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Gym.-Dir. i.R. HR Dr. Werner Tschulik

Gym.-Dir. i.R. HR Dr. Werner Tschulik

Urverbindung: Franco-Bavaria (17.06.1913)

Bandverbindungen: NbW

Geboren: 11.10.1893, Plan (Bezirk Plan, Königreich Böhmen; nunmehr Planá u Mariánských Lázní, Tschechien)
Gestorben: 18.07.1970, Rekawinkel (Gemeinde Pressbaum, Bezirk St. Pölten Land, Niederösterreich)
Gymnasialdirektor, Literaturwissenschaftler

Lebenslauf:

Tschulik wurde als Sohn eines Volksschullehrers geboren. Nach der Volksschule in Plan besuchte er zuerst die ersten drei Klassen des Gymnasiums in Leitmeritz (Litomerice, Böhmen), um dann nach Wien-Josefstadt an das Piaristengymnasium zu wechseln, wo er 1912 maturierte. Danach begann er das Studium der Klassischen Philologie, der Archäologie und Germanistik an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien (Dr. phil. 1917 in klassischer Archäologie, 1918 Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch, 1923 Lehramtsprüfung in Deutsch), wo er der Franco-Bavaria beitrat (Couleurname Reineke).

Im selben Jahr wurde auch Engelbert Dollfuß (F-B) bei der Franco-Bavaria rezipiert. Da Tschulik nicht zur k. u. k. Armee eingezogen wurde, bekleidete er im Wintersemester 1914/15 sowie in den Sommersemestern 1916 und 1917 das Amt des Seniors sowie in den Wintersemestern 1915/16 und 1916/17 das Amt des Fuchsmajors. Einer seiner Leibfüchse war Franz Pongratz (ehemals F-B).

Nach dem Umsturz Anfang November 1918 nahm Tschulik eine promonarchistische Haltung ein. In zwei Beiträgen in der „Academia“ vertrat er die Auffassung, daß über die Staatsform eine Volksabstimmung stattfinden müsse. Außerdem kritisierte er den raschen Gesinnungswandel. „Es ist leider eine betrübende Erscheinung, daß im deutschen Bürgertume eine weitreichende Gesinnungslosigkeit zutage tritt, daß heute viele im Brusttone der Überzeugung die Republik als alleinseligmachende Staatsform preisen, die sich noch gestern mit Kaiserhochs die Kehle heiser schrien.“

Bei einer Veranstaltung der katholischen Studentenschaft, hauptsächlich die des CV, am 9. Februar 1919 in Wien sprach sich Tschulik als einziger gegen den Anschluß an das Deutsche Reich und für eine Donauföderation aus. In diesem Zusammenhang ist auch die Bandverleihung der Nibelungia Wien an Tschulik im Jahr 1925 zu sehen. Diese Verbindung wurde durch Ernst Karl Winter (NbW) und Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg (Tt, NbW) legitimistisch bzw. monarchistisch geprägt.

Von 1917 bis 1922 war Tschulik Supplent an den Staatsgymnasien in Wien-Josefstadt (Piaristengymnasium) und Wien-Meidling (Rosasgasse). Von 1922 bis 1936 war er als wirklicher Lehrer am Realgymnasium in Wien-Floridsdorf (Franklingasse) tätig. Während dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Methodik des Deutschunterrichts und veröffentlichte dazu einige Aufsätze.

Mit 1. August 1936 wurde Tschulik zum Direktor des Piaristengymnasium ernannt. Im Zuge des Anschlusses wurde er am 13. März 1938 seines Postens enthoben und mit Ende Mai 1938 in den Ruhestand versetzt, wobei seine Pension auf 3/4 verkürzt wurde. Während der nationalsozialistischen Herrschaft war er bei mehreren Privatfirmen als Buchhalter tätig und wurde einmal von der Gestapo vorgeladen. Nach der Befreiung Österreichs wurde er mit Wirkung 1. Mai 1945 rehabilitiert und als Direktor des Piaristengymnasiums wieder eingesetzt. Als solcher ging er Ende 1958 in Pension. Er erhielt 1949 den Berufstitel Hofrat verliehen.

Nach 1945 setzte Tschulik seine rege publizistische Tätigkeit auf dem Gebiet der deutschen Literaturwissenschaft mit Blick auf die Umsetzung im gymnasialen Unterricht fort (siehe unten Publikationsverzeichnis). Vor allem ist hier zu nennen „Die österreichische Dichtung im Rahmen der Weltliteratur“, die erstmals 1949 erschienen ist und sieben Auflagen erlebte (zuletzt 1963). Dieser Überblick war bis in die sechziger Jahre ein wichtiger Behelf für den Deutschunterricht in der gymnasialen Oberstufe.

Tschuliks Ansatz war die Hervorhebung des österreichischen literarischen Schaffens und ist in Fortsetzung der im „Ständestaat“ bis 1938 forcierten besonderen Betonung der österreichischen Eigenart zu sehen, die im Zusammenhang mit der damaligen Generierung einer spezifischen „Österreich-Ideologie“ stand, mit der man dem nationalsozialistischen Einfluß begegnen wollte. Dies setzte sich nach 1945 mit dem Bemühen fort, die Anschluß-Ideologie in der österreichischen Bevölkerung zurückzudrängen, Dies geschah vor allem in der Bildungs- und Kulturpolitik unter der Ägide des damaligen Unterrichtsministers Felix Hurdes (NbW EM). Einen ähnlichen Ansatz verfolgte auch das 1948 erschienene „Österreich-Buch“ von Ernst Marboe (Baj).

Auch wenn Tschuliks „Österreichische Dichtung im Rahmen der Weltliteratur“ nicht immer heutigen wissenschaftlichen Kriterien entspricht und die spätere Kritik u. a. seinen allzu starken katholischen Ansatz bemängelt, war sie ein wichtiger Beitrag zur Selbstfindung Österreichs nach 1945. Mit diesem seinem Hauptwerk ist ihm „ein Beitrag zur Bildung eines österreichischen Nationalbewusstseins gelungen, der auf dem Hintergrund seiner Entstehungszeit größer gewesen sein mag, als wir das heute sehen“ (Sigurd Paul Scheichl).

Tschuliks Ehefrau Elisabeth war die Schwester von Generalmajor Friedrich Janata (F-B). Seine Söhne waren der Generalanwalt und ÖCV-Rechtspfleger Otto Tschulik (Nc) sowie der Journalist („Wiener Zeitung“) Norbert Tschulik (Nc). Seine Enkel sind Andreas Tschulik (Nc), Martin Tschulik (Nc) und Peter Tschulik (Nc). Er wurde auf dem Friedhof Wien-Hernals (78/13/20) beigesetzt.

Werke:

(Auswahl)
Grillparzers politisches Bekenntnis in seinen Dramen (Monatsschrift für Politik und Kultur 2, 1937).
Lesebuch der Weltliteratur für die fünfte Klasse der Mittelschulen (1. Aufl. 1947, 5. Aufl. 1956).
Minnelieder, Sprüche und Schwänke aus Österreich (1947).
Die österreichische Dichtung im Rahmen der Weltliteratur (1. Aufl. 1949, 7. Aufl. 1963),
Die antike Sage im Drama der Gegenwart (1955).
Mittelhochdeutsche Dichtung in Auswahl (1955, 2. Aufl. 1960).

Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Franco-Bavaria (eigenhändiger Lebenslauf Werner Tschuliks 1946).
Academia 31 (1918/19), 209f. („Deutsche Treue“) und 245f. („Reform der Seelen“).
Scheichl, Sigurd Paul: Der Beitrag von Werner Tschuliks Gymnasial-Literaturgeschichte zum österreichischen Nationalbewußtsein (1949), in: Synergies Pays germanophones (Evreux) 15 (2022), 73–84.
Hartmann, Gerhard: Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich. Wien–Kevelaer 2023, 345, 350 und 613f.