Wartungsfunktionen

Vz.Bgm. Landmarschall Stv. LAbg. RA Dr. Joseph Porzer

Vz.Bgm. Landmarschall Stv. LAbg. RA Dr. Joseph Porzer

Ehrenmitgliedschaften: Austria-Wien

Geboren: 01.11.1847, Wien
Gestorben: 28.05.1914, Wien
Vizebürgermeister (Wien), Landmarschall-Stellvertreter (Niederösterreich), Landtagsabgeordneter (Niederösterreich), Rechtsanwalt, Mitglied des Staatsgerichtshofes

Lebenslauf:

Porzer absolvierte 1865 in Wien das Gymnasium und studierte anschließend an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (abs. iur. 1869, Dr. iur. 1877). Nach seinem Studium begann er die Rechtsanwaltslaufbahn und war ab 1877 selbständiger Rechtsanwalt („k. k. Hof- und Gerichtsadvokat“).

Obwohl seine Mutter Jüdin war, war Porzer gläubiger Katholik und engagierte sich beim aufstrebenden Politischen Katholizismus. Gleich bei der Gründung kam er in Kontakt zur Austria Wien und wurde relativ bald ihr Ehrenmitglied. Als anerkannter Jurist wurde er 1880 vom Reichsrat zum Mitglied des Staatsgerichtshofes gewählt. Dieser war in der Monarchie u. a. für Ministeranklagen zuständig.

In den folgenden Jahren wandte sich Porzer den Christlichsozialen unter Karl Lueger (Nc EM) zu. Er wurde 1895 in den Wiener Gemeinderat gewählt, dem er bis zu seinem Tod angehörte. 1905 wurde er zum Zweiten Vizebürgermeister und 1910 zum Ersten. Vizebürgermeister von Wien gewählt. In beiden Funktionen war er jeweils der Nachfolger von Josef Neumayer (Rd EM), der 1910 Nachfolger Luegers als Bürgermeister von Wien wurde. Porzer war dafür auch im Gespräch. Sein Nachfolger als Zweiter Bürgermeister wurde Heinrich Hierhammer (Rd EM).

Neben der Kommunalpolitik engagierte sich Porzer auch in der Landespolitik. 1902 kandidierte er bei den Wahlen zum niederösterreichischen Landtag, wurde gewählt und gehörte ihm vom 19. Dezember 1902 bis zu seinem Tod an. Nach dem Rücktritt von Josef Neumayer als Landmarschall-Stellvertreter wurde Porzer am 23. Februar 1913 in dieses Amt gewählt, welches er bis zu seinem Tod bekleidete. In Niederösterreich hieß in der Monarchie der Landeshauptmann Landmarschall, wobei in diesem Amt der Vorsitz im Landesausschuß (Vorform der Landesregierung) wie im Landtag (Landtagspräsident) vereinigt war. Der Landmarschall-Stellvertreter war lediglich der Vertreter des Landmarschalls in seiner Funktion als Landtagspräsident.

In seiner Zeit als Vizebürgermeister war Porzer vor allem mit Rechtsfragen betraut. So schuf er u. a. die Einrichtung der städtischen Vormünder sowie den städtischen Waisenrat. Auf seine Initiative ging vor allem die Gründung der Kaiser Franz-Joseph-Lebens- und Renten-Versicherungsanstalt zurück (heute Wiener Städtische Versicherung). Auch war er bei der Errichtung der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien und der Übernahme der Gaswerke beteiligt. Er war auch Kurator der Niederösterreichischen Landeshypothekenanstalt, Mitglied des Niederösterreichischen Landeseisenbahnrates sowie Gründer und langjähriger Vizepräsident des Katholischen Schulvereins für Österreich. Darüber hinaus engagierte er sich auch in der Österreichischen Leo-Gesellschaft.

Porzer war, wie bereits erwähnt, Halbjude, jedoch katholisch getauft und als solcher auch bekennender Katholik. Daß er von Lueger 1905 zum Vizebürgermeister nominiert wurde, zeigt dessen ambivalentes Verhältnis zu seinem Antisemitismus bzw. zu dem in der Christlichsozialen Partei, der ihm bis heute vorgehalten wird. Anläßlich der Nominierung Porzers wurde Lueger von rassenantisemitischen Zirkeln stark angegriffen. Dabei war Porzer kein Einzelfall bei den Christlichsozialen. Ein anderer Vizebürgermeister, Heinrich Hierhammer (Rd EM), hatte eine jüdische Frau, und der spätere christlichsoziale Finanzminister Viktor Kienböck war ebenfalls Halbjude. Interessant ist es jedenfalls, daß unter Bürgermeister Lueger zwei von den drei Vizebürgermeistern „jüdisch versippt“ waren, wie sich die Nazis abschätzig auszudrücken pflegten. Das wirft insgesamt ein differenzierteres Bild auf den antisemitischen Kurs Luegers und der Christlichsozialen Partei. Der oft holzschnittartig gegen diese vorgebrachte Antisemitismus-Vorwurf erscheint somit in einem etwas anderen Licht.

Porzer, der eine Zeitlang Honorar-Generalkonsul von Monaco war, wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben. Die Austria Wien veranstaltete am 23. Juni 1914 für ihn einen Trauerkommers.

Quellen und Literatur:

Academia 27 (1914/15), S. 180 und 210.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 8, Wien 1983, S. 215.
Krause, Otto: Biographisches Handbuch des nö. Landtages 1861–1921 (online: Landtag Niederösterreich). St. Pölten 1995. Boyer, John W.: Karl Lueger (1844–1910). Christlichsoziale Politik als Beruf. Eine Biographie (= Studien zu Politik und Verwaltung Band 93). Wien 2010, S. 258 und 327f.