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Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. Dr. Dr. Johannes Ude

Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. Dr. Dr. Johannes Ude

Urverbindung: Carolina (31.10.1902)

Bandverbindungen: BbG

Geboren: 28.02.1874, St. Kanzian (Kärnten)
Gestorben: 07.07.1965, Grundlsee (Steiermark)
Universitätsprofessor (Spekulative Dogmatik), Weltpriester
Politische Haft: 1939 Linz; 1944/45 Linz und Wels

Lebenslauf:

HERKUNFT, AUSBILDUNG UND AKADEMISCHE LAUFBAHN

Ude wurde als Sohn eines Lehrers geboren. Nach der Volksschule besuchte er zuerst das Gymnasium des Benediktinerstifts St. Lambrecht (Obersteiermark), um dann 1894 im Grazer Lichtenfels-Gymnasium die Matura abzulegen. Danach studierte er in Rom an der Päpstlichen Universität Gregoriana Philosophie sowie Theologie (Dr. phil. und Dr. theol.) und wurde dort 1900 zum Priester geweiht. 1901 kehrte er nach Graz zurück.

Nach einer einjährigen Kaplanstätigkeit wurde Ude Präfekt am Bischöflichen Knabenseminar. Daneben begann er ab 1902 auf Wunsch des Bischofs das Studium der Zoologie und Botanik, an der Philosophischen Fakultät der Universität Graz (Dr. phil. 1907), wo er der Carolina beitrat (Couleurname Rolf). Außerdem habilitierte er sich an der Grazer Theologischen Fakultät für Spekulative Dogmatik.

Schon am 10. März 1905, kurz nach seiner Habilitation, und wiederum am 23. Juni 1908 beantragte die Theologische Fakultät für Ude eine ao. Professur für Spekulative Dogmatik. Aber erst der einstimmige Beschluß der Fakultät vom 22. Dezember 1908 hatte Erfolg. Nach Befürwortung des fb. Ordinariates Seckau vom 8. Februar 1909 und der k. k. Statthalterei der Steiermark vom 27. Februar 1909 landete der Akt im k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht. Am 3. August 1910 wurde Ude mit Wirkung vom 1. Oktober 1910 zum ao. Professor für Spekulative Dogmatik ad personam ernannt. Im Jahre 1917 erfolgte dann die Ernennung zum o. Professor. In den Studienjahren 1919/20 und 1924/25 bekleidete er das Amt des Dekans. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte er noch an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (Dr. rer. pol. 1924). Somit führte er insgesamt vier Doktortitel.

DIE UDE-PROMOTION

Am 24. Oktober 1907 sollte Ude (Cl) zum dritten Doktor (Dr. phil.) promoviert werden. Sein Wunsch war es, daß die aktive Carolina an diesem Akt teilnimmt. Der Rektor erlaubte nun, daß für die Promotion Udes der Senior in Wichs, aber ohne Schläger, und die übrigen Carolinen in Farben erscheinen können. Ude beschreibt die Ereignisse folgendermaßen:

„Im Jahre 1907, als ich nach der Verabredung mit dem Rektor mit meinen Bundesbrüdern von der Carolina an der Universität vorfahren wollte, war die ganze freisinnige Studentenschaft beider Grazer Hochschulen aufgeboten; es gab einen wüsten Überfall, bei dem Blut floß; wir wurden nicht in die Universität eingelassen; der Rektor und die Professoren sahen von oben dem wüsten Treiben zu, ohne einen Finger zu rühren. Rasch entschlossen fuhr ich am nächsten Tag nach Wien und bat Lueger, den Führer der Christlichsozialen Partei, um Hilfe. In der gesamten Presse des Inlands und selbst im Ausland gab es scharfe Auseinandersetzungen für und gegen. Mein Name wurde, ohne daß ich es wollte, bekannt.“


Unter der Verletzten befand sich u. a. auch der Chefredakteur des „Grazer Volksblattes“, Karl Schwechler (Cl EM). Da unter diesen Umständen eine Promotion nicht durchgeführt werden konnte, gab Ude das Zeichen zur Rückfahrt, auf der sie ebenfalls bis zum Glacis hin insultiert wurden. Faule Eier wurden geworfen, Spottlieder gesungen, aber die Polizei war wie immer machtlos. Die Folge waren politische Interventionen bei Karl Lueger (Nc EM) und beim k. k. Ministerpräsidenten Max Vladimir Frhr. von Beck, um gegen diese Behandlung zu protestieren. Christlichsoziale Reichsratsabgeordnete richteten eine Interpellation an den Unterrichtsminister. Der Grazer Rektor wurde nach Wien zur Berichterstattung gerufen.

Vom 16. bis 19. November 1907 fand in Wien ein allgemeiner österreichischer Katholikentag, bei dem dieser Vorfall behandelt wurde. Eine entsprechende Resolution wurde verabschiedet. In der Folge eskalierte diese Promotion in einer Art Kettenreaktion zu einem der größten Hochschulskandale in der österreichischen Geschichte, dem sog. „Wahrmund-Jahr 1907/08“, der sich erst am Ende des Sommersemesters 1908 beruhigte. Ude wurde im Verlaufe dessen im katholischen Milieu österreichweit, zum Teil auch international, bekannt und zu einem Symbol im Kampf um die Gleichberechtigung katholischer Studenten und Verbindungen auf Hochschulboden. Seine Promotion wurde dann unter Ausschluß der Öffentlichkeit nachgeholt.

UDE ALS POLITISCHER AUSSENSEITER

Möglicherweise waren es die Ereignisse des Herbst 1907, die seinem Leben eine andere Richtung gaben. Bereits seit 1907 begann Ude, vegetarisch zu leben und ab 1910 gegen den Alkoholismus anzukämpfen. Seine Haltung bekam zunehmend lebensreformerische Züge, wobei die Ideen der Jugendbewegung vor 1914 durchaus auf ihn Einfluß gehabt haben dürften. Der Erste Weltkrieg verstärkte dieses Engagement noch. So war er u. a. Ende November/Anfang Dezember 1914 freiwilliger Helfer (Seelsorger) bei einem Transportzug des Malteser-Ordens dabei, der Verwundete von der galizischen Front nach Wien brachte. Der Kampf gegen Alkohol, Nikotin, Prostitution, Kapitalismus und Militarismus bzw. für den Frieden wurde nun zum Eckpfeiler seiner Anschauungen.

Noch war seine Bekanntheit aus der Zeit der Hochschulkämpfe vor dem Ersten Weltkrieg derart, daß man seitens der Christlichsozialen überlegte, Ude 1919 als Spitzenkandidat für den Wahlkreis Graz zu den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung aufzustellen. Die Parteileitung verlangte jedoch ein Abrücken von seinem extremen Kurs, was er jedoch ablehnte, so daß die Kandidatur zurückgezogen wurde. Dieser Umstand trug sicherlich auch zur Verhärtung in der Person Udes bei, der in seinen programmatischen Ansichten noch weiter ging.

Mitte der zwanziger Jahre trat nun Ude in die politische Arena. Im April 1926 gründete er den „Wirtschaftsverein für Österreich“. Die Programmatik dieses wahlwerbenden Vereins fußte auf seinen bisherigen Ideen sowie auf sozialromantischen Vorstellungen, die durchwegs auch populistische Züge trugen. Im Juni/Juli 1926 kam es bereits zu ersten Beanstandungen und zu einem Verbot der politischen Tätigkeit durch das Seckauer Ordinariat. Das betreffende Schreiben, es trug die Unterschrift des damaligen Generalvikars Franz Frhr. von Oer (Cl EM), nahm eindeutig für die Christlichsozialen als einzige katholische Partei Stellung. Ude durfte nicht mehr reden, er mußte auch den Vorsitz beim Wirtschaftsverein zurücklegen.

Für die Wahlen am 24. April 1927 war er zwar zuerst als Spitzenkandidat in allen Wahlkreisen vorgesehen, mußte aber ebenfalls seine Kandidatur zurücknehmen. Besonderen Druck übte in dieser Frage Bundeskanzler Ignaz Seipel (Nc, Cl EM) aus. Bei den Nationalratswahlen 1927 erhielt der Wirtschaftsverein rund 35.000 Stimmen und keinen Sitz, jedoch zwei Mandate bei den zu gleicher Zeit stattgefundenen steirischen Landtagswahlen. Die Maßregelungen gegen Ude gingen trotz der Wahlniederlage weiter. 1929 wurde das Redeverbot bestätigt, ab 20. Januar 1930 durfte er vor Priesteramtskandidaten nicht mehr lesen, und am 30. April 1934 wurde er als Professor beurlaubt. Seine „Partei“ trat 1930 dem „Nationalen Wirtschaftsblock“ (Schober-Block) bei und verlor jede Bedeutung. Er gehörte auch der 1929 von Anton Orel (ehemals Nc) gegründeten „Studienrunde katholischer Soziologen“ an.

Der „Ude-Bund“ versuchte nach 1945 nochmals ein politisches Comeback und stellte Ude als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahlen 1951 auf, wo er nur 5.413 Stimmen erhielt. Bei diesen Wahlen war der Kandidat der ÖVP der damalige oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleißner (S-B)

Nach dem bisher vorliegenden Material über den „Ude-Bund“ und den Wirtschaftsverein ist eine weitere aktive Teilnahme von Carolinen bzw. CVern nicht nachzuweisen. Ude war seitdem innerhalb des Katholizismus ziemlich isoliert und wurde bespöttelt. So wurden seine Anhänger u. a. als „Udeoten“ bezeichnet. In der Geschichte Carolinas läßt sich aber nicht nachweisen, ob die Verbindung gegen Ude wegen seiner „abweichenden politischen Tätigkeit“ Maßnahmen ergriffen hat. Ein offizielles Verfahren vor dem Verbindungsgericht gab es weder 1926/27 noch 1951.

DIE ZEIT VON 1938 BIS 1945

Ude hatte sich in der Zeit des „Ständestaates“, von dem er enttäuscht war, weil er u. a. nicht entschieden gegen die Prostitution vorging, dem Nationalsozialismus genähert und begrüßte den Anschluß, für den er anläßlich der Anschluß-Volksabstimmung werbend durchs Land zog. Die Umkehr kam jedoch mit der „Reichspogromnacht“ am 9./10. November 1938. Ude schrieb dem Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart und dem steirischen Gauleiter flammende Protestbriefe, die im Frühjahr 1939 sogar in einer Pariser Emigrantenzeitung veröffentlicht wurden. In diesen wandte er sich scharf gegen das „banditenhafte“ Vorgehen der Nazis. Deswegen wurde er innerhalb von acht Tagen aus dem Gau Steiermark verbannt und zog an den Grundlsee, der damals zum Gau „Oberdonau“, jedoch noch zur Diözese Seckau gehörte. Als Universitätsprofessor wurde er nun endgültig in den Ruhestand versetzt.

Im September 1939 wurde Ude aufgrund einer Äußerung gegen die nationalsozialistische Jugenderziehung in einer Predigt verhaftet und ohne Gerichtsbeschluß bis Ende Oktober in Linz festgehalten. Am 24. Juni 1944 nahm er ein russisches Mädchen in die katholische Kirche auf, weswegen er am 1. August 1944 neuerlich verhaftet wurde. Jedoch nicht deswegen, sondern wegen seiner Schrift „Über den Weg zum allgemeinen Frieden“ wurde er dann wegen „Wehrkraftzersetzung“ und „Feindbegünstigung“ angezeigt. Er war zuerst im LG Linz, dann im Gefängnis Wels, wo er die Zelle mit dem früheren Linzer Bürgermeister Wilhelm Bock (Nc) teilte. Ende April 1945 kam er frei. Er hätte bei einem Gerichtsverfahren, zu dem es aber nicht mehr kam, mit dem sicheren Todesurteil rechnen müssen.

ABSCHLIESSENDE WÜRDIGUNG

Ude wurde von einigen bzw. wenigen verehrt und geachtet, jedoch auch von vielen bekämpft und belächelt. Es ist bedauerlich, daß seine unbestrittenen Leistungen für die Gleichberechtigung katholischer Studenten vor 1914 durch seine späteren extremen bzw. nicht mehrheitsfähigen Ansichten verschüttet wurden.

Ude entfaltete gerade auch wegen seiner politischen Tätigkeit eine umfangreiche publizistische Aktivität. Über 130 Bücher und Broschüren, mehr oder minder wissenschaftlicher Natur, sind von ihm erschienen. Die wichtigsten sind nachstehend aufgeführt. Ude wurde zum Ehrenbürger der Gemeinde Grundlsee ernannt, wo er auch begraben ist.

Werke:

(Auswahl)
Beiträge zur Anatomie der Süßwassertrikladen (1908).
Ethik. Leitfaden der natürlich-vernünftigen Sittenlehre (1912).
Die Erschaffung der Welt (1923).
Materie und Leben (1923).
Das Wirtschaftsideal des Volks- und Staatshaushaltes: Eine Monographie des Volks- und Staatshaushaltes vom nationalökonomisch-ethischen Standpunkt aus auf der Grundlage christlicher Lebensreform (rer. pol. Diss. 1924).
Der ideale Staatsbürger und seine Wirtschaftsethik (1928).
Soziologie: Leitfaden der natürlich-vernünftigen Gesellschafts- und Wirtschaftslehre im Sinne der Lehre des hl. Thomas von Aquin (1931).
Die Lösung der sozialen Frage durch Christus (1932).
Das Geld: Sein Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur (1935).
Du sollst nicht töten! (1948).

Quellen und Literatur:

Academia 27 (1914/15), S. 627–631.
Liebmann, Maximilian (Cl): Prof. Ude, sein Leben und sein Wirken. Vortrag in Bad Aussee, 6. 7. 1980. Hrsg. von der Ude-Friedensgemeinschaft. Wien 1980.
Ders.: DDDDr. Johann Ude (1874–1965)–Prophet oder Querulant?, in: Die Karl-Franzens-Universität, Fünfjahrbuch 3, Graz 1982, SS. 74ff.
Ders.: Die „Reichskristallnacht“ – Johannes Ude war nicht zu feige, in: Domus Austriae. Eine Festgabe für Hermann Wiesflecker zum 70. Geburtstag. Hg. von Walter Höflechner u. a. Graz 1983, SS. 263–272.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, 96f., 237f. und 324f.
Karner, Christof: Katholizismus und Freiwirtschaft - das Lebensreformprogramm des Johannes Ude. Frankfurt/Main 2002.
Hartmann, Gerhard (Baj) – Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 125 Jahre Carolina 1888 bis 2013. Graz 1913, S. 360f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 362–366.