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StS BR a.D. MinR i.R. Dr. Karl Lugmayer

StS BR a.D. MinR i.R. Dr. Karl Lugmayer

Urverbindung: Aargau (03.03.1913)

Geboren: 25.02.1892, Ebensee (Oberösterreich)
Gestorben: 16.04.1972, Wien
Unterstaatssekretär, ständiger Stellvertretender Vorsitzender des Bundesrates, Mitglied des Bundeskulturrates, Ministerialrat

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Lugmayer wurde als Sohn eines Respizienten (Berichterstatter) geboren, dessen Familie aus dem Mühlviertel stammte. Dieser wurde 1995 Vorstand des Nebenzollamtes in Schwarzenberg am Böhmerwald (Bezirk Rohrbach) an der bayrisch-oberösterreichischen Grenze. Seine Mutter war eng verwandt mit dem Abt von Kremsmünster, Augustin Resslhuber, der auch Landeshauptmannstellvertreter Oberösterreichs und Herrenhausmitglied war.

Lugmayer besuchte die Volksschule in Schwarzenberg, dann ab 1903 das bischöfliche Gymnasium Petrinum in Linz. Nach der Pensionierung des Vaters siedelte die Familie nach Linz-Urfahr, so daß Lugmayer und 1909 auf das dortige Staatsgymnasium wechselte, das er 1911 mit Auszeichnung absolvierte.

Anschließend studierte Lugmayer an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien für das Lehramt Latein und Französisch (Dr. phil. 1916 sub auspiciis imperatoris im Fach Französisch), wo er dem Aargau beitrat. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Hilfsstenograph im Reichsrat und bei der Zentralkommission der Christlichen Gewerkschaften unter Leopold Kunschak (Nc EM).

Aus gesundheitlichen Gründen wurde Lugmayer nicht zum Militärdienst eingezogen. Er war aber kriegsbedingt bereits ab Oktober 1915 als Supplent am Wiener Elisabeth-Gymnasium (Rainergasse) eingesetzt. Die Lehramtsprüfung für Latein und Französisch legte er im Juni 1917 ab.

THEORETIKER DER CHRISTLICHEN ARBEITERBEWEGUNG

Lugmayer kam durch seine Tätigkeiten bei der Christlichen Gewerkschaft auch in Kontakt mit dem Reichsbund der christlichen Arbeiterjugend und wirkte dort in der Bildungskommission. Ebenso hielt er zahlreiche Vorträge. Nach 1918 wurde er im Bildungsbeirat des Staatsamtes (Ministerium) für Heerwesen verwendet, wo u. a. auch der bekannte Schriftsteller Robert Musil tätig war.

Mit 1. Januar 1923 wurde Lugmayer zum bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten für Niederösterreich ernannt. Gleichzeitig war er nach wie vor bei den Christlichen Gewerkschaften tätig. Für den 10. Verbandstag des „Reichsverbands der nichtpolitischen Arbeitervereinigungen christlicher Arbeiter Österreichs“ im August 1923 in Linz legte er einen Entwurf für ein Programm vor. In diesem bekannte er sich u. a. zur Enzyklika „Rerum novarum“ und zur Demokratie. Mit diesem Entwurf trat er auch erstmals als Programmtheoretiker in die Öffentlichkeit.

Von 1924 bis 1927 studierte Lugmayer nebenbei an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Von 1925 bis 1935 war er nebenberuflich auch Schriftleiter der vom Reichsverband herausgegebenen periodischen Zeitschrift „Neue Ordnung“. Er kann für diese Zeit als der Theoretiker bzw. programmatische Ideologe der christlichen Arbeiterbewegung bezeichnet werden. In dieser Eigenschaft hielt er zahlreiche entsprechende Vorträge und veröffentlichte sehr viel. Diese haupt- wie nebenberuflichen Beschäftigungen setzten ihn aber gesundheitlich zu. Er gehörte auch der 1929 von Anton Orel (ehemals Nc) gegründeten „Studienrunde katholischer Soziologen“ an.

1934 wurde Lugmayer von Richard Schmitz (Nc) als Volksbildungsreferent von Niederösterreich nach Wien geholt. In der Folge wurde er 1936 Leiter des Volksbildungsamtes der Stadt Wien. In dieser Funktion errichtete er auch eine jüdische Volkshochschule. Er selber hatte ein eher distanziertes Verhältnis zum „Ständestaat“, weil er nicht seinen sozialtheoretischen Vorstellungen entsprach. Trotzdem war er vom 1. November 1934 bis zum 12. März 1938 Mitglied des Bundeskulturrates, arbeitete anfänglich in der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft“ der Vaterländischen Front (VF) aktiv mit und gehörte auch dem Kreis um Ernst Karl Winter (NbW) an. Ebenso bestanden Kontakte zu dem auf dem linken Flügel der VF angesiedelten Viktor Matejka (MKV Herulia Stockerau), der nach 1945 KPÖ-Stadtrat in Wien war.

Nach dem Anschluß wurde Lugmayer am 28. März 1938 seines Amtes als Leiter des Volksbildungsamtes enthoben und am 30. März 1939 zwangspensioniert. Er wurde von der Gestapo überwacht, die auch seine Werke beschlagnahmte. Gemeinsam mit seinen Eltern lebte er während des Krieges zurückgezogen in Wien-Ottakring (Siedlung Starchant), beschäftigte sich mit diversen Studien (u. a. Philosophie, Russisch) und hörte auch Vorlesungen an der Hochschule für Bodenkultur.

LUGMAYERS POLITISCHE LAUFBAHN NACH 1945

Im weiteren Verlauf des Krieges war Lugmayer im Widerstandskreis um Lois Weinberger tätig, dem auch Felix Hurdes (NbW EM) und Karl Kummer (Aa) angehörte, wo an der illegalen Wiedererrichtung der christlichen Arbeiterbewegung gearbeitet wurde. Aus diesen Überlegungen heraus entstand dann am 14. April 1945 in der Laudongasse der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB), dessen Präsident Leopold Kunschak (Nc EM) wurde.

In der provisorischen Staatsregierung Karl Renner wurde Lugmayer am 27. April 1945 zum Unterstaatssekretär (nach heutigem Verständnis Staatssekretär) im Staatsamt (Ministerium) für Volksaufklärung, Unterricht und Erziehung und Kultusangelegenheiten unter der Leitung des Kommunisten Ernst Fischer berufen. Diese Funktion bekleidete er bis zum 20. Dezember 1945. Dort konnte er gleich zu Beginn im Prinzip den Religionsunterricht retten, von dem man sich zwar abmelden konnte, aber zu ihm nicht anmelden mußte. In dieser Zeit führte er auf der Hochschule für Bodenkultur die Studienrichtung Gärungstechnik ein, das nun Biotechnologie heißt.

Vom 19. Dezember 1945 bis 11. Dezember 1959 war Lugmayer vom Wiener Landtag entsandtes Mitglied des Bundesrates, dessen ständiger Stellvertretender Vorsitzender er von 1. Juli 1951 bis 31. Dezember 1956 war. Beruflich war er wieder dem Unterrichtsministerium zugeteilt. Im Herbst 1946 wurde er zum Ministerialrat und Leiter der Abteilung Buch und Schrifttum ernannt, war jedoch als Mitglied des Bundesrates von dieser Tätigkeit freigestellt.

Seine politische Heimat hatte Lugmayer im ÖAAB, wo er Bildungsreferent wurde und vom 26. April 1953 bis zum 21. Mai 1955 auch Bundesobmannstellvertreter war. An der Abfassung des Wiener Programms des ÖAAB im Jahr 1946 war er wesentlich beteiligt, das in der Tradition der katholischen Soziallehre stand. Auch war er bis zu seinem Tod ÖVP-Bezirksparteiobmann in Wien-Ottakring.

Lugmayer wurde 1946 Vizepräsident, dann bis 1972 Präsident der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Aufgrund seiner Funktion im Unterrichtsministerium war er auch zeitweise Vorsitzender des Buchklubs der Jugend. Ab dem Sommersemester 1946 war er Honorarprofessor für die Philosophie der Natur- und Geisteswissenschaften an der Hochschule für Bodenkultur. Darüber hinaus entfaltete er eine weiterhin umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit.

LUGMAYER UND DER STAATSVERTRAG

Anfang 1947 entsandte die ÖVP Lugmayer wegen dessen russischer Sprachkenntnisse in den engeren Ausschuß zur Pflege der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zur Sowjetunion, aus dem die Österreichisch-Sowjetische Gesellschaft entstand, deren Vizepräsident Lugmayer wurde. In der Anfangszeit der Besatzung war das keine unwichtige Funktion. Hilfreich dabei war der Umstand, daß er einen engen Kontakt zu dem damaligen kommunistischen Wiener Stadtrat Viktor Matejka pflegte, der vor 1938 zum Kreis der christlichen Sozialtheoretiker gehörte.

Lugmayer plädierte im Hinblick auf einen Staatsvertrag für eine Verständigung mit der Sowjetunion. Jedoch erst im Jahr 1953 mit dem Kanzlerwechsel von Leopold Figl (Nc) zu Julius Raab (Nc) sowie der Ablöse des prowestlich orientierten Außenministers Karl Gruber (AW) entstand hierin Bewegung.

Im Einvernehmen mit Raab unternahm Lugmayer als Leiter einer österreichischen Kulturdelegation im Oktober/November 1953 eine fast vierwöchige Reise in die Sowjetunion („Du fährst voraus, ich komme nach, du kannst dir das leisten, und laß’ die Hunde bellen!“). Dort führte er in Moskau, Leningrad (St. Petersburg) und Tiflis (Georgien) zahlreiche Gespräche. Diese Reise verbesserte das Vertrauensverhältnis zwischen Österreich und der Sowjetunion und erleichterte in der Folge die Gespräche, die dann den Staatsvertrag ermöglichten.

Nach der Rückkehr war Lugmayer in den österreichischen Zeitungen teilweise der Kritik ausgesetzt, konnte aber aufgrund einer Verschwiegenheitsverpflichtung nicht mitteilen, daß die Reise im Einvernehmen mit Raab stattgefunden hatte. Dieser erklärte nach Abschluß des Staatsvertrages, daß er ohne die Reise Lugmayers nicht nach Moskau hätte fliegen können.

Lugmayer wurde am Ottakringer Friedhof begraben. Am Begräbnis nahmen u. a. Alfred Maleta (Cl), Alois Mock (Nc) und Herbert Schambeck (Rd) teil. Im 16. Wiener Gemeindebezirk (Ottakring) ist ein Platz nach ihm benannt.

Werke:

(Auswahl)
Das Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs (1924).
Grundrisse der neuen Gesellschaft (1927).
Die gesellschaftlichen Rundschreiben Leo XIII. und seiner unmittelbaren Vorgänger (1930).
Dollfuß-Gedenken. Gedichte (1937).
Sein und Erscheinung. 2 Bände (1945/47).
Philosophie der Person (1956, Neuausgabe hg. von Erwin Bader 2009).

Quellen und Literatur:

Österreichische Academia 23 (1971/72), H. 9/10, Juni/Juli
Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, S. 150f.
Lugmayer, Franz: Prof. Dr. Karl Lugmayer (1892–1972), in: Österreich in Geschichte und Literatur 40 (1996), S. 139–156 (mit umfangreichem Werk- und Literaturverzeichnis).
Pribyl, Herbert: Der christlichsoziale Politiker Karl Lugmayer (1892–1972), in: Faszinierende Gestalten der Kirche Österreichs. Band 10. Hg. von Jan Mikrut. Wien 2003, S. 133–154.
Karl Lugmayer und sein Werk. Seine politisch-soziale Bedeutung und Aktualität. Alfred Klose (Nc) zum 80. Geburtstag gewidmet. Hg. von Erwin Bader. Wien 2007.
Academia intern, 5/2010, S. 11.