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Reichsrats-Abg. Raimund Neunteufel

Reichsrats-Abg. Raimund Neunteufel

Urverbindung: Austria-Wien (27.10.1892)

Bandverbindungen: Cl, Kb

Geboren: 22.05.1872, Japons an der Thaya (Bezirk Horn, Niederösterreich)
Gestorben: 18.04.1937, Graz
Reichsratsabgeordneter, Journalist

Lebenslauf:

Neunteufel wurde als Sohn eines Landwirts geboren und absolvierte 1890 das Gymnasium in Horn. Anschließend diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Infanterieregiment Großherzog von Hessen und bei Rhein Nr. 14 in Linz. Danach begann er das Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, wo er der Austria Wien beitrat (Couleurname Sigurd) und dort Senior sowie Fuchsmajor war. Nach fünf Semestern wechselte er an die Rechtswissenschaftliche Fakultät. Beide Studien beendete er nicht. Im Sommer 1899 war er beim Beschluß, eine Landsmannschaft für Studenten aus Oberösterreich und Salzburg ins Leben zu rufen, beteiligt: die Verbindung Kürnberg.

Im Jahr 1900 kam Neunteufel nach Graz. Dort wurde er Redakteur des „Grazer Volksblattes“, das vom Katholischen Preßverein (Verlag Styria) herausgegeben wurde. 1902 wurde er zusätzlich auch Verantwortlicher Redakteur des „Sonntagsboten“. 1904 schied er wegen hoher Gehaltsforderungen aus der Redaktion des „Grazer Volksblattes“, einigte sich aber bald wieder und war dann ab 1906 wieder dort tätig. In dieser Zeit wurde er Bandphilister bei der Carolina, was er als Urmitglied der Austria Wien offiziell erst nach der Vereinigung des 2. ÖCV mit dem CV werden konnte. 1910 verließ er endgültig das „Grazer Volksblatt“ und gründete in Graz den „Österreichischen Staatsbürger“, eine christlichsoziale Wochenzeitung.

Nach dem Überfall der schlagenden Verbindungen auf die Carolina in der Grazer Harrachgasse im November 1901 gab es am Montag, dem 25. November 1901, eine Protestversammlung. Auf dieser sprachen zuerst Neunteufel, dann der Redakteur der „Reichspost“, Friedrich Funder (Cl). Beide Redner gingen auf die Ursachen und Auswirkungen des allgemeinen Kulturkampfes sowie des auf der Universität ein.

Neunteufel war ein glänzender Redner und Schreiber, so daß sein Weg in die Politik nur natürlich war. Da er in Wien offenbar von den Christlichsozialen stark geprägt wurde, versuchte er, deren Ideen in der Steiermark zum Durchbruch zu verhelfen. Er gilt als der eigentliche Gründer der Christlichsozialen in der Steiermark im Jahr 1901 (Wählerverein der Christlichsozialen Volkspartei). Am 14. Februar 1907 wurde er Vorsitzender der Landesleitung der Christlichsozialen Reichspartei.

1910 brach ein Streit zwischen dem Reichsratsabgeordneten Franz Hagenhofer, dem Obmann des Steirischen Bauernbundes, der Organisation der Katholisch-Konservativen, und Neunteufel, dem Obmann der Christlichsozialen, aus, der sogar in einen Ehrenbeleidigungsprozeß mündete. Am 9. Oktober 1910 fand eine vergebliche Einigungskonferenz statt.

Bei den Reichsratswahlen des Jahres 1911 kandidierte Neunteufel in einem obersteirischen Wahlkreis und gewann diesen. Er gehörte dem Abgeordnetenhaus vom 17. Juli 1911 bis zum Ende der Monarchie an. 1911 mußten die Christlichsozialen bei den Reichsratswahlen erhebliche Verluste hinnehmen. Der Streit flammte neuerlich auf. Einige Christlichsoziale fanden sich daraufhin am 8./9. Dezember 1911 zu einem Parteitag zusammen und gründeten eine „Unabhängige Christlichsoziale Volkspartei der Deutschen Österreichs“. Neunteufel betrachtete sich von der Christlichsozialen Reichspartei als ausgeschlossen und wurde Vorsitzender dieser Partei, der sich 1911 auch der Reichsratsabgeordneten Ferdinand von Pantz (Rd EM) anschloß.

Am 19. Januar 1913 kam es zu einem zweiten Parteitag, an dem auch unzufriedene Vertreter aus Wien und Oberösterreich teilnahmen. Als Folge davon bildeten Neunteufel, Pantz und August Kemetter (AW) sowie ein weiterer Abgeordneter eine eigene Fraktion mit dem Namen „Deutsches Zentrum“. Der Krieg verhinderte eine weitere Verschärfung, es kam sogar wiederum zu einer losen Annäherung, und am 27. Oktober 1918 traten diese „Zentristen“ im Rahmen der Provisorischen Nationalversammlung Österreichs wieder den Christlichsozialen bei. Ab 1913 bis zum Ende der Monarchie war er auch Gemeinderat von Graz.

Neunteufel gehörte vom 21. Oktober 1918 bis zum 16. Februar 1919 der Provisorischen Nationalversammlung Deutsch-Österreichs an, wurde aber danach von den Christlichsozialen für die Konstituierende Nationalversammlung nicht mehr aufgestellt. Ein Grund dafür dürfte auch seine Annäherung an die Deutschnationalen bzw. die Großdeutschen gewesen sein, die Neunteufel offenbar aufgrund seiner politischen Isolierung betrieben hatte. So wurde er am 25. Mai 1919 als Vertreter der Großdeutschen in die interministerielle Kommission für Westungarn (Burgenland) entsandt.

Im Krieg war Neunteufel zunächst im Kriegspressequartier, ab 1915 war er Freiwilliger in einem Landstrurm-Infanteriebataillon an der Ostfront (letzter Dienstgrad: Leutnant der Reserve). Nach dem Krieg kehrte Neunteufel nach Wien zurück, wurde Leiter einer Volksbücherei und Direktor des „Deutschen Hilfsbundes“ (bis 1925 nachweisbar). Erst bei der Gründung der Vaterländischen Front erinnerte man sich in Graz wieder an ihn und seine journalistische Begabung. Er wurde 1934 Pressereferent bei der Landesleitung der Vaterländischen Front Steiermarks in Graz, was er bis zu seinem Tod in Graz blieb. Er wurde dort auf dem St. Leonhard Friedhof begraben.

Neunteufel war kein einfacher Charakter. Zum einen war er sicherlich sehr begabt, zum anderen war er cholerisch und konnte sich nicht leicht unterordnen. Bei der Austria erhielt er gelegentlich bei Kneipen „Bierverschiß“. Wegen seines og. politischen Verhaltens vor dem Ersten Weltkrieg gab es zwischen ihm und der Austria Konflikte, die sich aber in späteren Jahren bereinigten.

Quellen und Literatur:

Pro aris et focis, 6. Jahrgang, Heft 1-3 (Oktober 1937), S. 30f.
Verbindungsarchiv Carolina, Carolinas Tote I, S. 191ff.
Melliwa, Ulrike: Die steirischen Abgeordneten im österreichischen Reichsrat 1907–1918 . Graz phil. Diss. 1964, S. 133f.
Sommer, Wolfgang: Das „Grazer Volksblatt“ von 1880 bis 1907. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Presse in der Steiermark. Graz phil. Diss. 1972, S. 36f.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, S. 83, 147, 163, 187, 203–213 und 220.
https://www.parlament.gv.at/WWER/PARL/J1848/Neunteufel.shtml