Lebenslauf:
Ludwig Karl Adamovich wurde als Sohn des Ludwig Baron von Adamovich de Csepin geboren. Dieser entstammte einer altösterreichischen bzw. slawonischen Adelsfamilie aus der Gegend von Esseg (Osijek, Eszék), das nunmehr zu Kroatien gehört. Adamovich sen. (1890–1955) war Verfassungsjurist und zuletzt in diesem Fach Professor an der Universität Wien. Im „Ständestaat“ war er Mitglied des Staatsrats und 1938 kurzzeitig Justizminister in der letzten Regierung von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (AIn). Von 1946 bis zu seinem Tod war er Präsident des Verfassungsgerichtshofes.
Die Kindheit von Adamovich war geprägt von dem Umstand, daß sein Vater im Zuge des Anschlusses ohne Erlaubnis einer anderen Beschäftigung in den Ruhestand versetzt wurde. Er besuchte das Akademische Gymnasium in Wien und begann nach der Matura im Jahr 1950 das Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. jur. 1954). Nach einem verkürzten Gerichtsjahr trat er in den Dienst der Niederösterreichischen Landesregierung, um mit 1. Oktober 1956 in den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zu wechseln. Nebenher begann er eine wissenschaftliche Laufbahn und habilitierte sich 1973 bei Walter Antoniolli (Nc) für Staats- und Verfassungsrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.
Bereits 1974 wurde Adamovich zum Professor für Öffentliches Recht an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz berufen. Assistent an diesem Institut war Wolfang Mantl (Nc), der sich 1975 bei ihm habilitierte. Adamovich blieb jedoch nicht lange in Graz. Nachdem am 1. Oktober 1976 der bisherige Leiter des Verfassungsdienstes Willibald Pahr zum Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten ernannt worden war, betraute Bundeskanzler Bruno Kreisky Adamovich mit der Leitung der Sektion Verfassungsdienst im Bundekanzleramt, d. h., er wurde als Universitätsprofessor dem Bundeskanzleramt vorerst dienstzugeteilt. Die Ernennung zum Sektionschef erfolgte 1977. Als solcher ging er mit 30. April 1997 in den Ruhestand. Seine Ernennung steht in Zusammenhang mit den im Bundeskanzleramt zeitlich ähnlich (1977/78) vorgenommenen Sektionschefernennungen von Josef Stierschneider (Baj), Lukas Beroldingen (Nc) und Herbert Neumayer (F-B), die beachtlicherweise alle von einem SPÖ-Bundeskanzler beantragt wurden.
Adamovich wurde mit 1. Januar 1984 zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes ernannt. Es war bislang einmalig, daß sowohl Vater als auch der Sohn diese Position innegehabt hatten. Diese Funktion übte er bis Ende 2002 aus, nachdem er das 70. Lebensjahr vollendet hatte. Sein Nachfolger als Präsident wurde Karl Korinek (F-B EM). 1992 erhielt Adamovich den Berufstitel eines ordentlichen Universitätsprofessors verliehen, nachdem er 1977 den Amtstitel ordentlicher Universitätsprofessor abgeben mußte.
Bedeutung erlangte Adamovich durch seine zahlreichen Forschungen und Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Allgemeinen Staats- und Verfassungslehre (Gewaltenteilung, aktuelle Probleme der Demokratie, des Rechtsstaates und des Föderalismus), der Rechts- und Staatsphilosophie sowie der Verwaltungswissenschaft. Er befaßte sich auch mit Fragen der Gesetzestechnik, Gesetzesflut, Rechtsbereinigung sowie mit legistischen Richtlinien und gab zahlreiche Hand- und Lehrbücher zum Öffentlichen Recht heraus (siehe nachstehende unter Werke).
Nach der Wahl Heinz Fischers 2004 zum Bundespräsidenten hat dieser Adamovich gebeten, als Berater für verfassungsrechtliche Fragen in der Präsidentschaftskanzlei mitzuarbeiten. Dieser hat der Bitte entsprochen und war in dieser Funktion ehrenamtlich tätig. Er kam fast täglich in die Präsidentschaftskanzlei und verfaßte für den Bundespräsidenten aus verfassungsrechtlicher Perspektive Notizen zu Gesetzesbeschlüssen und zu aktuellen politischen Diskussionen. Auf Ersuchen erstellte er Stellungnahmen und konzipierte Antworten zu Briefen und Reden verfassungsrechtlichen Inhalts.
Diese Tätigkeit setzte Adamovich auch bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen ab 2017 fort. Ein Höhepunkt waren sicherlich die Vorgänge Ende Mai 2019, als durch das sog. Ibiza-Video die Regierung Sebastian Kurz durch ein Mißtrauensvotum gestürzt wurde und es zu einem übergangsweisen Präsidialkabinett von Brigitte Bierlein gekommen ist. In diesem Zusammenhang kam es zu der Äußerung Van der Bellens von der „Eleganz“ der österreichischen Verfassung. Solange es sein gesundheitlicher Zustand zuließ, kam Adamovich bis zuletzt täglich in die Hofburg, wo er ein Büro hatte. Zusätzlich war er von 2013 bis 2017 Vorsitzender des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senates sowie Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Adamovich wurde bei zwei Angelegenheiten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die erste war eine Auseinandersetzung mit dem damaligen Landeshauptmann von Kärnten Jörg Haider im Jahr 2001, der ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Kärntner Ortstafelstreit nicht akzeptieren wollte. Dabei wurde Haider gegenüber Adamovich übergriffig. So deutete er u. a. seine familiäre slawonische Herkunft dahingehend, daß Adamovich ein Slowene und damit befangen sei.
Die zweite war die Affäre um die Entführung von Natascha Kampusch. Adamovich wurde 2008 vom Innenministerium zum Leiter einer Evaluierungskommission berufen, die diesen Entführungsfall aufarbeiten sollte, ob es beim Verschwinden Ermittlungspannen gegeben hätte. Ende 2009 äußerte er sich in der Öffentlichkeit kritisch über die Familienverhältnisse der Entführten, woraufhin deren Mutter gegen ihn Klage wegen übler Nachrede erhob. In erster Instanz wurde er verurteilt, jedoch wurde Ende 2010 das Urteil vom Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz aufgehoben.
Die Austria Innsbruck verlieh ihm am 18. Juni 2011 die Ehrenmitgliedschaft (Couleurname Cusanus). Am 1. Juli 2024 fand das Requiem in der Wiener Schottenkirche statt, bei welchem u. a. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Christoph Grabenwarter gesprochen haben. Bestattet wurde Adamovich am 4. Juli in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die Einsegnung nahm Michael Landau (Alp EM) vor, wobei u. a. der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer und der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes Gerhart Holzinger (R.-J) Ansprachen gehalten haben.
Werke:
(Auswahl)Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts (6. Aufl. 1971).
Allgemeines Verwaltungsrecht (1980, 3. Auf. 1987).
Österreichisches Verfassungsrecht. Verfassungsrechtslehre unter Berücksichtigung von Staatslehre und Politikwissenschaft (1982, 3. Aufl. 1987)
Österreichisches Staatsrecht. Vier Bände (1997–2009; 2. Aufl. 2011–2017; 3. Aufl. an 2014).
Eine neue Republik? Gedanken zur Verfassungsreform (2004).
Der Weg zum allgemeinen und gleichen Wahlrecht. Wien (2008).
Quellen und Literatur:
Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner Am, Mitteilung 17. 6. 2024).Adamovich, Ludwig: Erinnerungen eines Nonkonformisten. Wien 2011 (Autobiographie).
Mitteilung Heinz Hafner (Am), 18. 6. 2024.
https://www.derstandard.at/story/3000000224576/frueherer-vfgh-praesident-adamovich-gestorben