohen ist und sich bis Kriegsende auf seinem 1936 erworbenen Gut in Türnitz (Niederösterreich) versteckt hielt.
Nach dem Krieg übernahm Strobl auf ausdrücklichen Wunsch von Staatskanzler Karl Renner wieder die Leitung (Öffentlicher Verwalter) der Großkaufgenossenschaft österreichischer Consumvereine (GÖC). Von 1946 bis 1948 war er Vorstandsmitglied der Allgemeinen Österreichischen Konsumgenossenschaft. 1948/49 war er Direktionsmitglied der GÖC, Geschäftsführer der COOP Industriegesellschaft und Mitglied des Vorstands des Konsumverbandes.

IM LÄNDLICHEN GENOSSENSCHAFTSWESEN

Mit 1. November 1949 wurde er zum Generaldirektor des Verbandes der ländlichen Genossenschaften Niederösterreichs bestellt, welche Position er bis Ende 1967 innehaben sollte. In dieser Zeit baute er das ländliche Genossenschaftswesen durch Errichtung von Getreidesilos, Lagerhäusern sowie verschiedenen Serviceeinrichtungen auf. Daneben war er von 1950 bis 1962 geschäftsführender Obmannstellvertreter der Warenzentrale österreichischer Verbände landwirtschaftlicher Genossenschaften, deren Obmann er dann von 1962 bis zu seinem Tod war.

Darüber hinaus bekleidete Strobl zahlreiche weitere Funktionen. So war er von 1968 bis 1973 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Tullner Zuckerfabrik AG, deren Vorstand er von 1950 bis 1968 angehörte. Er war ab 1953 Mitglied des Generalrats der Österreichischen Nationalbank, deren Vizepräsident von 1962 bis 1967 war. Sein Nachfolger in diesem Amt wurde Rudolf Rasser (NdW). Von 1958 bis 1963 war er Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Stickstoffwerke AG. Er war Aufsichtsratsvorsitzender der ACHIMED GmbH (1962 bis zu seinem Tod), 1967 bis 1970 der Genossenschaftlichen Zentralbank AG, deren Generaldirektor damals Hellmuth Klauhs (Rt-D) war, und der WÖV Schlachthof GmbH (1968 bis zu seinem Tod).

Strobl war von 1952 bis zu seinem Tod Vorstandsmitglied des Allgemeinen Raiffeisenverbandes und von 1968 bis ebenfalls bis zu seinem Tod der Raiffeisenzentralkasse Niederösterreich-Wien. Von 1953 bis 1970 war er Präsidiumsmitglied des Niederösterreichischen Bauernbundes. Er starb nach einem Herzanfall in seinem Haus in Türnitz auf dem Weg ins Krankenhaus und wurde in der Gruft der Luegerkirche auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.

Strobl stellt in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte einen Sonderfall dar. Ursprünglich von der bäuerlichen Interessensvertretung herkommend, wurde er nach den Februarkämpfen 1934 von Bundeskanzler Engelbert Dolluß gebeten, die Leitung des Konsumgenossenschaftswesens zu übernehmen, das zum Bereich der Sozialdemokratie gehört. Dabei erwarb er sich ein derartiges fachliches Ansehen, daß ihm auch in der nationalsozialistischen Ära leitende Funktionen in diesem Bereich übertragen wurden. Sein fachlicher Ruf führte schließlich dazu, daß der sozialdemokratische Staatskanzler Karl Renner ihm 1945 neuerlich die Leitung des Konsumgenossenschaftswesens übertragen hatte. Schließlich wechselte Strobl 1949 in das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen, der dann bis zu seinem Tod sein beruflicher Höhe- und Endpunkt war.

Werke:

Anleitung zur Führung der einfachen landwirtschaftlichen Buchführung nach der von der Buchstelle der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer ausgearbeiteten Methode. 2. erw. Aufl. (1927).
Die Kassenführung des Landwirts (1928).
Die Rentabilität der österreichischen Landwirtschaft im Jahre 1929 (1931).
Unser Kanzler Dollfußs als Agrarier (1932).

Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Franco-Bavaria (Karl Wolfgang Schrammel).
Mitteilungsblatt des ÖCV und des ÖAHB Nr. 9 (16. 12. 1935), 3.
Boberski, Erhard: Dr. Ludwig Strobl. Ein Leben im Dienste der wirtschaftlichen Schwachen. Wien 1970.
Schrammel, Karl Wolfgang (F-B): Franco-Bayern, die Geschichte schrieben … Bundesminister Dr. Ludwig Strobl v. Harri, in: Franco-Bavaria. Der Vorort. 2. Ausgabe, Dezember 2010, 30f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, 351.
Werner, Wolfgang: Ein Leben für die Genossenschaft. Dr. Ludwig Strobl (1900–1974) (= Schriftenreihe des Forschungsvereins Entwicklung und Geschichte der Konsumgenossenschaften Band 8). Wien 2024.