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Dr. Franz Virnich

Dr. Franz Virnich

Urverbindung: Rheno-Franconia München (21.06.1909)

Bandverbindungen: St, AIn, Asc, B-W

Geboren: 28.03.1882, Bonn
Gestorben: 05.04.1943, Gefängnis Brandenburg-Görden (Brandenburg)
NS-Opfer, Gutsbesitzer
Politische Haft: Ab 1940 in Bonn, Berlin-Moabit und Brandenburg-Görden

Lebenslauf:

HERKUNFT, AUSBILDUNG UND BERUFLICHER WERDEGANG

Virnich wurde als Sohn des Karl Winand Virnich (AIn), eines vermögenden Gutsbesitzers und Gründers der Austria Innsbruck, preußischen Landtagsabgeordneten und Mitglieds des deutschen Reichstags, geboren. Er besuchte das Gymnasium in Bonn und dann das Jesuitengymnasium „Stella matutina“ in Feldkirch (bis 1899). Danach absolvierte er 1902 im Hinblick auf seine Gutsbesitzungen die Landwirtschaftsschule in Lüdinghausen (Westfalen). Das war eine Höhere Schule, die zum akademischen Studium der Landwirtschaft berechtigte. Anschließend war er eine zeitlang auf seinen Gütern im Raum Mönchengladbach, Jülich und Bonn tätig.

Im Herbst 1907 begann Virnich als außerordentlicher Hörer ein Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn, da er noch kein ordentliches Reifezeugnis besaß. Im Herbst 1908 besuchte er daher die letzte Klasse des Gymnasiums in Saarlouis (nunmehr Saarland) und machte zu Ostern 1909 das Abitur, so daß er bereits im Sommersemester 1909 mit dem Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität München beginnen konnte, wo er bis zum Ende des Sommersemesters 1910 blieb und der Rheno-Frankonia beitrat.

Als diese Verbindung 1910/11 den Vorort innehatte, versah Virnich das Amt eines Vorortsschriftführers (VOS). Danach wechselte er wieder an die Rechtswissenschaftliche Fakultät nach Bonn, wo er bei der Staufia aktiv wurde und im Mai 1913 das Abschlußzeugnis erhielt. Das Referendarsexamen bestand er am 24. Januar 1914 am Oberlandesgericht Köln. Seine anschließende Referendarszeit absolvierte er zunächst beim Amtsgericht Dülken und dann beim Landgericht Mönchengladbach. Nach der Aufnahme bei der Rheno-Frankonia knüpfte er Kontakte zur Austria Innsbruck, die von seinem Vater mitbegründet wurde. Von ihr wurde er am 27. Februar 1914 als Bandphilister h. c. aufgenommen.

Anfang Februar 1915 mußte Virnich einrücken und kam im Mai 1916 an die Westfront. Dort machte er u. a. die Kämpfe in Flandern, an der Somme und in Arras (1917) mit, wobei er bereits gleich zu Beginn verwundet wurde. Im März 1918 machte er die letzte Offensive an der Marne mit und wurde im April schwer verwundet. Nach Virnichs Aussage wurde er wegen seiner katholischen Einstellung für eine Reserveoffizierslaufbahn abgelehnt (letzter Dienstgrad Gefreiter; Auszeichnung: Eisernen Kreuz II. Klasse).

Nach dem Krieg setzte Virnich seine Refendarsausbildung fort und war dann vorerst von 1923 bis 1925 in der Stadtverwaltung Wesseling (südlich von Köln) tätig, um danach seine Güter zu verwalten. Im Oktober 1920 erhielt er das Band der Ascania Bonn, einer Verbindung, die ihren Schwerpunkt an der dortigen landwirtschaftlichen Hochschule hatte. Weiters war Virnich am 16. November 1927 Mitbegründer der Bonner Verbindung Borusso-Westfalia, einer Tochterverbindung der Bavaria Bonn und der Ascania.

VIRNICH –

EIN OPFER DES NS-REGIMES

Virnich war in seiner politischen Einstellung durch seinen Vater sowie seine Mitgliedschaften in mehreren CV-Verbindungen geprägt und stand dem Nationalsozialismus distanziert gegenüber. So verfaßte er im Juli 1934 eine Parodie des Horst-Wessel-Liedes, welche sich kritisch mit dem Röhm-Putsch auseinandersetzte. Diese gelangte in die Hände der Polizei. Sie lautete:

„Die Fahne hoch: Die Zeiten sind verflossen –
SA marschiert nicht mehr in ruhig festem Schritt.
Kameraden, die uns Hitler meuchlings hat erschossen,
Sie ziehen im Geist in unseren Reihen mit.
Dann wehen Freudenfahnen über allen Straßen,
Denn Deutschland ist von Hitler dann befreit!“

Am Abend des 27. Juli 1934 kam es zu einer Hausdurchsuchung im Sommerhaus von Virnich in Königswinter am Rhein (südlich von Bonn). Er selber konnte rechtzeitig durch den Hinterausgang entkommen und floh am nächsten Tag in die Niederlande. Er fand zuerst Aufnahme bei den Jesuiten in Valkenburg, dann bei den Minoriten in Wynandsrade, wo er Niederländisch lernte und dann dort am Gymnasium unterrichten konnte. In dieser Zeit stand er u. a. in brieflichem Kontakt mit Friedrich Funder (Cl).

Am 10. Mai 1940 begann der deutsche Feldzug gegen die Niederlande. Bereits am 21. Mai wurde Virnich verhaftet und am 3. Juni nach Bonn überstellt. Am 12. Februar 1941 wurde er in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit verbracht. Am 25. Februar 1942 kam es dann vor dem Volksgerichtshof zur Hauptverhandlung gegen ihn. Ihm wurde das Verbrechen des „Volksverrates“ nach § 90 f StGB vorgeworfen. Er wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, wobei nur ein Jahr der Untersuchungshaft angerechnet wurde. Er wäre also am 25. Februar 1951 entlassen worden. Am 12. März 1942 wurde Virnich zwecks Vebüßung der Strafe in das Gefängnis Brandenburg-Görden überstellt.

Wegen der dort herrschenden Haftbedingungen verfiel Virnichs Gesundheitszustand zusehends. Den Entbehrungen ist er dann im Gefängnis erlegen. Eine genaue Todesursache ist aber nicht bekannt. Er wurde auf dem Altstädter Friedhof in Brandenburg begraben. Sein Grab geriet in Vergessenheit, der Friedhof wurde auch aufgelassen. Nach 1989 gelang es, das Grab zu lokalisieren, so daß am 25. November 1995 Vertreter der vier Verbindungen, denen Virnich angehört hat, einen Gedenkstein errichten konnten. Seit 1995 erinnert vor seonem Bonner Wohnhaus Lennéstraße 5 ein Stolperstein an ihn

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DIE FRAGE NACH VIRNICHS CV-MITGLIEDSCHAFT

Virnich war Urmitglied der Rheno-Frankonia. Wegen seines rheinischen Wohnortes dürfte er wohl am engsten mit den Bonner Verbindungen, insbesondere der Staufia, Kontakt gehabt haben. Nach der Gleichschaltung des CV in Deutschland und dessen offizieller Auflösung Ende Oktober 1935 auf der Cartellversammlung in Würzburg stellte Virnich bei der Austria Innsbruck den Antrag, dort als Urphilister aufgenommen zu werden. Diesem Antrag wurde am 9. Dezember 1935 stattgegeben. Virnich ist in dieser Hinsicht nicht der einzige derartige Fall. U. a. taten dies auch der in Innsbruck lehrende Staatsrechtler Godehard Josef Ebers (Wf) sowie der Journalist Otto Färber (ChT).

Aus diesem Grund gibt es unterschiedliche Verbindungsanzeigen von Virnich im ÖCV und im deutschen CV. Während sich im ÖCV die Zuordnung zur Austria Innsbruck einbürgerte (etwa auf dem Ehrenmal der NS-Opfer im Foyer des ÖCV-Hauses in Wien), wird im CV weiterhin die historisch korrekte Verbindungsanzeigenabfolge gepflegt (siehe z. B. CV-Handbuch, 3. Aufl. 2000, S. 602, und Widerstand und Verfolgung im CV, 1983, S. 186).

Auf der einen Seite steht der Hinweis bzw. das unbestreitbare Faktum, Virnich habe um Aufnahme bei der Austria Innsbruck ersucht, die dem stattgegeben habe. Auf der anderen Seite steht der Standpunkt, das Begehren Virnichs hätte seine Ursache und seinen Anlaß in Zwangsmaßnahmen eines totalitären Systems. Nach Wegfall dieses – und damit der Ursache und des Anlasses – lebe der ursprüngliche Zustand wieder auf (restitutio in rem).

Außerdem sei ein Wechsel der Urmitgliedschaft auch nur nach Zustimmung der ursprünglichen Urverbindung möglich. Den habe es aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht gegeben bzw. geben können. Weiters könne es im CV (deutscher und österreichischer CV gemeinsam) spätestens wieder nach dem Salzburger Verbändeabkommen von 1957 nur eine Urmitgliedschaft geben. Dieser Standpunkt wird durch die Vorgangsweise bei Otto Färber (ChT) gedeckt.

Wie auch immer: In der Person von Franz Virnich kann der CV in Österreich und Deutschland gemeinsam seiner Opfer durch das NS-Regime gedenken.

Quellen und Literatur:

Austrier-Blätter Nr. 23, 1955, S. 82f.
Widerstand und Verfolgung im CV. Eine Dokumentation. Hg. von der Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V. München 1983, S. 186.
Schorn, Franz Hubert: Franz Virnich 1882–1843. Opfer der NS-Justiz. Bericht und Dokumentation. Langwaden 1998.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 372–374.