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Vz.Präs. Dr. Josef Marschall

Vz.Präs. Dr. Josef Marschall

Urverbindung: Danubia (17.06.1926)

Bandverbindungen: E-Rh, GlL

Geboren: 23.04.1907, Wien
Gestorben: 20.01.1986, Wien
Vizepräsident des Rechnungshofes, ÖCV-Amtsträger
Politische Haft: 1940 Untersuchungshaft

Lebenslauf:

Marschall besuchte in Wien die Realschule, wo er 1922 bei der katholischen Pennalie Donaumark (später MKV) aktiv wurde. Nach der Matura begann er das Studium an der Hochschule für Welthandel (Dkfm., Dr. rer. merc.), wo er der Danubia beitrat (Couleurname Marbod). Sein Leibbursch war Josef Dungel (Dan), ein Opfer der NS-Euthanasie, und einer seiner Leibfüchse der spätere Päpstliche Nuntius in Mexiko, Gerolamo Prigione (Dan). Nach dem Studium war Marschall eine Zeitlang in der Industrie tätig, ging aber dann zur Zollverwaltung. Im Dezember 1937 wechselte er zum Rechnungshof.

Marschall meldete sich am 11. März 1938 in der Wiener Roßauer-Kaserne zum bewaffneten Widerstand gegen den drohenden Anschluß. Zusammen mit anderen bildete er dann die Widerstandsgruppe „Roßau“. Am 6. Juni 1938 wurde er als Bediensteter des Rechnungshofs außer Dienst gestellt, konnte aber dann in der neu errichteten Preisbildungsstelle Wien unterkommen und blieb weiter im Widerstand aktiv.

1940 wurde Marschall zur Luftwaffe einberufen. Dort wurde er am 13. August 1940 wegen Wehrkraftzersetzung und Geheimbündelei vom Feldgericht des Luftgaus XVII in Untersuchungshaft genommen. Kontakte aus Widerstandskreisen zur Luftflotte 4 haben die Einstellung des Verfahrens durch den damaligen General der Flieger (später Generaloberst) Alexander Löhr erreicht, so daß Marschall bereits am 22. September 1940 entlassen wurde. (Löhr war bis 1938 Generalmajor des Österreichischen Bundesheeres und Kommandant der Österreichischen Luftstreitkräfte.)

Da Marschall mehrere Fremdsprachen beherrschte und ein Wirtschaftsfachmann war, wurde er als Intendant im Beamtenrang weiter bei der Luftwaffe eingesetzt. In dieser Stellung pflegte er weiterhin Kontakte zu Widerstandskreisen. Im Protektorat Böhmen-Mähren gab er Hinweise an tschechische Untergrundgruppen. 1942/43 half er in Budapest, Vermögensverschiebungen ins Ausland vorzunehmen. In Ungarn gelang es ihm, bei Beginn der Judendeportationen mindestens 60 Juden die Flucht zu ermöglichen. In Belgien hatte er Verbindung zur Widerstandsgruppe „Weiße Brigade“ und in Frankreich zur Résistance, von der er zu Kriegsende als Schwerverwundeter in Marseille versorgt und gerettet wurde.

Danach kehrte Marschall wieder nach Wien zurück und trat seinen Dienst im Rechnungshof an, wurde bald Sektionsrat und Leiter der Abteilung für die Kontrolle der Verstaatlichten Industrie. Anfang der fünfziger Jahre wurde er zum Ministerialrat ernannt. Am 18. September 1959 wurde er vom Nationalrat als Nachfolger von Josef Seidl (AW) zum Vizepräsidenten des Rechnungshofs gewählt. Präsident war damals der ehemalige SPÖ-Minister Hans Frenzel. Die beiden Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ wechselten sich damals jeweils bei den Posten eines Präsidenten sowie Vizepräsidenten des Rechnungshofes ab. Der Vizepräsident stand protokollarisch im Rang eines Staatssekretärs.

Auf Vorschlag der ÖVP wurde Marschall zum Vizepräsidenten gewählt und nicht der sich auf diesen Posten Hoffnung machende Rudolf Mayr (AW), der als Ministerialrat im Rechnungshof Leiter der Präsidialabteilung war und glaubte, das ihr ihn auch die meisten dortigen Beamten waren. Das führte zu Spannungen zwischen Marschall und Mayr, die auch auf den ÖCV Auswirkungen hatten. Die Verbandsführung (nunmehr Vorstand der Verbandsführung) unter ihrem Vorsitzenden Eduard Chaloupka (Baj) beschäftigte sich am 2. Juni 1960 damit, denn Mayr war inzwischen zum Vorsitzenden der Altherrenschaft gewählt worden. Chaloupka forderte auf, „dieses für den Verband so unglückliche Verhältnis einer für alle Teile befriedigenden Lösung“ zuzuführen.

Marschall engagierte sich neben seiner Tätigkeit als Rechnungshofvizepräsident auch im ÖCV. So wurde er auf der Cartellversammlung des Jahres 1963 zum Leiter des Amtes für Berufsfragen im ÖCV-Beirat gewählt. Nach seiner Wiederwahl auf der Cartellversammlung im späten Frühjahr 1967 starb jedoch im Sommer überraschend der Vorsitzende des ÖCV-Beirates bzw. der Verbandsführung Chaloupka. Zu seinem Nachfolger wurde auf einer ao. Cartellversammlung im Herbst Mayr gewählt. Daraufhin trat Marschall als Amtsträger zurück. . Zu seinem Nachfolger wurde Friedrich Dörr (Rg) gewählt.

Marschall war unter dem SPÖ-Politiker Frenzel dann unter den FPÖ-Politikern Jörg Kandutsch und Tassilo Broesigke jeweils der „schwarze“ Vizepräsident, zuerst in der Großen Koalition, dann in der ÖVP-Alleinregierung und schließlich ab 1970 unter der SPÖ-Alleinregierung. Er wurde in dieser Funktion jeweils wiedergewählt und übte diese bis zu seinem Tod im 79. Lebensjahr mehr als 26 Jahre aus. Er war damit der am längsten dienende Rechnungshofvizepräsident.

Marschall war auch Bandphilister der Edo-Rhenania Tokyo sowie Ehrenphilister der MKV-Verbindung Marko-Danubia Korneuburg und wurde auf dem Dornbacher Friedhof begraben.

Quellen und Literatur:

Hartmann, Gerhard (Baj): Die Ära Chaloupka im österreichischen CV. Eduard Chaloupka als Vorsitzender des ÖCV-Beirates und der Verbandsführung von 1955 bis zu seinem Tod 1967, Für Volk und Glauben leben. Festschrift für Eduard Chaloupka. Hg. von Nicolaus Drimmel (Baj). Wien 2002, S. 123f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Herbert Fritz und Peter Krause (Rt-D). Wien 2. wesentlich verb. Aufl. 2013, S. 422f.