Lebenslauf:
HERKUNFT UND AUSBILDUNG
Geser wurde als Sohn eines Gastwirts und Brauereibesitzers, der in Andelsbuch im Bregenzerwald auch Bürgermeister war, geboren. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule absolvierte er das Gymnasium in Feldkirch („Stella matutina“), wo er 1903 maturiert hatte. Danach begann er das Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule in Darmstadt (Großherzogtum Hessen), wo bereits sein späterer Schwager studierte und wo er der Nassovia beitrat (Couleurname Wodan).
Da ihn das Technische Studium jedoch nicht befriedigt hatte, ging Geser zu Beginn des Wintersemesters 1904/05 nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Innsbruck nach Graz, um dort an der Medizinischen Fakultät der Universität das Studium zu beginnen. Dort wurde er bei Carolina aktiv und wurde gleich für das Wintersemester 1904/05 zum Consenior gewählt. Im Sommersemester 1905 war er Schriftführer.
Geser war aufgrund der beruflichen Stellung seines Vaters finanziell relativ gut situiert und hat nach Aussagen von Zeitzeugen das Studentenleben in Graz in all seinen Facetten genossen. Zu seinem Tod läßt sich aufgrund der vorhandenen Quellenlage, vor allem Zeitungsberichte, folgender Hergang rekonstruieren:
DER HERGANG DES TODESFALLES
Geser wurde am 30. Januar 1906 um ca. 5 Uhr betrunken von einem Wachmann in sein Wohnhaus Sporgasse Nr. 7, wo er im 2. Stock gewohnt hat, gebracht, der ihn jedoch nur bis ins erste Stockwerk begleitete. Das damalige Haus war der Vorgängerbau des heutigen. Es hatte noch im Hof die seit dem Biedermeier üblichen balkonartigen offenen Korridore zu den einzelnen Wohnungen. Um 5.30 Uhr morgens des 30. Januar wurde Geser von Hausbewohnern bewußtlos beim hofseitigen Stiegenaufgang aufgefunden, der zu den genannten Korridoren führte. Er hatte eine schwere, wulstartige Kopfverletzung, die auf dem Schädel von links hinten nach rechts vorne verlief. Man fand ihn in einer Seitenlage, die Hand in der Hosentasche auf dem Steinboden liegend.
Geser wurde nach Anlegung eines ersten Verbandes in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gebracht, wo einer der Gründer Carolinas, Franz Strohmeyer (Cl), als Arzt tätig war. Von ihm wurde er in der Folge behandelt, er hat dann auch seine Leiche obduziert. Nach unterschiedlichen Angaben hätte er das Bewußtsein nicht mehr erlangt bzw. hätte dann doch noch „lichte Momente“ gehabt. Er starb jedenfalls am 6. Februar. Im Standesbuch des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder ist vermerkt „Commotio cerebri, fractura cranii“, also Gehirnerschütterung und Schädelbruch. Letzterer war nach damaliger medizinischer Kenntnis und Praxis nicht operabel und führte – vor allem bei innerer Gehirnblutung – unweigerlich zum Tod.
Die Einsegnung fand am 8. Februar durch den Stadtpfarrpropst Josef Frühwirth (Cl EM) statt. Danach wurde der Leichnam zum Hauptbahnhof gebracht, von wo er nach Vorarlberg überführt und in seinem Heimatort beigesetzt wurde. Während des Leichenzuges zum Hauptbahnhof kam es zu Störungen seitens deutschnationaler Studenten.
ZUR BEWERTUNG
Es gab einige nicht zu erklärende Umstände. Abgesehen davon, daß beim Auffinden des Schwerverletzten die Haustür entgegen der Aussage des Wachmanns unverschlossen war, befand sich der Mantel Gesers auf dem Gitter des Korridors unmittelbar vor seiner Wohnungstür. Es wurde in den ersten Zeitungsberichten angenommen, Geser hätte in schwer angeheitertem Zustand zuerst einmal vergessen, das Haustor wieder zuzusperren. Danach sei er in den 2. Stock gegangen, hätte seinen Mantel über das Gitter gelegt und wäre dann in die Tiefe gestürzt, sei es, daß er übermütigerweise auf dem Gitter geturnt bzw. dieses für sein Bett gehalten hätte.
Allerdings wurde Geser nicht unmittelbar unterhalb des Mantels bzw. in der Nähe aufgefunden, sondern etwas entfernter davon. Ebenso hatte er nur die genannte eine starke Wunde am Kopf und nicht weitere, wie sie für einen solchen Sturz charakteristisch gewesen wären (etwa Schürfwunden etc.). Ebenso waren seine Brillen („Zwicker“) und seine Uhr unbeschädigt.
Nun wurde in Zeitungen („Reichspost“, „Grazer Volksblatt“) berichtet, Geser hätte in „lichten Momenten“ den Namen Khälßberg als denjenigen benannt, der ihn auf dem Kopf geschlagen hätte. Josef Khälß von Khälßberg war Angehöriger der Grazer Burschenschaft Marcho-Teutonia. Aussagen zufolge soll es zwischen diesen beiden Händel gegeben haben. In der in der Grazer Universitätsbibliothek liegenden Ausgabe der „Academia“ ist bei dem Bericht über den Fall Geser handschriftlich der Name Khälß notiert.
Der Umstand, daß der Verletzte in lichten Momenten einen Burschenschafter als Täter nannte, wurde in der „Reichspost“ berichtet. Ein Vetter von Geser, Angehöriger der Norica, war in Graz und hat dann den Bericht in der „Reichspost“ lanciert. Alle diese Umstände haben nun dazu geführt, daß die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet hat, die aber ohne Ergebnis geblieben sind.
Wegen der auf der Grazer Universität herrschenden Zustände zwischen der Carolina und den schlagenden Verbindungen war es kein Wunder, daß Gerüchte und Vorwürfe entstanden sind, Geser sei Opfer eines Anschlags eines Burschenschafters gewesen. Wie üblich kam es auch zu einem „Pressekrieg“ zwischen den Organen beider Seiten. Das „Grazer Volksblatt“ und die „Reichspost“ auf der einen Seite, das „Grazer Tagblatt“ auf der anderen Seite. Der christlichsoziale Vorarlberger Politiker Jodok Fink, er war Vizekanzler der Provisorischen Staatsregierung Karl Renner 1919/20, kam persönlich nach Graz (er stammte aus dem selben Ort wie Geser), um weitere Ermittlungen anzustellen – ebenfalls ohne Ergebnis.
Es ist schwierig, mehr als 100 Jahre später dem wahren Sachverhalt auf die Spur zu kommen. Zum einen wird übereinstimmend berichtet, daß Anton Geser dem Alkoholgenuß nicht abgeneigt war. Ein Unfall, wie ihn der offizielle Polizeibericht annimmt, ist daher nicht unwahrscheinlich. Allerdings: Muß ein des übermäßigen Alkoholgenusses Verdächtiger tatsächlich so umgekommen sein? Zum anderen gibt es viele widersprüchliche Indizien, die auch in eine andere Richtung weisen können. Muß das aber gleich ein Schlagender gewesen sein? Ignoramus et ignorabimus.
Der auf jeden Fall tragische Tod dieses jungen Menschen bleibt aber trotzdem Bestandteil der Geschichte der Auseinersetzungen zwischen katholischen und schlagenden Verbindungen vor 1914 und deren Erzählung, ähnlich wie 1912 Max Ghezze (R-B) und 1931 Engelbert Weinzierl (NbW). Er ist auch weiterhin eine Mahnung.
Quellen und Literatur:
Verbindungsarchiv Carolina. Carolinas Tote V, 61f.Academia 18 (1905/06) 394 und 418
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, 88f. und 593.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, 132f.
Hartmann, Gerhard (Baj) – Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 125 Jahre Carolina 1888 bis 2013. Graz 1913, 40f., 300f. und 357.