Lebenslauf:
Rudigier wurde als Sohn eines Landwirts, Schuhmachers und Mauteinhebers geboren. Bei Wikipedia und Slapnicka (siehe unten) u. a. wird als Geburtsdatum der 7. April angegeben, der Linzer Diözesanhistoriker Zinnhobler (siehe unten) nennt den 6. April. Ihm wird gefolgt. Nach Absolvierung des Gymnasiums und Lyzeums in Innsbruck trat er 1831 in das Brixener Priesterseminar ein und studierte an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt. Dort waren seine Studienkollegen u. a. die späteren Bischöfe von Brixen, Vinzenz Gasser, und St. Pölten, Joseph Feßler.
Am 12. April 1835 wurde Rudigier zum Priester geweiht. Auch sein älterer Bruder wurde Priester. Nach Seelsorgedienst („Frühmesner“) studierte er 1838/39 als Frequentant des Frintaneums an der Theologischen Fakultät der Universität Wien, um dann am 21. Juni 1839 zuerst provisorischer, dann am 28. Juni 1841 definitiver Professor für Kirchengeschichte und Kirchenrecht an der Hauslehranstalt in Brixen zu werden. Er wechselte die Fächer und wurde am 28. November 1842 Professor für Moraltheologie und am 9. Oktober 1843 für Erziehungskunde.
Mit 19. Februar 1845 wurde Rudigier zum Spiritualdirektor des Frintaneums in Wien ernannt. In dieser Funktion kam er mit Erzherzogin Sophie, der Mutter des späteren Kaiser Franz Josephs, in Kontakt. In den Jahren 1848 bis 1850 war er Propstpfarrer von Innichen (nunmehr Südtirol). Am 1. Februar 1850 wurde er zum Mitglied des Brixener Domkapitels und am 20. September 1850 zum Regens des dortigen Priesterseminars ernannt.
Am 19. Dezember 1852 wurde Rudigier von Kaiser Franz Joseph zum Bischof von Linz ernannt. Am 10. März 1853 erfolgte die päpstliche Bestätigung und am 5. Juni die Bischofsweihe. Nach der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis beschloß er 1855 den Bau eines neuen Linzer Domes. Rudigier bemühte sich um den weiteren innerkirchlichen Aufbau der noch relativ jungen Diözese und kümmerte sich vor allem um die Priesteraus- und -fortbildung.
Ab 6. April 1861 war Rudigier bis zu seinem Tod als Virilist Landtagsabgeordneter von Oberösterreich, wo er sich häufig zu Fragen, die die Kirche betrafen, zu Wort meldete und so in Konflikt mit der damaligen liberalen Mehrheit kam.
In einem Hirtenschreiben vom 7. September 1868 vertrat Rudigier die Weitergeltung des Konkordates und rief zum Widerstand gegen die sog. Maigesetze von 1868 auf (betreffend die Schul-, Ehe- und Konfessionsfrage). Auf Weisung des Statthalters wurde dieser Hirtenbrief beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft nahm nun Vorerhebungen gegen den Bischof auf, so daß er am 5. Juni 1869 durch die Wache vor Gericht geführt wurde. Am 12. Juli wurde er wegen Aufreizung zur Verachtung des Staates sowie „des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe“ zu zwei Wochen Arrest verurteilt, jedoch vom Kaiser am nächsten Tag amnestiert.
Damit war Linz plötzlich zum Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Liberalen und der katholischen Kirche bzw. Rudigier im ganzen deutschen Sprachraum geworden. Am Tag der Vorführung vor Gericht demonstrierte die katholische Bevölkerung von Linz, so daß man diesen Tag als Geburtsstunde der demokratischen Bewegung des österreichischen Politischen Katholizismus bezeichnet hat.
So kam es dann 1869 zur Gründung des Katholischen Volksvereins Oberösterreich, der bis 1933/34 die Basis des parteipolitischen Katholizismus in Oberösterreich darstellte und in dieser Art in Österreich einzigartig war, und 1870 zur Gründung des Katholischen Preßvereins. Ähnliche Gründungen gab es bald danach in den anderen Kronländern. Damit formierte sich der parteipolitische Katholizismus der Katholisch-Konservativen.
Rudigier wurde – ähnlich wie Ludwig Windthorst (AW EM) in Deutschland – in Österreich zum Symbol des katholischen Widerstands gegen die kulturkämpferischen Gesetze vom Mai 1868, die von der liberalen Mehrheit im Reichsrat durchgedrückt wurden. Kaiser Franz Joseph, mit dem Rudigier in Bad Ischl öfters zusammentraf, charakterisierte ihn in seiner ihm eigenen Art: „Er war ein guter, gewiß aber kein kommoder Bischof.“
Rudigier unterstützte den damaligen Studentenverein Austria seit 1877 und empfahl mehrmals den Beitritt zur Austria. Diese honorierte seine Unterstützung mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft.
Rudigier wurde im neuen Linzer Dom beigesetzt. Von seinem Nachfolger Franz Maria Doppelbauer (AW EM) wurde 1895 ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet, der sich seitdem schon lange hinzieht. Im April 2009 hat Papst Benedikt XVI. (Rup EM) in einem Dekret Rudigier den „Heroischen Tugendgrad“ zuerkannt, womit ein wesentlicher Schritt im Seligsprechungsverfahren erreicht wurde.
Werke:
(Auswahl)Bischof Rudigiers geistliche Reden. Hg. von Franz Doppelbauer, 2 Bände (1885/87).
Bischof Rudigiers Hirtenschreiben. Hg. von Franz Doppelbauer (1888).
Bischof Rudigiers politische Reden. Hg. von Franz Doppelbauer (1889).
Bischof Rudigiers kirchenpolitische Aktenstücke. Hg. von Doppelbauer (1890).
Quellen und Literatur:
Zinnhobler, Rudolf: Franz Joseph Rudigier, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Hg. von Erwin Gatz. Berlin 1983, 634–636.Slapnicka, Harry: Oberösterreich. Die politische Führungsschicht 1861 bis 1918 (= Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs 9). Linz 1983, 187–190.
Dopplinger, Heinz, in: Facit, Zeitschrift der K. Ö. St. V. Austria Wien, 29. Jg., Juli 2011, 10f.
Franz Joseph Rudigier (1811–1884), Bischof von Linz. Symposium anlässlich seines 200. Geburtstages. Hg. von Johannes Ebner und Monika Würthinger. Linz 2011.