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Univ.-Prof. Dr. Ing. Dr. Wolfgang Holzer

Univ.-Prof. Dr. Ing. Dr. Wolfgang Holzer

Urverbindung: Welfia (16.05.1936)

Geboren: 20.04.1906, Krems (Niederösterreich)
Gestorben: 24.05.1980, Graz
Universitätsprofessor (Psychiatrie und Neurologie)

Lebenslauf:

Holzer wurde als Sohn eines Professors für Deutsch, Englisch und Französisch an der Landesoberrealschule Krems geboren. Nach seiner Matura hatte er zunächst an der Berliner Technischen Hochschule studiert (Dr. ing. 1932) und wurde nach Studienende Assistent am Physiologischen Institut der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Neben dieser Tätigkeit begann er dort das Studium der Medizin (Dr. med. 1938), bei welcher Gelegenheit er der Welfia beitrat (Couleurname Wolf). Danach bekam er eine Assistentenstelle an der Psychiatrischen Klinik der Universität Wien und beabsichtigte, sich in diesem Fach zu habilitieren. Dies wurde ihm jedoch vorerst aus politischen Gründen verunmöglicht.

Holzer war aber als Forscher trotzdem sehr produktiv. Aufgrund seines technischen Studiums beschäftigte er sich mit Elektroschock-Apparaten, an die die damalige Psychiatrie aus therapeutischen Gründen interessiert war. Anfang 1944 wurde er mit der Euthanasie konfrontiert. Im Juli 1944 verfaßte er die Denkschrift „Zum Euthanasieproblem. Vorschlag zur Gründung einer Forschungsanstalt für aktive Therapie der Nerven- und Geisteskranken“ und verschickte sie an mehrere NS-Psychiater, darunter auch an Paul Nitsche, einen der Hauptverantwortlichen der Euthanasie bzw. der „Aktion T-14“, der dann 1948 hingerichtet wurde. In dieser Denkschrift forderte er verklausuliert, daß zuerst eine intensive Grundlagenforschung für die Therapie Geisteskranker erfolgen müsse, bevor man „an das Euthanasie-Problem der Psychosen“ herantrete. Nach Ansicht von Carlos Watzka formulierte Holzer in dieser Denkschrift „eine wenig verhüllte Anklage der stattfindenden Krankentötungen“.

In diesem Zusammenhang steht ein Schreiben Holzers vom 17. Juni 1946 an Leopold Arzt (Nc), den damaligen Dekan der Wiener Medizinischen Fakultät, wo er auf seine Kontakte zu Widerstandsgruppen hinwies. Das ist insofern glaubhaft, da eine Reihe von Angehörigen der Welfia bei der „Österreichischen Freiheitsbewegung“ des dann hingerichteten Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz mitarbeitete.

Nach Kriegsende wurde Holzer zunächst als provisorischer Leiter des Physiologischen Instituts an die Universität Graz geholt. Gleichzeitig bemühte er sich um eine Habilitation für Psychiatrie und Neurologie in Wien und erreichte zu diesem Zweck mit 1. Oktober 1945 die Anerkennung als Facharzt in diesem Fach. Noch vor Abschluß des Habilitationsverfahrens wurde er im Oktober 1946 zunächst zum provisorischen Leiter der Psychiatrischen Klinik und im November 1946 zum außerordentlichen Universitätsprofessor für Psychiatrie und Neurologie ernannt. 1947 wurde er schließlich definitiver Leiter der Klinik und ordentlicher Universitätsprofessor.

Anfang 1948 erlitt Holzer in der Obersteiermark einen schweren Autounfall und war aus diesem Grund längere Zeit im Krankenstand. Allerdings machte sich um 1950 bei ihm eine psychische Erkrankung (manische Depression) bemerkbar. Ein amtlich in Auftrag gegebenes auswärtiges Gutachten im Jahr 1951 kam zu dem Schluß, daß er psychisch stark beeinträchtigt und als Klinikvorstand nicht tragbar sei. Holzer wertete dieses als Intrige gegen ihn, die von ehemaligen Nationalsozialisten ausging. 1952 war er dann länger im Krankenstand, dann wieder zeitweise im Dienst, um dann 1954 dauerhaft krankgeschrieben zu werden.

In der Folge wurde gegen Holzers Willen ein Pensionierungsverfahren aus Krankheitsgründen eingeleitet, gegen das er vorging. Schließlich wurde er 1957 in den dauernden Ruhestand versetzt, wogegen er erfolglos beim Verfassungsgerichtshof Berufung einlegte. Sein übernächster Nachfolger wurde Erich Pakesch (F-B), der bei ihm Assistenzarzt war und sich bei ihm habilitierte. Holzer arbeitete auch im Ruhestand wissenschaftlich weiter und starb mit 74 Jahren.

Der bekannte österreichische Sozialphilosoph Norbert Leser (1933–2014) geht in seiner autobiographischen Schrift „Skurrile Begegnungen“ auf zwei Professoren der Psychiatrie ein, die wegen Geisteskrankheit ihre Lehrstühle verloren hatten, neben Holzer ist das noch der Innsbrucker Hubert Urban (AIn):

„Ich erinnere mich, daß Hertha Firnberg mir gegenüber einmal die Bemerkung gemacht hat, daß es ausgerechnet zwei Psychiater waren, die ihrer Lehrkanzeln wegen Geisteskrankheit verloren hatten. Ich bin […] der Sache nachgegangen und habe recherchiert, daß es tatsächlich zwei Professoren dieses Faches, Wolfgang Holzer in Graz und Hubert Urban in Innsbruck, waren, denen ein solches Schicksal widerfahren ist. Diese Affinität zu den Patienten, die man zu behandeln hat, läßt sich entweder mit einer von Anfang bestehenden geistigen Verwandtschaft oder mit einer Deformation professionelle, in einer Ansteckung in Ausübung der eigenen Tätigkeit, erklären. In Zusammenhang mit Prof. Holzer verdient eine Episode Erwähnung, die ich einer Erzählung Erwin Ringels verdanke. Professor Holzer, der schon amtsenthoben war, dessen Beschwerde aber noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig war, sei beim Begräbnis eines Kollegen, Professor Alexander Pilcz, ungebeten als Grabredner aufgetreten und bezeichnete sich unter dem verhaltenen Gelächter der Anwesenden als ‚unabsetzbarer Ordinarius‘.“ Leser rückt dann Alexander Pilcz (AW EM) ebenfalls in die Nähe einer Geisteskrankheit (siehe dessen Biographie).

Quellen und Literatur:

Watzka, Carlos: Die „Fälle“ Wolfgang Holzer und Hans Bertha sowie andere „Personalia“. Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Grazer Psychiatrie 1945–1970, in: Virus-Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin 14 (2020), 103–138, bes. 122–126.
Leser, Norbert: Skurrile Begegnungen. Mosaike zur österreichischen Geistesgeschichte. Wien 2011, 110.