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em. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Kosch

em. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Kosch

Urverbindung: Nibelungia (Brünn) zu Darmstadt (30.06.1899)

Geboren: 02.10.1879, Drahan (Bezirk Proßnitz, Mähren; nunmehr Drahany bzw. Prostějov, Tschechien)
Gestorben: 20.12.1960, Wien
Universitätsprofessor (Deutsche Literatur)

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Kosch wurde als Sohn eines mährischen Statthaltereibeamten geboren, dessen Familie aus Nordmähren stammte. Er besuchte die Gymnasien in Brünn und Nikolsburg (Mikulov). Nach seiner Matura begann er zuerst das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, wo er der Norica am 30. Juni 1899 beitrat. Dieses Rezeptionsdatum behielt er später bei Verbindungswechsel (siehe unten) bei. Kosch wechselte jedoch schon kurz nach Studienbeginn an die dortige Philosophische Fakultät, wo er Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte studierte.

Dieses Studium setzte Kosch zuerst in Breslau, wo er bei der Winfridia aktiv war, fort, ging dann aber nach Prag, wo er bei Ferdinandea aktiv wurde und wo er es beendete (Dr. phil. 1904). Nach seinem Studium schlug er die wissenschaftliche Laufbahn ein. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste ordnete er den Nachlaß Adalbert Stifters und richtete in Prag das Adalbert-Stifter-Archiv ein, der auch sein Dissertationsthema war. 1905 trat er in den Dienst der Universitätsbibliothek der deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag.

AKADEMISCHE LAUFBAHN

Aufgrund seiner Arbeiten rund um Adalbert Stifter wurde Kosch in Fachkreisen rasch bekannt und 1906 zum außerordentlichen Professor für deutsche Literatur an der katholischen Universität Freiburg/Schweiz ernannt. 1911 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Universitätsprofessor für deutsche Literatur an die Kaiser-Franz-Josephs-Universität Czernowitz, Bereits 1909 bekannte er sich in dem Buch „Die Deutschen in Österreich und ihr Ausgleich mit den Tschechen“ zu deutschnationalen Zielen, welche Haltung sich in den Jahren in Czernowitz verstärkte.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie mußte Kosch Ende 1918 Czernowitz verlassen und bekam eine Gastprofessur an der Montanistischen Hochschule in Leoben, bis er 1923 zum Professor für deutsche Literatur- und Theatergeschichte sowie Lexikographie an der katholischen Radboud-Universität in Nijmegen (Niederlande) ernannt wurde. Kosch blieb aber vorerst wohnsitzmäßig in Österreich, und zwar in Graz (auf der Ries), und pendelte zwischen Graz und Nijmegen. 1950 wurde er als Professor in Nijmegen emeritiert und lebte seitdem bis zu seinem Tod in Wien.

Wissenschaftlich beschäftigte sich Kosch vor allem mit Adalbert Stifter und Themen der Romantik. So gab er ab 1908 die große historisch-kritische Ausgabe sämtlicher Werke Joseph von Eichendorffs heraus. Sein eigentliches Lebenswerk stellen vor allem seine Lexika dar, die bis heute unentbehrliche Nachschlagewerke geblieben sind. Für den katholischen Bereich sind hier vor allem die beiden Bände „Das katholische Deutschland“ zu nennen. Auch nach seiner Emeritierung arbeitete er an der Herausgabe solcher Nachschlagewerke. Er hat diese lexigraphischen Arbeiten ohne einen Mitarbeiterstab im Wesentlichen alleine besorgt und dadurch einen wichtigen Beitrag für die biographische Absicherung einer hohen Zahl von historisch bedeutsamen Persönlichkeiten geleistet.

KOSCH UND DIE NIBELUNGIA BRÜNN

Obwohl Kosch bereits in Wien studierte und Fuchs bei der Norica war, gründete er am 15. November 1899 in seiner Heimatstadt Brünn bzw. an deren dortigen deutschen Technischen Hochschule die „Deutsche Burschenschaft katholischer Studenten Nibelungia“. Franz Hemala (Nc) und Josef Pultar (Nc), die auch aus Brünn stammten, unterstützten die Gründung. Das Schicksal meinte es aber mit der Nibelungia nicht gut, so daß sie 1901 suspendierte. Erst mit Hilfe des späteren Nationalratsabgeordneten Hubert Dostal (Nc), der dort Sekretär der Christlichsozialen Partei war, konnte sie Ende 1906 dauerhaft reaktiviert werden und änderte daraufhin ihren Namen in Katholisch Deutsche Studentenverbindung.

Nach weiteren Schwierigkeiten im Gefolge des Ersten Weltkriegs erfolgte nach 1918 durch Hans Lokscha (Nc), später tschechoslowakischer Abgeordneter, eine neuerliche Stabilisierung, so daß 1921 auf der Cartellversammlung in Linz die Nibelungia Brünn als 100. Verbindung in den CV aufgenommen wurde. Auf dieser Cartellversammlung hielt Kosch in den Farben der Winfridia Breslau eine eindringliche Rede für die Aufnahme.

KOSCH UND DER PRAGER CV

Kosch war Urmitglied der Norica und somit Mitglied des CV. Die Tatsache, daß er die Nibelungia Brünn gegründet hatte, war für seinen CV-Status vorerst unerheblich. Von Wien wechselte er zum Studium nach Breslau, wurde dort bei Winfridia verkehrsaktiv und erhielt deren Band. Danach ging er zum Studium nach Prag, das er dort beendete. Hier wurde er bei Ferdinandea aktiv, deren Band er ebenso erhielt.

Auf Anregung von Richard Wollek (AIn), der sich besonders um den Prager CV bemühte, wurde nach einem Antrag von Josef Bick (Fd) und Kosch am 18. November 1904 eine Teilungskommission eingesetzt und am 28. Januar 1905 die Gründung einer Tochterverbindung beschlossen. Auf Vorschlag von Kosch wurde ihr der Name Vandalia gegeben.

Zu Ostern 1905, also kurz nach der Publikation der Vandalia, kam es in der Ferdinandea zu Auseinandersetzungen mit Kosch wegen eines Flugblattes von ihm, für das er sich verantworten sollte (es ging offenbar um finanzielle Angelegenheiten). Kosch trat daraufhin von seinen Verbindungen Norica, Ferdinandea und Vandalia aus, nicht aber aus der Winfridia und der Nibelungia Brünn. Dadurch ging gemäß den CV-Bestimmungen unter Beibehaltung des Rezeptionsdatums von der Norica die Urmitgliedschaft von Kosch auf die Winfridia über. Demgemäß wurde er als Winfride bezeichnet, als in der „Academia“ (Oktober 1906) die Kurzmeldung kam, er sei zum Professor in Freiburg (Schweiz) ernannt worden.

Nach einem Bericht der „Noriker-Blätter“ aus dem Jahr 1928 sei Kosch hingegen deswegen aus der Norica ausgetreten, weil er nicht mehr auf dem Boden des Antiduellprinzips gestanden hätte. Kosch wurde auch als Anhänger des Reformkatholizismus bezeichnet und hätte versuchte, die Füchse der Ferdinandea dazu zu gewinnen. Das hatte den BC der Ferdinandea vom 11. Mai 1905 zum Beschluß veranlaßt, den Füchsen jeden Verkehr mit Kosch zu untersagen.

Zu Ostern 1906 wurde Kosch wieder bei der Ferdinandea aufgenommen, was eine Fortsetzung des „Koschianismus“ mit sich brachte und das Verhältnis der beiden Verbindungen Ferdinandea und Vandalia zueinander belastete. Dies brachte Wollek, der um den Prager CV große Verdienste hatte, auf den Plan. Es scheint also auch eine Rivalität zwischen Kosch und Wollek bestanden zu haben, der diesen „als stets zersetzendes Element“ bezeichnete. Kosch verließ daher wieder die Ferdinandea. Es blieb daher bei der alleinigen CV-Mitgliedschaft Winfridia. Als solcher setzte er sich ja auch auf der Cartellversammlung 1921 in Linz für die Aufnahme der Nibelungia Brünn in den CV ein.

In den vorhandenen Gesamtverzeichnissen des CV wird der Wirrwarr um die CV-Mitgliedschaft von Kosch deutlich. Er fehlt in der Ausgabe des Jahres 1906, findet sich aber im Gesamtverzeichnis 1907 als Urmitglied der Winfridia mit dem Rezeptionsdatum bei der Norica, was den Bestimmungen des CV bei Verbindungsübertritten entsprach. Im Gesamtverzeichnis 1909 ist er hingegen mit diesem Rezeptionsdatum als Urmitglied der Ferdinandea und als Bandphilister der Winfridia angeführt. Danach, ab dem Gesamtverzeichnis 1910 fehlt er bis zum Ersten Weltkrieg gänzlich. Nachdem die Nibelungia Brünn 1921 in den CV aufgenommen wurde, scheint er dort als Urmitglied wieder mit dem Rezeptionsdatum bei der Norica auf. Als solcher wird er letztmalig vor dem Zweiten Weltkrieg im Gesamtverzeichnis 1927 geführt (siehe unten), der Hinweis auf die Winfridia fehlt aber dort.

KOSCH UND DER RING KATHOLISCHER BURSCHENSCHAFTEN

Bereits 1923 kam es zu einer „Farbenbewegung“ innerhalb des Unitas-Verbandes (UV), neben dem CV und dem KV dem dritten katholischen Korporationsverband. Einige Verbindungen des UV traten aus ihm aus und gründeten im Oktober 1924 den „Ring wissenschaftlicher Katholischer Deutscher Studentenverbindungen“, der im Gegensatz zum UV voll farbentragend war. 1926 wurde der Name in „Ring Katholisch Deutscher Burschenschaften“ (RKDB) geändert, um das katholische und nationale Element besonders hervorzuheben.

Wie bereits aus der bisherigen Biographie zu entnehmen war, geriet Kosch in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg vermehrt unter den Einfluß deutschnationalen Gedankenguts, ohne deshalb seine katholische Grundeinstellung zu ändern. Er wurde zunehmend zu einem sog. Katholisch-Nationalen. Dabei versuchte er offenbar die Idee der Burschenschaft mit der des katholischen Korporationswesen zu harmonisieren. Die Bezeichnung der Nibelungia bei ihrer Gründung Ende 1899 als Burschenschaft weist bereits darauf hin.

Nach Beendigung seiner Gastprofessur in Leoben und seiner Berufung nach Nijmegen erwarb Kosch auf der Ries am Stadtrand von Graz eine Villa („Waldhof“), um für seine Familie (er hatte 1911 geheiratet sowie einen Sohn und eine Tochter) einen Hauptwohnsitz zu haben. Im Sommersemester 1924 ventilierte er im Grazer CV die Idee der Gründung einer vierten CV-Verbindung, wobei die Babenberg Graz, aber auch die Aenania München anfänglich personell unterstützen sollten. Jedoch waren Carolina und Traungau von Anfang an gegen diese Neugründung, weil Kosch neben den vier CV-Prinzipien noch den großdeutschen Anschlußgedanken festschreiben wollte.

Die entscheidenden Besprechungen zwecks dieser Neugründung scheiterten im Oktober 1924. Trotzdem erfolgte eine solche ohne Zustimmung des GCV am 22. Januar 1925 unter dem Namen Suevia auf dem Waldhof. Es kam daraufhin zu teils erheblichen Konflikten zwischen dieser und dem Grazer CV. Im Herbst 1926 trat Suevia dem RKDB bei und aus dem Katholisch-Deutschen Akademikerausschuß (KDAA) aus. Dieser war u. a. die hochschulpolitische Plattform der katholischen Studenten. Die Suevia gründete für die Hochschulwahlen im Herbst 1926 eine eigene katholisch-nationale Liste und schadete so der Liste des KDAA.

Dieser Konflikt wurde bereits auf der Cartellversammlung im Sommer 1926 in Berlin thematisiert, weil sich der Grazer CV wegen des Verhaltens von Kosch angegriffen fühlte. Er verlangte ein Verbindungsgerichts-Verfahren seitens der Nibelungia Brünn. Da dieses Verfahren bis Sommer 1927, der nächsten Cartellversammlung, noch nicht erledigt war, wurde in einem neuen Antrag des Grazer CV auf dieser Cartellversammlung die dringende Erledigung dieser Angelegenheit verlangt. Diese hatte sich insofern verschärft, da nun Suevia dem RKDB beigetreten war und Kosch nun zwei verschiedenen Verbänden angehörte, was nach damaliger Auffassung nicht möglich war.

Kosch schied in der Folge aus der Nibelungia Brünn und damit aus dem CV. Im Gesamtverzeichnis 1927 wird er noch bei der Nibelungia Brünn geführt, im Gesamtverzeichnis 1929 fehlt er jedoch zur Gänze.

Die Suevia und ihre 1929 gegründete Tochterverbindung Cimbria sind in der Folge völlig in das nationale bzw. nationalsozialistische Fahrwasser abgeglitten. Aus einer Denkschrift des KDAA Graz vom Dezember 1932 geht hervor, daß bereits bei den Nationalratswahlen des Jahres 1930 Angehörige des Grazer RKDB die NSDAP aktiv im Wahlkampf unterstützt und sich im November 1932 ausnahmslos auf Seiten der Schlagenden und des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) an den Auseinandersetzungen gegen den CV beteiligt hatten.

Von den politischen Ereignissen der Jahre 1938 bis 1945 blieb Kosch vordergründig unbehelligt, auch was seine Stellung als Professor in Nijmegen betrifft. Die in Darmstadt wieder reaktivierte Nibelungia Brünn nahm ihn jedoch nach 1955 wieder auf. Daher findet er sich im Gesamtverzeichnis 1959 des ÖCV im Abschnitt der in Österreich wohnenden Alten Herren des Sudetendeutschen CV bei der Nibelungia Brünn, jedoch fälschlicherweise nicht mit dem Rezeptionsdatum der Norica, sondern mit dem Gründungsdatum der Nibelungia Brünn.

Mit Kosch starb einer der schillerndsten Persönlichkeiten des CV. Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Werke:

(Auswahl)
Adalbert Stifter (1905).
Die literarischen Strömungen des 19. Jahrhunderts (1911).
Menschen und Bücher (1912).
Das deutsche Theater und Drama im 19. Jahrhundert (1913).
Johann Michael Sailer (1913).
Friedrich Spee (1914, 2. Aufl. 1921).
Geschichte der deutschen Literatur im Spiegel der nationalen Entwicklung von 1913 bis 1918, drei Bände (1925–1933).
Die deutsche Urburschenschaft (1923)
Die Studentenverbindungen im katholischen Deutschland, zusammen mit Hermann Hagen (Th) (1924).
Die burschenschaftliche Bewegung im katholischen Deutschland (1927).
Deutsches Literatur-Lexikon. 4 Bände (1928ff.)
Das katholische Deutschland. 2 Bände (1933–1938)
Klemens Brentano (1943)
Österreich im Dichten und Denken Grillparzers (1946).
Adalbert Stifter als Mensch, Künstler, Dichter und Erzieher (1952).
Deutsches Theater-Lexikon. 2 Bände (1953–1960).

Quellen und Literatur:

Academia 18 (1905/06), S 116, und 19 (1906/07), S.. 183.
Sitzungsbericht der 57. CV-Versammlung zu Münster vom 8.–12. September 1927 unter dem Vorort Sauerlandia. Münster 1927, S. 147–150.
Noriker-Blätter Nr. 8 (1928), S. 8,
Menges, Franz: Wilhelm Kosch, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 606–608.
Katholisch Deutsche Studentenverbindung Ferdinandea-Prag zu Heidelberg im CV. 1886 – 1986. Band I 1885–1918. Gründerzeit. Hg. von Rudolf Geser und Rolf Wilflingseder. Heidelberg 1986, S. 154, 160 und 167f
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, 170, 265, 271, 282, 343 und 600.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XV (1999), S. 793–796.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 74f., 204, 305 und 349.