Lebenslauf:
Weinzierl wurde als Sohn eines Grieskircheners Hausbesitzers und Viktualienhändlers geboren, der bereits 1928 verstarb. Weinzierls Großvater war Taglöhner. Nach der Volksschule absolvierte er das Realgymnasium in Wels und begann nach der Matura das Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, wo er der Nibelungia beitrat (Couleruname Perkeo). Zu seinen unmittelbaren Consemestern zählte u. a. der spätere Wiener Weihbischof Jakob Weinbacher (NbW), der Soziologe August Maria Knoll (NbW) und der 1945 von den Nazis hingerichtete Priester Heinrich Maier (NbW).
Infolge des Justizpalastbrandes im Juli 1927 radikalisierte sich die österreichische Innenpolitik, und die Wehrverbände, so auch die Heimwehr, erlebten einen Bedeutungszuwachs. In Oberösterreich befanden sich deren maßgeblichen Führer, so u. a. Ernst Rüdiger (Fürst) Starhemberg, der auch Legitimist war. Diese Umstände dürften Weinzierl u. a. bewogen haben, der Heimwehr beizutreten. Am 12./13. September 1931 unternahm der steirische Heimwehrführer Walter Pfrimer einen Putsch, der sich vornehmlich in der Steiermark, Kärnten und Teilen Oberösterreichs abspielte, jedoch bereits nach kurzer Dauer zusammenbrach.
Am 13. September hat der gemeinhin als sozialdemokratisch beschriebene Arbeiter (Tischler) Karl Leitner zwei Arbeitskollegen zu einem „Abschiedstrunk“ in ein Grieskirchener Gasthaus eingeladen, weil er kurz vorher arbeitslos geworden war. In der späteren Vernehmung gab er an, in dieser Nacht mindestens zehn Krügel Bier und zu Dritt fünf Doppelliter Wein getrunken zu haben.
Weinzierl betrat spätabends und angetan mit der Heimwehr-Kappe zufälligerweise dieses Gasthaus und wirkte damit provozierend auf den ziemlich alkoholisierten Leitner. Es kam nun zwischen beiden zu einem lautstarken Wortgefecht, das eskalierte und vor der Gasthaustür fortgesetzt wurde. In dessen Gefolge zog Leitner ein Messer (einen sog. „Taschenveitel“), stach Weinzierl in den Oberschenkel und verletzte dabei eine Schlagader. Es dauerte aufgrund der damaligen Verhältnisse sehr lange, bis ein Arzt gerufen werden konnte und eintraf, der jedoch ca. 1.30 Uhr nur mehr den Tod Weinzierls durch Verbluten feststellen konnte. Die Matriken der Pfarre Grieskirchen vermerken, daß er nicht „versehen“ wurde.
Das Begräbnis Weinzierls fand bereits am 16. September auf dem Friedhof Grieskirchen statt, bei dem die Nibelungia Wien chargierte und auch Vertreter der Austria Innsbruck, der Norica und der Carolina teilnahmen. Der tragische Fall wurde von der Heimwehr publizistisch ausgenützt, jedoch verhinderte Landeshauptmann Josef Schlegel (Nc), daß die Beerdigung zu einer politischen Kundgebung ausartete. In der Tat war die Berichterstattung des „Linzer Volksblattes“, des Organs des Katholischen Volksvereins, für heutige Verhältnisse auffallend zurückhaltend.
Der Täter wurde sofort verhaftet, und es kam drei Monate später zum Prozeß vor dem Kreisgericht (Landesgericht) Wels. Er wurde lediglich zu drei Monaten unbedingt, dem untersten Strafmaß nach § 523 StG in Verbindung mit § 140 StG (selbstverschuldete Berauschung bzw. Totschlag), verurteilt. Erst einige Monate später, im Jahr 1932, gab es in der „Academia“ eine lapidare Mitteilung im Rahmen eines Verbindungsberichts der Nibelungia Wien: „phil. Engelbert Weinzierl wurde in der Nacht vom 13. auf den 14. September 1931 von einem politischen Gegner in Grieskirchen (O. Ö.) ermordet.“ Die Heimwehr brachte später am Ort des Verbrechens eine Gedenktafel an, die jedoch nach dem Anschluß 1938 entfernt wurde.
Der Tod des jungen Weinzierl kurz nach dessen 26. Geburtstag war sinnlos und unfaßbar. Er ist Opfer der zugespitzten politischen Verhältnisse in der Ersten Republik geworden. Er war zwar nicht direkt in ein derartiges Geschehen verwickelt oder Opfer eines direkt gewollten politischen Verbrechens, jedoch indirekt hat ihn ein derartiges auf höchst tragische Weise getroffen. Er war auch das Opfer der damals herrschenden noch unzulänglichen medizinischen Versorgung. Nach heutigen Maßstäben wäre binnen weniger Minuten der Rettungswagen da gewesen. Weinzierl war zwar kein eigentlicher Märtyrer oder eigentliches politisches Opfer, jedoch zeigt sein jugendlich-sinnloser Tod nur, was damals in einer in jeder Hinsicht aufgeheizten Stimmung alles möglich war. Sein jugendliches Sterben ist eine Mahnung an spätere Generationen, daß Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann. Daher ist aus diesen Gründen das Andenken an ihn für die Nibelungia und den CV ehrenhaft, vor allem auch im Hinblick auf die vergleichbaren Fälle Max Ghezze (R-B) und Anton Geser (Na, Cl).
Schließlich dürften Weinzierl bzw. der Prozeß gegen Karl Leitner allem Anschein nach ein juristisches Tauschobjekt gewesen sein. Das auch nach heutigen Maßstäben äußerst milde Urteil gegen Leitner läßt nämlich einen politischen Hintergrund vermuten. Zur selben Zeit lief nämlich in Graz der Hochverratsprozeß gegen Walter Pfrimer. Um hier gegen ihn beim Urteil milde sein zu können, ohne sich dabei von der linken Seite deswegen übergroße Kritik zuziehen zu müssen, hat man gegenüber einem Sozialdemokraten, der einen an sich unbekannten (und daher politisch mehr oder minder bedeutungslosen) Angehörigen der Heimwehr getötet hatte, erst einmal Milde walten lassen. Offenbar ein „Justiz-Tausch-Geschäft“, das auch vor dem Hintergrund des Schattendorf-Prozesses des Jahres 1927 und dessen Folgen (Justizpalast-Brand) zu werten ist.
Bezüglich Weinzierl gibt es zwei Fehler. Zum einen wurde als Todesdatum der 13. September tradiert (z. B. im Totenverzeichnis des Gesamtverzeichnisses des ÖCV von 1935 und auf der oben erwähnten Gedenktafel). Zum anderen findet sich auf dieser Gedenktafel sowie auf einem Totenzettel die Schreibweise Weinzirl. Beide Angaben sind ausweislich der Grieskirchener Pfarrmatriken nicht korrekt.
Quellen und Literatur:
Mitteilung des Archivs der Pfarrgemeinde Grieskirchen (Friedrich Humer), 29. 4. und 10. 5. 2015.Kreisgericht Wels, Strafakt 10 VR 854 ex 31.
Linzer Volksblatt, 16. 9. 1931, S. 4, und 18. 9. 1931, S. 4.
Academia 45 (1932), S. 55.
Slapnica, Harry: Oberösterreich zwischen Bürgerkrieg und Anschluß. 1927–1938. Linz 2. Aufl. 1979, S. 59f.
Hartmann, Gerhard (Baj): Für Gott und Vaterland. Geschichte und Wirken des CV in Österreich. Kevelaer 2006, S. 274.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 426f.