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Eugenio (Pius XII.) Pacelli

Eugenio (Pius XII.) Pacelli

Ehrenmitgliedschaften:

Geboren: 02.03.1876, Rom
Gestorben: 09.10.1958, Castel Gandolfo (Latium, Italien)
Papst, Kardinalstaatssekretär, Päpstlicher Nuntius

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli, so sein voller Name, entstammte einer römischen Juristenfamilie und wurde als Sohn eines Konsistorialadvokaten geboren, d. h. eines für den Vatikan tätigen Rechtsanwalts. Sein Großvater war bis 1870 Vize-Innenminister des Kirchenstaates und Mitbegründer des „Osservatore Romano“. Sein älterer Bruder Francesco war Professor für Verwaltungsrecht und hatte 1929 wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Lateranverträge.

Pacelli besuchte das römische Lyzeum (Gymnasium) Visconti, das er 1894 abschloß. Anschließend begann er zuerst das Studium an der Päpstlichen Universität Gregoriana sowie dann am Päpstlichen Institut Sant’Apollinare, der späteren Lateranuniversität. Er studierte Theologie (abs. theol. 1899; Dr. theol. 1901) sowie Kirchenrecht (Dr. iur. can. 1902). Er wollte zum einen Priester werden, zum anderen aufgrund seines familiären Hintergrunds in den vatikanischen Dienst treten. Aus gesundheitlichen Gründen brauchte er die meiste Zeit nicht in einem Seminar wohnen, sondern konnte sich zu Hause aufhalten. Am Ostersonntag 1899, dem 2. April, wurde er zum Priester geweiht.

BERUFLICHE LAUFBAHN

1901, nach seiner ersten Promotion, trat Pacelli in den Dienst des Kardinalstaatssekretariats. Im Oktober 1903 wurde er Minutant (Sachbearbeiter) in der neu errichteten Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten (S. Congregatio pro negotiis ecclesiasticis extraordinariis). Diese war für kirchenpolitische Angelegenheiten, Verhandlungen mit den Regierungen wegen der Errichtung und der Besetzungen von Diözesen sowie für die Konkordate zuständig. Meistens war der Kardinalstaatssekretär in Personalunion auch Präfekt dieser Kongregation, die inzwischen im Staatssekretariat aufgegangen ist. Auf jeden Fall erlernte Pacelli dort sein „Handwerk“ für seine späteren Aufgaben. Präfekt der Kongregation war der spätere Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri.

1911 wurde Pacelli Prosekretär und 1914 Sekretär dieser Kongregation. Dieser war dort nach dem Präfekten der zweite Mann. In dieser Zeit gelang ihm 1914 der Abschluß eines Konkordates mit dem Königreich Serbien.1912 wurde er auch Konsultor des Heiligen Offiziums. Seit 1909 war er noch zusätzlich Professor an der Päpstlichen Diplomatischen Akademie. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs übertrug ihm Papst Benedikt XV. humanitäre Aufgaben des Vatikans. Das alles war bis dahin für jemanden, der noch nicht 40 Jahre alt war, eine beachtliche kirchliche Karriere.

PACELLI ALS NUNTIUS IN DEUTSCHLAND

Mit 20. April 1917 wurde Pacelli zum Nuntius für das Königreich Bayern ernannt und am 13. Mai als 41-jähriger zum Titular-Erzbischof von Sardes geweiht. Die Situation war damals so, daß der Heilige Stuhl und das Deutsche Reich zwar diplomatische Beziehungen pflegten, aber keine Botschaften in Rom bzw. Berlin unterhielten. Zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl gab es keine diplomatischen Beziehungen. Aufgrund dieser Konstruktion kam Pacelli gleichsam die inoffizielle Vertretung beim Deutschen Reich zu.

Kaum hatte Pacelli seinen Posten in München angetreten, mußte er für die Friedensinitiative Papst Benedikts XV. werben. Zu diesem Zweck war er Ende Juni 1917 in Berlin, um mit dem Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg sowie Kaiser Wilhelm II. zu sprechen. Die bereits am 1. August ergangene päpstliche Friedensnote „Dès le début“ wurde jedoch von den kriegsführenden Mächten abgelehnt. Lediglich Österreich-Ungarn wäre dafür gewesen, mußte aber auf deutschem Druck hin ebenfalls ablehnen. Diese Erfahrung führte bei Pacelli zu der Erkenntnis, daß sich der Heilige Stuhl im Kriegsfall streng neutral verhalten müsse, was er dann auch während des Zweiten Weltkriegs praktiziert hatte.

Nach dem Krieg und einer kurzzeitigen Besetzung der Münchener Nuntiatur durch räterepublikanische Revolutionäre änderte sich die staatskirchenrechtliche Situation durch die Errichtung der Weimarer Republik, deren Länder kaum noch außenpolitische Kompetenzen besaßen. Daher beschlossen der Heilige Stuhl und Berlin, gegenseitige diplomatische Vertretungen zu errichten. Infolgedessen wurde Pacelli mit 22. Juni 1922 zum Nuntius für das Deutsche Reich ernannt, blieb aber vorerst noch in München. Erst als die Nuntiatur im Berliner Tiergartenviertel fertig war, verlegte er am 18. August 1925 seinen Sitz dorthin.

Vorher erlebte Pacelli am 9. November 1923 in München noch den Hitler-Putsch sowie das Entstehen der NSDAP. Inzwischen hat er auch Deutsch gelernt. In den folgenden Jahren war er als Nuntius bemüht, Konkordate abzuschließen, weil sich die Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschlossenen konkordatären Vereinbarungen mit einigen Staaten des Deutschen Bundes überlebt hatten bzw. sich die Staatsform in Deutschland gewandelt hat. Das erste Konkordat war 1924 das mit Bayern. Hier konnte er das freie päpstliche Bischofsernennungsrecht durchsetzen. Das nächste und weitaus wichtigere Konkordat war 1929 das mit dem Freistaat Preußen, dem größten Land des Deutschen Reiches. Hier gelang es dem staatlichen Vertragspartner, nicht zuletzt durch das Engagement der katholischen Zentrumspartei, das Domkapitelwahlrecht auf der Basis eines römischen Dreiervorschlags zu erhalten. Darüber hinaus wurden die Bistümer Aachen sowie Berlin errichtet und das Bistum Breslau zum Erzbistum erhoben.

Pacelli war gern in Deutschland und fühlte sich dort sichtlich wohl. Josef Gelmi schreibt darüber: „Er lobte und liebte die bayerische Metropole als eine Stadt mit herrlichen Schöpfungen seines Kunstsinns und lebendigen Glaubens. Bayern sei für ihn eine zweite Heimat geworden. Vor allem die Wälder, die Berge und Seen, die Bergkirchen und Dome, Almhütten und Schlösser hätten es ihm angetan. Sein Taktgefühl, seine Genauigkeit und seine Intelligenz verschafften ihn in Deutschland ein außerordentliches Ansehen.“ (Gelmi 1989, S, 302f.) Gerne wählte er zu seinen engsten Vertrauten Personen aus Deutschland, wie z. B. die Jesuiten Robert Leiber und Augustinus Bea, Schwester Pascalina Lehnert und dann ab 1933 den ehemaligen Zentrumsführer Prälat Ludwig Kaas (AlBo EM), der dann die Ausgrabungen im Untergrund von St. Peter leitete, die vor allem das Petrusgrab betrafen. Es verging kaum ein Tag, ohne daß dieser telefonisch „nach oben“, d. h. zum Papst, gerufen wurde.

Der Einfluß der Deutschen wurde in Rom nicht selten kritisiert, und man sprach von der „Camarilla tedesca“. Der bekannte Kirchenhistoriker Hubert Jedin war jedoch der Meinung, daß die Deutschen nicht entfernt auf Pius XII. jenen Einfluß ausgeübt hatten, wie dann später die Franzosen auf Paul VI. Als nach dem Tod von Pius XII. Konrad Adenauer in Rom für die Ernennung des Jesuiten Augustin Bea zum Kardinal eintrat, sagte er, bis jetzt hätten die Deutschen keinen eigenen Kardinal in Rom gebraucht, weil sie ja den Papst gehabt hätten.

PACELLI ALS KARDINALSTAATSSEKRETÄR

Als sich das Ende der Amtszeit von Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri abzeichnete, hatte Papst Pius XI. Pacelli als dessen Nachfolger ins Auge gefaßt. Zu diesem Zweck berief er ihn Ende 1929 nach Rom und kreierte ihn am 16. Dezember d. J. zum Kardinal. Schließlich wurde er am 7. Februar 1930 zum Kardinalstaatssekretär ernannt. Desgleichen erfolgte seine Bestellung zum Präfekten der Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten. In diesen Funktionen setzte er auf einer höheren Ebene seine Konkordatspolitik fort, die wegen der politischen Umwälzungen im Gefolge des Ersten Weltkriegs notwendig geworden war (Sturz von Monarchien, Entstehung neuer Staaten).

Für Deutschland wurde am 12. Oktober 1932 das Konkordat mit dem Land Baden unterzeichnet, dessen Verhandlungen bereits begonnen hatten, als Pacelli noch Nuntius in Deutschland war. Hier wurde für das Erzbistum Freiburg/Br, ebenfalls das Domkapitelwahlrecht wie im Preußen-Konkordat vereinbart. Den Plan für ein Reichskonkordat gab es bereits bald nach 1918, jedoch nicht zuletzt aus politischen Überlegungen kam es nach der Machtübernahme Adolf Hitlers zu einem zügigen Abschluß des Reichskonkordats, das am 8. Juli 1933 unterzeichnet wurde und am 20.Juli in Kraft trat. Neben vielen anderen Regelungen wurde für die Diözesen Mainz, (Dresden-)Meißen und Rottenburg das Domkapitelwahlrecht nach dem Badischen Konkordat vereinbart. Desgleichen gewährte das Reichskonkordat jenen katholischen Vereinen, die sich „unter die Fittiche“ der Bischöfe begaben, den sog. „Konkordatsschutz“, der aber in der Folge nicht geholfen hat.

Mit Österreich wurde bereits am 5. Juni 1933 ein Konkordat in Rom unterzeichnet, das jedoch erst mit 1. Mai 1934 ratifiziert wurde und in Kraft trat. Zur Unterzeichnung reiste Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (F-B) nach Rom, in seiner Begleitung befand sich auch dessen Sekretär Otto Kemptner (F-B). Bezüglich der Bischofsbestellung wurde zwar das freie päpstliche Ernennungsrecht festgelegt, allerdings gelang es durch Initiative des Salzburger Landeshauptmanns Franz Rehrl (AW), das Salzburger Domkapitelwahlrecht nach preußischem Vorbild zu verankern. Ansonsten wurden der Kirche einige Sonderrechte gewährt, die nach 1945 einvernehmlich ausgesetzt wurden. Aus Anlaß der Konkordatsunterzeichnung wurde Pacelli das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
In seiner Tätigkeit als Kardinalstaatssekretär versuchte Pacelli, so manche Vorstöße von Papst Pius XI. aus diplomatischen Gründen abzumildern. Er bereiste in dieser Zeit einige Staaten Europas und Amerikas und wurde dadurch international bekannt. Er war u a. 1934 in Lateinamerika und 1936 in den USA. Er vermittelte 1934 im Konflikt der Kirche mit Mexiko und 1936 im Spanischen Bürgerkrieg. Die Ermordung Tausender katholischer Priester in diesem nährte beim Heiligen Stuhl die Angst vor dem Bolschewismus bzw. dem Kommunismus. Das führte am 19. März 1937 zur Veröffentlichung der Enzyklika „Divini redemptoris“, in der der atheistische Sowjetkommunismus verurteilt wurde.

AUS PACELLI WIRD PIUS XII

Pius XI. erkrankte im November 1936 schwer, so daß seine Gesenundheit bereits geschwächt war. In der ersten Februarwoche erkältete sich der 82-jährige. Seine Kräfte waren bereits zu sehr aufgezehrt, so daß er am 10. Februar 1939, sieben Monate vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, verstarb. Während Mussolini triumphierte: „Dieser alte Starrkopf ist jetzt tot“, und die NS-Zeitschrift „Der Angriff“ Pius XI. als „einen politischen Abenteurer“ bezeichnete, sind sich die Historiker heute weitgehend einig, daß er einer der bedeutendsten Päpste der Kirchengeschichte war.

Pius XI. machte keinen Hehl daraus, daß er Pacelli als seinen Nachfolger betrachte. Am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, wurde er nur nach nur drei Wahlgängen zum Papst gewählt und erkor den Namen Pius. Damit signalisierte er, daß er sich in der Nachfolge seines Vorgängers sah. Als päpstliches Wappen wählte er das Motiv der Friedenstaube, wohl ahnend, daß es mit dem Frieden bald vorbei sein wird.

Nach den Weissagungen des irischen Bischofs Malachias über die Päpste und das Weltende aus dem Jahr 1139 trug er den Beinamen „Pastor angelicus“, engelgleicher Hirte. In einem Kommentar über diesen aus dem Jahr 1933 steht: „Man vermutet, dieser Papst werde ein engelgleiches Leben führen, also durch Heiligkeit glänzen, und während seiner Regierungszeit werde die Friedenszeit (Friede zwischen den Völkern und Staaten) anbrechen.“ In der Tat kann man das Leben von Pius XII. vor allem nach 1945 durchaus als „engelgleich“ taxieren. Und in diesem Jahr war auch der Weltkrieg zu Ende, und ein neuer brach nicht aus, auch wenn die Zeiten danach nicht immer friedlich waren.

PIUS XII UND DER NATIONALSOZIALISMUS

Schon als Nuntius in München und dann in Berlin war Pacelli mit dem aufstrebenden Nationalsozialismus und Adolf Hitler konfrontiert. Er wußte, was er von diesen zu halten hatte, und kannte auch die Gefahren, die von ihnen ausgingen. Als Kardinalstaatssekretär und damit oberster Diplomat des Heiligen Stuhls befand er sich in einer Zwickmühle: Wie weit können offene Worte gehen, ohne die Kirche und Katholiken zu gefährden?

Als 2003 die Bestände des Vatikanarchivs bis 1939, also bis zum Ende des Pontifikats von Pius XI., für die Forschung freigegeben wurden, konnte einiges geklärt werden. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf (Wf EM) war bei der Aufarbeitung wesentlich beteiligt. So war seitens des Heiligen Offiziums 1934 geplant, eine sog. Antirassismus-Enzyklika herauszubringen, an der Bischof Alois Hudal (BbG EM) mitarbeitete. Diese kam aber nicht zustande, weil das Kardinalstaatssekretariat unter Pacelli bremste.

Als sich jedoch die kirchenfeindliche Politik des NS-Regimes und dessen Verstöße gegen das Reichskonkordat immer deutlicher manifestierten, wurde eine Enzyklika zwischen den deutschen Bischöfen und Rom vereinbart. Vorarbeiten dazu lieferten das Heilige Offizium, der Erzbischof von München und Freising, Michael Kardinal Faulhaber, und der Bischof von Münster, der sel. Clemens August Graf von Galen (R-GM EM). Die Endredaktion nahm dann Pacelli vor. Nachdem am 19. März 1937, dem damaligen „Schmerzensfreitag“, die erwähnte Enzyklika „Divini redemptoris“ gegen den Kommunismus veröffentlicht wurde, wurde am darauffolgenden Palmsonntag, dem 21. März, im Deutschen Reich die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von den Kanzeln verlesen. Das ganze geschah in einer geheimen „Nacht-und-Nebel-Aktion“, die den NS-Behörden verborgen blieb. In der Folge wurden Hausdurchsuchungen und Verhaftungen vorgenommen, katholische Schulen und Druckereien wurden geschlossen, und weitere katholische Organisationen aufgelöst. .

Pius XII. war bald nach seiner Wahl mit einem heraufziehenden neuen Weltkrieg konfrontiert. Er versuchte, diesen durch verschiedene Aktionen zu verhindern – vergeblich. Im Oktober 1939 veröffentlichte er seine Antrittsenzyklika „Summi Pontificatus“, in der er für den Frieden warb. Das tat er dann auch immer wieder in den folgenden Weihnachtsbotschaften. Wie schon Benedikt XV., so hat sich auch Pius XII. bemüht, daß sich Italien aus dem Krieg heraushält – vergeblich. Wie schon im Ersten Weltkrieg, so hat der Heilige Stuhl auch ab 1939 Einrichtungen zur Linderung der Not u. ä. geschaffen. Leiter wurde Giovanni Montini, damals Substitut des Staatssekretariats, später dann Papst Paul VI.

Seit dem Frühjahr 1941 rechnete die Kurie mit der Möglichkeit einer deutschen Besetzung des Vatikans und der Amovierung des Papstes. Besonders akut wurde diese Gefahr mit dem Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 und der deutschen Besetzung Roms am 8. September desselben Jahres. Nach der Befreiung Roms am 5. Juni 1944 durch die Alliierten war diese Gefahr endgültig vorbei. Pius XII. hat sich auch bemüht, Rom aus dem Kriegsgeschehen herauszuhalten. Im Juli 1943 hat er sich nicht nehmen lassen, den Vatikan zu verlassen, um den Opfern eines Bombenangriffs im Stadtteil San Lorenzo beizustehen.

Im Jahr 1963 löste das Bühnenstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth, einem Lektor im Bertelsmann-Lesering, eine Kontroverse über Pius XII. aus, die bis heute andauert. Kurz zusammengefaßt geht es um den Vorwurf, der Papst hätte zu den NS-Verbrechen geschwiegen. Hätte er das nicht getan, wären diese verhindert worden. Es ist jetzt in dieser Biographie nicht der Platz, die gegensätzlichen Argumentationen im Detail anzuführen und zu bewerten. Auch sind die Forschungen über die inzwischen geöffneten Archive des Vatikans (zuletzt 2020 für die Zeit bis 1945) noch nicht abgeschlossen. Endgültige Aussagen können noch nicht vorgenommen werden.

Allerdings ist es möglich, den seit 1963 geführten Streit aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, nämlich nach den von Max Weber 1919 eingeführten Kategorien der Gesinnungsethik und der Verantwortungsethik bzw. nach dem Minor-Malus-Prinzip, nämlich dem des geringeren Übels. In dieser Spannung befand sich Pius XII. Konnte er sicher sein, daß ein entschiedenes Auftreten seinerseits die Verbrechen verhindert hätte? Oder mußte er befürchten, daß dadurch noch mehr Leid entstehen wird? Aus der gesicherten Zeit Jahrzehnte später ist es leicht zu urteilen bzw. zu verurteilen.

Der Gesinnungsethiker ist von der „inneren Wahrhaftigkeit“, wie sie die deutsche Jugendbewegung vor 1914 formulierte, geleitet und geht kompromißlos einen einmal als richtig erkannten Weg. Der Verantwortungsethiker hingegen wägt ab, er überlegt, mit welcher Entscheidung wird mehr bzw. weniger Schaden bzw. Leid angerichtet. Er nimmt also ein geringeres Übel in Kauf (begeht dadurch ggf. sogar eine Straftat und lädt moralische Schuld auf sich), um ein weitaus größeres Übel zu verhindern. Das Dilemma bei einer solchen Entscheidung ist aber, daß man sich vorher nicht hundertprozentig sicher sein kann, wie diese ausgeht.

Nach 1945 begann bald aus durchaus nachvollziehbaren Gründen (Katastrophe der Nazizeit) im deutschsprachigen Raum bzw. dann auch im übrigen freien Westen, die Gesinnungsethik in vielen gesellschaftlichen Bereichen und auch in der Politik zu dominieren. Dadurch stießen die Thesen von Hochhuth in der öffentlichen Meinung auf große Akzeptanz und drängten die Möglichkeiten und Handlungsspielräume in den Hintergrund. Ebenso wurden auch nicht die negativen Folgen einer gesinnungsethischen Haltung in Betracht gezogen.

In diesem Zusammenhang ein Beispiel: Im Sommer 1942 wurde die deutsche Verwaltung in den Niederlanden aufgefordert, die dort wohnende jüdische Bevölkerung nach Auschwitz abzutransportieren. Den Vertretern der beiden größten Konfessionen – Reformierte und Katholiken – wurde gesagt, wenn sie stillhalten, passiert den getauften Juden nichts. Eine Konfession hat sich daran gehalten, und deren Juden passierte in der Tat nichts; die andere Konfession hat von den Kanzeln gewettert, und deren jüdische Angehörige wurden deportiert. Wenn man nun diese Geschichte erzählt und fragt, welche Konfession hat stillgehalten, so wird die überwiegende Antwort lauten: die Katholiken. Das ist nicht zuletzt die Folge der durch Hochhuth ausgelösten Grundstimmung. Die richtige Antwort lautet aber: Die Katholiken haben gegen die Judenverschickung von den Kanzeln protestiert – die Folge war: Edith Stein wurde am 9. August 1942 in Auschwitz vergast

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Das Schauspiel von Rolf Hochhuth war ab 1963 auf jeden Fall ein gigantischer Medienerfolg. Aber man sieht auch, daß die seitdem geführte Debatte über Pius XII. der Sache nicht gerecht wird. Die Persönlichkeit dieses Papstes in Bezug auf den Nationalsozialismus wird wohl erst eine spätere Zeit würdigen können, wenn das Für und Wider einer ruhigeren Beurteilung Platz machen wird.

DIE ZEIT NACH 1945

Bereits gegen Ende des Zweiten Wetkriegs zeigte sich bei Pius XII. ein autoritärer Führungsstil. Als am 22. August 1944 der Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione verstarb, übernahm Pius XII. persönlich die Leitung des Staatssekretariats und der Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten. In der Folge traf dies auch auf die Leitung des Heiligen Offiziums und weiterer Dikasterien zu. Nicht selten überging er die Kurie und löste delikate Probleme im Kreis von einigen wenigen Vertrauten, zu denen auch Giovanni Montini, der spätere Papst Paul VI., und der spätere Kardinalstaatssekretär Domenico Tardini gehörten.

Einer der Schwerpunkte von Pius XII. lag in der theologischen Entwicklung, die sich u. a. in zahlreichen Enzykliken manifestierte. Zu den bedeutendsten zählten: „Mystici corporis“ (1943), in der die Kirche als der mystische Leib Christi dargestellt wird; die Enzyklika „Divino afflante Spiritu“ (1943), die die Vorbehalte gegen die historisch-kritische Methode in den Bibelwissenschaften abmilderte; die Enzyklika „Mediator Dei“ (1947) nahm erstmals positiv zur liturgischen Bewegung Stellung; in der Enzyklika „Humani generis““ (1950) geht er wiederum auf verschiedene Ideologien im Widerspruch zur christlichen Offenbarung ein, u a. auch auf die Evolutionsideologie, wobei aber nicht die wissenschaftlich fundierte Evolutionslehre gemeint war.

Höhepunkt seiner Lehrtätigkeit war das Jahr 1950, in dem Pius XII. das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete. Das war zum ersten Mal, daß ein Papst nach dem Unfehlbarkeitsdogmas von 1870 davon Gebrauch gemacht hat. Allerdings ist ein solches Fest und damit ein solcher Gaube seit 450 in der Ostkirche nachweisbar, im Westen seit dem 7. Jahrhundert. Insofern war die Verkündigung dieses Dogmas nur der Schlußpunkt einer sehr langen Glaubenstradition in der Kirche.

Rückblickend werden die theologischen Positionen von Pius XII. oft als traditionell bezeichnet. In der Tat war er diesbezüglich ein Kind seiner Zeit, doch seine og. vier Enzykliken behandeln wichtige theologische Themen (Ekklesiologie, Liturgie, Bibelwissenschaften), die dann später im II. Vatikanum eine große Rolle spielen sollten. Er selber soll sich bewußt gewesen sein, daß ein Konzil notwendig wäre.

Für 1950 wurde das traditionelle „Heilige Jahr“ ausgerufen. Nach den Schrecknissen des Zweiten Weltkrieges war dieses ein erster Höhepunkt im Leben der Kirche, der zahlreiche Pilger nach Rom führte. Fünf Jahre nach dem Krieg hat sich zumindest im freien Teil Europas bzw. der Welt die Lage ökonomisch soweit stabilisiert, daß solche Reisen in größerem Ausmaß wieder möglich waren. Hingegen war Pius XII. mit der Etablierung des Kommunismus in Ostmitteleuropa konfrontiert, der zur Unterdrückung und Verfolgung der dortigen Kirche bzw. der Katholiken führte. Es gab dort zahlreiche Verhaftungen, auch von Bischöfen, wie z. B. die Erzbischöfe Josef Mindszenty (Gran, Ungarn 1947), Alois Stepinac (Agram, Jugoslawien 1946) und Josef Slipyj (Lemberg [rit. byz.], Ukraine 1945).

PIUS XII UND DER CV

Im CV bzw. ÖCV ist kaum präsent, daß Papst Pius XII. ein CV-Ehrenmitglied war. Wie kam es dazu? 1922 gründete die Aenania in München die Tochterverbindung Trifels. Als Zelebrant des Gottesdienstes in der Münchener Ludwigskirche anläßlich des Publikationsfestes am 21. Juli 1922 konnte Pacelli, der damalige dortige Nuntius, gewonnen werden. Dabei wurde die Krönungsmesse von Wolfgang Amadeus Mozart aufgeführt. Der Philistersenior dankte Pacelli dafür und meinte, daß das einzige Geschenk, das eine arme Verbindung machen könne, nämlich die Bandverleihung, ja nicht in Frage käme. Dem widersprach Pacelli.

Ein Cumulativconvent am Nachmittag beschloß die Bandverleihung, und am Abend nahm Pacelli am Publikationskommers im Bürgerbräukeller teil, der zugleich der Stiftungsfestkommers der Aenania war. Dort wurde dann das Band verliehen. Er nahm dieses mit der Bemerkung, als ob er „selbst ein Fuchs wäre“, an. Er war nach Antonio Agliardi (Nc EM) der zweite Nuntius, dem das Band einer CV-Verbindung verliehen wurde. Pacelli fühlte sich in der Folge dem CV immer verbunden. So besuchte er z. B. 1927 das Haus der Arminia Heidelberg.

Als im Zuge der Gleichschaltung des CV dieser das Katholizitätsprinzip aufgeben mußte, kritisierte Kardinalstaatssekretär Pacelli in einer Note vom 9. Mai 1934 an den deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl die „auf mehr als fragwürdigen Wegen erzwungene Aufgabe der Konfessionalität der früheren katholischen Studentenvereinigungen“. Die Deutsche Reichsregierung beantwortete diese Note erst mehr als ein Jahr später am 16. Mai 1935 und wies diese Formulierung zurück.

Pacelli hingegen antwortete am 1. Juni 1935 und stellte bezüglich der Gleichschaltung der katholischen Studentenverbindungen eindeutig, wenn auch durch den diplomatischen Stil formal entschärft, fest: „Die einwandfreien und nochmals nachgeprüften Informationen des Heiligen Stuhles machen es letzterem zu seinem Bedauern unmöglich, an der am 9. Mai 1934 vorgenommenen Charakterisierung des staatlichen Vorgehens Abschwächungen vorzunehmen.“ Der Heilige Stuhl und insbesondere Pacelli, der die Situation in Deutschland und die des CV aus eigenem Erleben gut kannte, waren über diese Ereignisse wohl informiert.

Als am 24. September 1950 über 300 CVer in Couleur anläßlich des Heiligen Jahres zu einer Audienz in Castel Gandolfo weilten, stellte der Papst in gelöster Sprechweise die Frage: „Ihr seid CVer?“ Nach dem Jubel der anwesenden CVer fuhr er mit einem Lächeln und auf sich deutend fort: „Ich bin auch CVer.“ Bemerkenswert an diesem Ausspruch war, daß Pius XII., der nur im pluralis maiestaticus gesprochen hatte, die Ich-Form verwendete. Auch seitens des ÖCV hatte man vorgehabt, anläßlich des Heiligen Jahres nach Rom zu fahren, hat das aber „infolge der neuen Schilling-Relation“ abgesagt. Vier Monate vor seinem Tod 1958 empfing Pius XII. wieder 315 CVer in privatem Rahmen anläßlich der Romwallfahrt der Gothia Erlangen. Im „Osservatore Romano“ vom 4. Juli 1958 heißt es dazu, der Papst habe u. a. erklärt, er habe die Freude gehabt, als Ehrenmitglied in den CV eingereiht zu werden.

Für den CV, insbesondere aber für den ÖCV, war es vor allem in den fünfziger Jahren bedeutsam, daß ein Papst einer der ihren war. Das war damals nämlich die Zeit, als man vor allem in Österreich seitens der Katholischen Aktion versucht hat, die katholischen Verbände, vor allem auch den CV, innerkirchlich an den Rand zu drängen.

Pius XII. erkrankte im Frühjahr 1954 an einer chronischen Gastritis, die ihm in den folgenden Jahren zu schaffen machte und auch Magenblutungen verursachte. Auch eine umstrittene Frischzellenkur konnte am langsamen gesundheitlichen Verfall nichts mehr ändern. Am 6. und 8. Oktober 1958 erlitt er hintereinander zwei Schlaganfälle, denen er dann am 9. erlag. Er wurde in der Krypta der Peterskirche, den sog. „Grotten“, nur sechs Meter vom Petrusgrab entfernt, begraben. 1965 eröffnete Papst Paul VI. ein Seligsprechungsverfahren, das noch nicht abgeschlossen ist. In deutschen Städten wurden nach ihm Straßen (mit dem Namen Pacelli) benannt, so u. a. auch in Berlin-Dahlem. Gegen diese gibt es seit 2020 eine Umbenennungsagitation.

Quellen und Literatur:

Eisele, Hans (Ae): Wie Kardinal Pacelli als Münchener Nuntius zum CV kam, in: Academia 42 (1929/30), S, 261.
Schambeck, Herbert (Rd) (Hg.): Pius XII. Friede durch Gerechtigkeit. Kevelaer 1986.
Gelmi, Josef: Die Päpste in Lebensbildern. Graz 2. völlig neu bearbeitete Auflage 1989, S. 302–312.
CV-Handbuch. Hg. von der Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V. Regensburg 3. erweiterte Auflage 2000, S. 574–576.
Hartmann, Gerhard (Baj): „Ich bin auch CVer“, in: Österreichische Academia (2005), Juni, S. 37.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 237, 249, 252, 254f., 347, 359f., 465, 662–664, 667f.
Wolf, Hubert (Wf EM): Papst & Teufel. Die Archive des Vatikans und das Dritte Reich. München 2008.
Gelmi. Josef_ Die Päpste in Kurzbiographien. Von Petrus bis Franziskus (= topos taschenbuch 552). Kevelaer 4. ergänzte Auflage 2013, S. 148–151.