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Ferdinand Habel jr.

Ferdinand Habel jr.

Urverbindung: Babenberg Wien (10.06.1929)

Geboren: 14.04.1910, Wien
Gestorben: 03.02.1940, KZ Mauthausen
NS-Opfer, Student (cand. techn.)
Politische Haft: 1938 Polizeihaft, 1938/39 KZ Dachau, 1939/40 KZ Mauthausen

Lebenslauf:

Habel jr. wurde als Sohn des Domkapellmeisters am Wiener Stephansdom und Professors an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst, Ferdinand Habel sen. (Nc EM), geboren. Seine Mutter war Maria geb. Übelhör, eine Tante von Alfons Übelhör (Nc). In „Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step“ (http://stevemorse.org/dachau), einer genauen Auflistung aller Häftlinge des KZ Dachau, wird als Geburtsmonat der März angeführt, was jedoch unrichtig ist.

Habel jr. absolvierte nach der Volksschule das Privat-Realgymnasium des Marieninstituts in Graz (Kirchengasse), in dessen Internat er auch wohnte. Der Grund für die Grazer Schule liegt wahrscheinlich in den Umständen, daß seine Mutter 1926 verstorben war und seine Schwester in Graz bei ihrem Mann Hans Linhart (BbW) lebte. Nach der Matura 1928 begann er das Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Wien, wo er der Babenberg Wien beitrat (Couleurname Ingo). Dort war er im Sommersemester 1934 Senior.

Habel jr. gehörte zu den Teilnehmern der Kundgebung am 7. Oktober 1938 („Rosenkranzfest“) im Wiener Stephansdom, bei der der Wiener Erzbischof, Theodor Kardinal Innitzer (NdW), vor einigen Tausenden Jugendlichen predigte und die sich in ihrem Verlauf zu einer Manifestation gegen den Nationalsozialismus steigerte, die als solche im „Großdeutschen“ Reich einzigartig blieb. Am Tag darauf kam es zu einer organisierten Aktion von HJ-Rowdies gegen das Erzbischöfliche Palais. Interieur wurde beschädigt, Kardinal Innitzer mußte über einen Geheimgang in den Stephansdom entfliehen, und der Domkurat Johannes Krawarik (NbW) wurde im gegenüberliegenden Curhaus aus dem Fenster geworfen.

Die Berichte über die Verhaftung Habels sind in diversen Veröffentlichungen, darunter auch in „Dokumentation Babenberg“ und „Farbe tragen“, widersprüchlich und zum Teil auch falsch, so daß im folgenden dem Wortlaut nach aus dem vorhandenen Aktenmaterial zitiert wird.

Die Darstellung im Gauakt – Bericht der Gestapo Wien, Staatspolizeistelle Wien an die Gauleitung Wien am 31. Oktober 1938 – lautet: „Am 10. 10. 1938 hielt Habel an eine Gruppe von etwas 50 Personen eine Ansprache, in der er für den Kardinal Innitzer Partei nahm. Bei dieser Ansprache sagte er u. a., daß die von Kardinal Innitzer gehaltene Predigt der Wahrheit entsprochen habe. Zu den Vorfällen vom Samstag, dem 8. 10. 1938, äußerte Habel, diese seien den bolschewistischen Methoden gleichzustellen und ‚außer hier nur noch in Spanien möglich’.“

In der Intervention des damaligen Ordinariatskanzlers Josef Wagner (Am EM), später Prälat und Dompropst, vom 28. Januar 1939 an Generalstaatsanwalt Heinrich Welsch heißt es: „Ferdinand Habel ging einige Tage nach den Vorfällen am Stephansplatz mit seiner Braut am [Erzbischöflichen, Anm. d. Verf.] Palais vorbei, da hörte er, wie jemand den Kardinal einen Lausbuben nannte, er drehte sich um und sagte: ‚Wenn ein Mann über 60 Jahre alt ist, nennt man ihn nicht Lausbuben, auch glaube ich, daß die Stürmung von Häusern und Zerstörung, so wie Angriffe auf Personen nur in Spanien möglich sind.’ Sofort stürzten sich vier Zivilisten auf ihn, nahmen ihn fest und übergaben ihn einem Wachmann. Er war vom 10. 10. – 10. 12. 1938 in Polizeihaft und kam am 11. 12. 1938 nach Dachau.“ (Die Hinweise auf Spanien bezogen sich auf den damals noch tobenden Spanischen Bürgerkrieg, wo seitens der Republikaner zahlreiche Priester und Ordensleute willkürlich ermordet wurden.)

Als Kern beider Aussagen kann man wohl festhalten, daß Habel am Montag, dem 10. Oktober 1938, öffentlich im Bereich Stephansplatz Kardinal Innitzer verteidigte und die Aktionen am 8. Oktober 1938 kritisierte. Daraufhin wurde er verhaftet. Seine Verhaftung stand daher nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Kundgebung bzw. der Ausschreitungen, sondern nur in einem mittelbaren. Am 10. Dezember 1938 wurde er ins KZ Dachau überstellt.

Aufgrund der vorübergehenden Verwendung des KZ Dachaus als Ausbildungslager für eine SS-Totenkopf-Division wurde Habel am 27. September 1939 in das KZ Mauthausen gebracht, wo er im Steinbruch arbeiten mußte. Versuche zu seiner Freilassung scheiterten „wegen schlechter Führung“ im Lager. Auch Generalstaatsanwalt Welsch befürwortete eine solche, konnte sich aber gegenüber der Gestapo nicht durchsetzen, die u. a. darauf hinwies, daß während des Krieges keine Haftentlassungen vorgenommen werden.

Nach vier Monaten in Mauthausen erlag Habel trotz Bemühungen des „Sanitätscapos“ Karl M. Stepan (Nc) an Hungertyphus. Nach Hermann Lein ist er schlichtweg verhungert. Hans Schmitz (Nc) ist mit der Braut Habels zum KZ Mauthausen gefahren, nachdem der Lagerkommandant dessen Tod mitgeteilt hatte. Schmitz konnte die Leiche von Habel sehen und sie dabei nicht mehr wiedererkennen. Der Leichnam wurde verbrannt und die Urne der Familie zugesandt. Sie wurde im Familiengrab am Hernalser Friedhof bestattet. Beim Begräbnis brachte Emmerich Czermak (NdW), einer der Gründer Babenbergs, einen Kranz in deren Farben mit und gab Habels Band und Mütze ins Grab.

Eine der Schwestern Habels heiratete Hans Schmitz (Nc) und ist die Mutter von Wolfgang Schmitz (Nc) und Georg Schmitz (Nc), eine andere Schwester ist die Mutter des späteren Diplomaten Norbert Linhart (Cl) sowie die Großmutter des späteren Außenministers Michael Linhart (BbW) und des späteren Bürgermisters von Bregenz Markus Linhart (BbW) und die Schwiegermutter des Dermatologen Hans Kresbach (Cl).

Habel wurde 1965 im Ehrenbuch der Technischen Hochschule Wien als „Opfer des Widerstand“ eingetragen.

Quellen und Literatur:

Lein, Hermann: Als „Innitzergardist“ in Dachau und Mauthausen. Ein Rückblick zum 50. Jahrestag. Wien 1988.
Mitteilung (Email) von Georg Schmitz (Nc) vom 9. 6. und 18. 9. 2005 sowie vom 10. 8. 2013 an den Verfasser. Schmitz besitzt zu Habel jr. ausführliches Quellenmaterial: ÖStA. Gauakten. GA. 271.292.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 451 und 461.
Dokumentation KHV Babenberg Wien. 1910 – 2010. Wien 2010, S. 58f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 102 (verfaßt von Georg Schmitz).