Lebenslauf:
Steinbauer wurde als Sohn eines Bankangestellten sowie einer Konzertsängerin in Wien-Leopoldstadt geboren und absolvierte das (nicht mehr bestehende) Jesuitengymnasium in Kalksburg bei Wien. Anschließend studierte er an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1913), wo er der Franco-Bavaria als deren erster Fuchs beitrat (Couleurname Giselher). Im Wintersemester 1910/11 war er Fuchsmajor, im Sommersemester 1911 Senior. (Die im Gesamtverzeichnis 1931 bei Steinbauer angegebenen zwei Seniorate stimmen nicht, er war es nur einmal.) Einer seiner Leibfüchse war Josef Wild jr., Gesellschafter der (leider) nicht mehr bestehenden renommierten Delikatessenfirma Wild am Neuen Markt.
Nach Studienende schlug Steinbauer die Rechtsanwaltslaufbahn ein und trat Anfang 1916 in Innsbruck in die Rechtsanwaltskanzlei von Martin Ritter (Cl) ein. Für einige Zeit war er Philistersenior der Franco-Bavaria, bis er im April 1917 zum Infanterieregiment Nr. 73 (Egerländer Hausregiment) nach Prag einberufen wurde. Danach war er an der Isonzofront eingesetzt (letzter Dienstgrad: Fähnrich der Reserve).
Nach dem Krieg kehrte Steinbauer nach Wien zurück und gehörte am 27. April 1919 zu den Gründern der „Sportvereinigung katholisch-deutscher Hochschüler Arminia“, deren erster Obmann er war. Beruflich konnte er vorerst nicht als Anwalt reüssieren und war daher von 1920 bis 1922 bei der Hauptanstalt für Sachdemobilisierung tätig. Diese hatte die Aufgabe, das Sachvermögen der ehemaligen k. u. k. Armee abzuwickeln. 1921 erhielt er eine Zulassung als Rechtsanwalt in Wien, wo er dann 1924 eine Kanzlei eröffnete.
Wegen des Überangebots an Rechtsanwälten in Wien zog Steinbauer 1927 nach Mistelbach, eröffnete dort eine Kanzlei und engagierte sich auch bei den Christlichsozialen kommunalpolitisch (1929 Vizebürgermeister und ab 12. Februar 1938 kurz Bürgermeister). Von 1922 bis 1926 war er erneut Philistersenior der Franco-Bavaria. Sein Vorgänger in diesem Amt war Nivard Schlögl (Nc, F-B), sein Nachfolger Engelbert Dollfuß (F-B). In Mistelbach war Steinbauer nach 1933 Vorsitzender des örtlichen CV-Zirkels und bei der Gründung der katholischen Ferialverbindung Gothia beteiligt, die nach 1945 nicht mehr entstand.
Nach dem Anschluß 1938 wurde Steinbauer für einige Zeit verhaftet und erhielt nach seiner Freilassung Berufs- und Ortsverbot, konnte aber in der Anwaltskanzlei von Ludwig Margreiter (S-B) in Wien mitarbeiten. Die Gestapo durchsuchte mehrmals seine Wohnung. Im letzten Kriegsjahr wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und geriet in kurze US-Gefangenschaft. Danach eröffnete er wieder eine Anwaltskanzlei in Wien.
Der vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal angeklagte und von diesem dann zum Tode verurteilte „Anschluß-Kanzler“ Arthur Seyß-Inquart, der dann 1938 Reichsstatthalter, Reichsminister ohne Portefeuille und später von 1940 bis 1945 Reichkommissar für die besetzten Niederlande war, wünschte sich – nicht zuletzt wegen seiner Beteiligung am Anschluß Österreichs – einen österreichischen Verteidiger. Aus einer Liste von Anwälten wählte Seyß-Inquart mit Wissen von Steinbauer diesen als seinen Verteidiger aus. Beide dürften sich höchstwahrscheinlich aus der Zeit vor 1938 als Kollegen gekannt haben. Steinbauer war der einzige Österreicher in einer solchen hervorgehobenen Position beim Nürnberger Prozeß.
Ebenso wurde Steinbauer dann vom österreichischen KZ-Arzt Wilhelm Beiglböck (Angehöriger der Burschenschaft Moldavia Wien), der 1947 vom Nürnberger Ärzteprozeß verurteilt wurde, als Verteidiger auserwählt. Beiglböck hatte Versuche zur Trinkbarmachung von Meerwasser an Zigeunern im KZ Dachau durchgeführt. Über seine Erfahrungen im Nürnberger Prozeß veröffentlichte Steinbauer 1950 das Buch „Ich war Verteidiger in Nürnberg“. Sein Sohn ist der ehemalige ÖVP-Politiker Heribert Steinbauer (AW). Steinbauer war auch Ehrenphilister der MKV-Verbindung Bavaria Wien und wurde auf dem Friedhof Wien-Neustift (7/8/1) beigesetzt.
Nicht unerwähnt sollte bei diesem Lebensbild bleiben, daß Bernhard Servatius (Rl), später langjähriger Aufsichtsratspräsident der Axel-Springer AG, seinem Vater, der 1961 Adolf Eichmann verteidigte, dabei als Hilfs-Anwalt assistiert hat.
Werke:
Ich war Verteidiger in Nürnberg. Ein Dokumentenbeitrag zum Kampf um Österreich (1950).Quellen und Literatur:
Academia 29 (1915/16), S. 512, 30 (1916/17), S, 33, und 32 (1919/20), S. 29.Schrammel, Karl-Wolfgang (F-B): Dr. Gustav Steinbauer v. Giselher, F-B (1889–1961)
Erster Fuchs der Franco-Bavaria und Verteidiger Seiß-Inquarts im Nürnberger Prozess. Manuskript 2011.
Email Karl-Wolfgang Schrammel (F-B), 2. 3. 2017 betr. zweites Seniorat.
http://www.mi-history.at/steinbauer-gustav (Abruf 10. 2. 2018)/
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 335f.