Lebenslauf:
HERKUNFT, AUSBILDUNG UND ERSTE BERUFLICHE LAUFAHN
Kemptner wurde als Sohn eines Lokomotivführers geboren. Die Familie zog 1894 nach Wien, wo er die Volks- und 1908 die Realschule in Wien-Fünfhaus (Henriettenplatz) absolvierte. Danach begann er zuerst das Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule in Wien, wechselte aber bereits im Sommersemester 1909 an die Philosophische Fakultät der Universität Wien, wo er Germanistik und Romanische Philologie (Französisch) studierte (abs. phil. bzw. Lehramtsprüfung 1914). Zu diesem Zweck mußte er als Ergänzungsprüfung die Gymnasialmatura ablegen. Beruflich wollte er aber nicht in das gymnasiale Lehramt, sondern in den Bibliotheksdienst bzw. in die universitäre Laufbahn.
Kemptner trat im Herbst 1908 zuerst der Norica bei (Couleurname Blondl). Bereits im Späherbst 1908 wurde jedoch seitens der Norica die Gründung der Franco-Bavaria sowie der katholischen Pennalie Rheno-Frankonia initiiert (später unter dem geänderten Namen Bavaria im MKV). Kemptner ging noch als Fuchs der Norica zu den gerade gegründeten beiden Verbindungen. Nach den Bestimmungen des CV wurde er als Fuchs der Norica mit dem dortigen Rezeptionsdatum bei der Franco-Bavaria geburscht. (Dadurch führt er dort ein solches, das älter als das offizielle Gründungsdatum der Franco-Bavaria ist.)
Kemptner gilt daher als Stifter der Franco-Bavaria und war dort im Wintersemester 1909/10, im Wintersemester 1910/11 und im Sommersemester 1912 deren Senior. Fuchsmajor war er im Sommersemester 1910, im Wintersemester 1911/12 und im Sommersemester 1912. Im Oktober 1913, bei der Gedenkfeier des Wiener CV anläßlich der Hundertjahrfeier der Völkerschlacht von Leipzig, hielt er eine Ansprache beim Radetzky-Denkmal vor dem Kriegsministerium am Stubenring. Als der Leibbursch von Engelbert Dollfuß (F-B) zeitweilig nicht der Verbindung angehörte, war er dessen Ehrenleibbursch.
Kemptner engagierte sich seit 1908 im katholischen Verbandswesen, so u. a. beim Pius-Verein (zur Förderung der katholischen Presse), im katholischen Schulverein, im Volksbund der Katholiken Österreichs sowie in der katholischen Schutzvereinsbewegung (Förderung des Grenzland- und Auslandsdeutschtums). Im Rahmen dieser Tätigkeit hielt er Versammlungen in Wien und Niederösterreich ab. Als sein Vater im Februar 1911 starb, war er gezwungen, für sich selbst zu sorgen, erhielt aber ein für damalige Verhältnisse hohes Stipendium von 800 Kronen im Jahr (das war ungefähr die Hälfte des Jahresanfangsgehalts eines Volksschullehrers).
Kemptner wurde zwar 1911 bei der Assentierung für tauglich befunden, jedoch vorerst aus Studiengründen nicht eingezogen. Nach der allgemeinen Mobilmachung wurde er als Einjährig-Freiwilliger am 1. August 1914 zum Wiener k. u. k. Feldartillerieregiment Kaiser Wilhelm II. Nr. 4 eingezogen. Er wurde zuerst Reserveoffizier, ließ sich aber später in den aktiven Offiziersstand versetzen (letzter Dienstgrad Hauptmann), weswegen er zeitweilig aus der Verbindung ausscheiden mußte. 1915 war er einer der ersten Offiziere der k. u. k. Armee, die einen Kurs an Fliegerabwehrkanonen (Flak) in Ostende (im Deutsch besetzten Belgien) absolvierte. Eingesetzt war er hauptsächlich an der Dolomiten- bzw. an der Isonzofront. Infolge eines Gasangriffs galt er als 35–45 Prozent kriegsbeschädigt. (Auszeichnungen: Militärverdienstkreuz III. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwertern, silbernes Signum laudis, Signum laudis mit Band und Schwerter, Karl-Truppenkreuz, Verwundetenmedaille).
Nach dem Krieg blieb Kemptner vorerst als Berufsoffizier bei der sog. Volkswehr und wurde dann 1920 in den Finanzdienst übernommen. In dieser Zeit begann er ein zusätzliches Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, welches er mit beiden Studienrichtungen abschloß (Dr. rer. pol. 1924, Dr. iur.1930). Ebenso absolvierte er 1920 einen Bank- und Buchhaltungskurs. Seine Mitgliedschaft in der Franco-Bavaria lebte dadurch wieder auf. Erst nach Absolvierung des Jus-Studiums (abs. iur. 1930) wurde er in die Verwendungsgruppe A (Akademiker) bzw. ins Finanzministerium übernommen.
POLITISCHES ZWISCHENSPIEL
Als Engelbert Dollfuß (F-B) zum Bundeskanzler ernannt wurde, holte dieser Kemptner im Juli 1932 ins Bundeskanzleramt und machte ihn zu seinem Sekretär. In dieser Eigenschaft begleitete er Dollfuß Anfang Juni 1933 zur Unterzeichnung des Konkordats nach Rom, weshalb ihm das Komturkreuz des Sylvester-Ordens verliehen wurde.
Am 20. Mai 1933 gründete Dollfuß die Vaterländische Front (VF) und bestellte Kemptner mit 1. August 1933 zu deren Bundesleiter (Generalsekretär), der diese parteiähnliche Organisation aufbaute. Diese Funktion übte er bis zum 28. Februar 1934 aus, sein Nachfolger wurde Karl M. Stepan (Nc). Gleichzeitig wurde Kemptner von Dollfuß zur Aufstellung einer Frontmiliz beauftragt, die an Stelle der Wehrverbände treten sollte. Auch nach der Ermordung von Dollfuß blieb Kemptner vorerst im Bundeskanzleramt und wurde zum Sektionsrat ernannt. Inzwischen wurde er zum Mitglied des Rates der Stadt Wien bestellt, dem er seit 17. Mai 1934 angehörte.
Kemptner hielt die Trauerrede für die Verbindung Franco-Bavaria beim Begräbnis von Dollfuß. Er selber wurde dann auf seine Bitte wieder in die Finanzverwaltung versetzt und mit 7. November 1934 zum Präsidenten der Finanzlandesdirektion Salzburg ernannt. Aus diesem Grund legte er sein Mandat im Rat der Stadt Wien mit 30. November 1934 zurück. In Salzburg wohnte er zusammen mit seiner Schwester, die ihm den Haushalt führte, im Nachbarhaus von Mozarts Geburtshaus in der Getreidegasse. Er selber hatte zwar 1922 geheiratet, jedoch starb seine Frau bereits im Mai 1930 (sie wurde tot in der Badewanne aufgefunden). Die Ehe blieb kinderlos.
In Salzburg engagierte sich Kemptner bald im CV, wurde 1935 bei der 1932 gegründeten Rheno-Juvavia Bandphilister und 1936 als Nachfolger von Franz Hörburger (Cl) der zweite Philistersenior, was er bis zum März 1938 blieb. Desgleichen war er Ehrenphilister der MKV-Verbindung Liechtenstein Wien.
VERFOLGUNG UND AUGUSTINER CHORHERR
Noch im Jänner 1938 hielt Kemptner bei einer „Vaterländischen Kundgebung“ der Salzburger Polizei eine Rede und wurde im Zuge des Anschlusses am 12. März 1938 verhaftet, konnte aber vorerst bald wieder nach Hause gehen. Er wurde jedoch am 24. März neuerlich verhaftet und als Schutzhäftling in das Salzburger Polizeigefängnis am Rudolfsplatz eingeliefert. Am 15. Oktober 1938 wurde er ins KZ Dachau überstellt. Aufgrund einer „Sonderbehandlung“ erlitt er dort schwere gesundheitliche Schäden. Im Zuge der vorübergehenden Auflassung des KZs Dachau wurde er am 26. September 1939 in das KZ Buchenwald überstellt, von wo er aber bereits kurz danach aus gesundheitlichen Gründen am 11. Oktober 1939 entlassen wurde. Er kehrte nach Salzburg zurück und wohnte wieder bei seiner Schwester, die ihn pflegte. Kemptner wurde aus dem Staatsdienst erlassen und erhielt einen gekürzten Ruhegenuß.
Ähnlich wie der frühere Bürgermeister von Linz, Wilhelm Bock (Nc), trat der verwitwete Kemptner am 11. November 1942 in das Chorherrenstift St. Florian ein, um Priester zu werden. Dieses befand sich aber damals wegen der Beschlagnahme der Klosteranlage bereits in Pulgarn (Steyregg). Nach Absolvierung des Noviziats und der Ablegung der einfachen Gelübde am 3. Dezember 1943 begann er das Studium an der stiftseigenen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt, die ebenso dort provisorisch untergebracht war, kam aber aufgrund seines Todes über das erste Studienjahr nicht hinaus. Denn sein durch den KZ-Aufenthalt angegriffener Gesundheitszustand verschlimmerte sich im Jahr 1944 derart, daß er schließlich diesem im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz erlag. Bestattet wurde er auf dem Priesterfriedhof in St. Florian.
Kemptner war in der sog. „NS-Opferliste“ der ÖCV-Gesamtverzeichnisse der Jahre 1949 bis 2000 aufgeführt. Ab dem Gesamtverzeichnis des Jahres 2004 werden dort jedoch nur jene aufgezählt, die durch einen direkten Einfluß des nationalsozialistischen Terrorapparats bzw. im Widerstand gegen das NS-Regime umgekommen sind. Diese Definition trifft auf Kemptner nicht zu, da zwischen seiner Entlassung aus dem KZ und seinem Tod viereinhalb Jahre vergangen sind. Er gilt daher als indirektes Opfer des Nationalsozialismus. Daher wurde zum Andenken an ihn am 2. Juli 2014 in der Salzburger Getreidegasse vor dem Haus Nr. 11, wo er gewohnt hatte, ein sog. Stolperstein verlegt.
Quellen und Literatur:
Verbindungsarchiv Franco-Bavaria (Karl-Wolfgang Schrammel), hierin besonders eigenhändiger maschinschriftlicher Lebenslauf vom 11. 11. 1942 anläßlich des Aufnahmegesuches in den Orden.http://www.stolpersteine-salzburg.at/de/orte_und_biographien?victim=Kemptner,Otto
Krejci, Heinz (Nc): Stets auf Kurs trotz rauer See. 100 Jahre K. Ö. St. V. Bavaria Wien. Wien 2008, S. 50–54. .
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 157.