Lebenslauf:
HERKUNFT UND AUSBILDUNG
Petsche wurde als ältester Sohn eines Lehrerehepaars geboren. Seine Mutter entstammte einer galizischen bzw. polnisch-ukrainischen Adelsfamilie. Deren Vater war Realschuldirektor in Sereth, damals Bukowina, nunmehr Rumänien. Einer ihrer Urgroßväter war ukrainisch-katholischer Priester, der wiederum mit der Tochter eines solchen Priesters verheiratet war. Petsche wuchs in der deutschen Sprachinsel Gottschee auf, wo die Eltern unterrichteten, besuchte in Laibach von 1913 bis 1917 die slowenische Übungsvolksschule und im Anschluß daran das dortige deutsche Gymnasium. Der Vater wurde im November 1918 vom neuen SHS-Staat, dem „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, dem späteren Jugoslawien, gekündigt und ging nach Salzburg, wo er in der Lehrerausbildung eine Stelle fand.
Die Mutter und die Kinder folgten 1919 nach. Petsche besuchte daraufhin in Salzburg das Gymnasium und trat Ende 1922 der dortigen katholischen Pennalie (später MKV) Almgau bei. Nach seiner Matura im Jahr 1925 begann Petsche sowohl ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien als auch aufgrund seiner künstlerischen Neigungen ein solches an der Akademie für Bildenden Künste Wien im Hinblick auf eine Laufbahn als Lehrer im Fach Kunsterziehung (Diplom 1930 mit dem Titel Akademischer Maler; später Mag. art.). Dort trat er der Austria bei (Couleurname Rafael). Sein Leibbursch war Eduard Mayller (AW).
BERUFLICHE LAUFBAHN
Bereits ab 1929 war Petsche als diesbezüglicher Lehrer zunächst in Salzburg tätig. Von 1931 bis 1933 war er als solcher am Gymnasium in Ried/Innkreis, wo der Gründer des Kürnberg Vinzenz Meindl (Kb) Direktor war. 1933 wechselte er in die Lehrerbildung und unterrichtete an der Lehrerbildungsanstalt in St. Pölten, wo Rudolf Suchanek (AW) Direktor war.
Nach dem Krieg war Petsche von 1945 bis 1951 in Linz wieder in der Lehrerausbildung tätig und unterrichtete an der dortigen Lehrerbildungsanstalt. Mit 1. Juni 1951 wurde er zum Fachinspektor für die Kunsterziehung an allgemeinbildenden wie berufsbildenden höheren Schulen sowie Lehrerbildungsanstalten für die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und für das Burgenland mit Dienstsitz Linz ernannt. In dieser Funktion wurde ihm Anfang 1969 der Berufstitel Hofrat verliehen. Mit 31. Dezember 1972 ging er in den Ruhestand. Bereits im März 1972 ernannte ihn die oberösterreichische Landesregierung zum Konsulenten für Kunstpflege. Nach seiner Pensionierung zog er nach Ried/Innkreis, woher seine Frau stammte.
Petsche war neben seiner Berufstätigkeit als Lehrer auch als freischaffender bildender Künstler bzw. Maler tätig. Er bevorzugte figürliche Motive, die er im Alter fast ausschließlich in einer eigenwilligen, von ihm als „Lumigraphie“ genannten Collagetechnik aus farbigen Kreidezeichnungen und Lichtdrucken fertigte. Nach seiner Pensionierung ist er mit einer Reihe von Ausstellungen in die Öffentlichkeit getreten. Für sein künstlerisches Schaffen erhielt er 1985 das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das ihm vom oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Ratzenböck (AlIn EM) überreicht wurde.
ALS GERECHTER UNTER DEN VÖLKERN
Petsche wurde im Zweiten Weltkrieg eingezogen und war 1944 als Subalternoffizier in Neusatz an der Drau (Novi Sad, Újvidék) stationiert. Diese Stadt gehörte bis 1918 innerhalb der ungarischen Reichshälfte zu Ungarn und lag damals an der Grenze zu Slawonien, die die Drau bildete. Nach 1918 kam dieses Gebiet, das geographisch zum westlichen Banat zählt, zu Jugoslawien. Als im April 1941 die Deutsche Wehrmacht Jugoslawien besetzt und daraufhin aufgeteilt hatte, kam dieses Gebiet wieder zu Ungarn, wo es bis 1945 verblieb.
Petsche wohnte in Neusatz in einem Haus, das Juden gehörte und bewohnten. Am 25. März 1944 sollten 4000 Juden aus dem Gebiet Neusatz in das KZ Auschwitz deportiert werden. Er beschloß, der Familie eines in diesem Haus wohnenden jüdischen Anwalts mit zwei minderjährigen Töchtern zu helfen. Er reiste mit diesen und einer Haushaltshilfe zu deren Tante nach Budapest, wo dann die beiden Mädchen in einem Kloster versteckt wurden. Er kehrte daraufhin noch in derselben Nacht nach Neusatz zurück. Dort verhalf er dem Anwalt und weiteren Familienangehörigen zu Bahnkarten, damit sie Neusatz verlassen konnten. Die Ehefrau des Anwalts, die Kinder und die Tante wurden verhaftet und nach Auschwitz verbracht. Die Kinder und die Tante überlebten und emigrierten nach 1945 nach Israel.
Da die beiden überlebenden Töchter von der Rettungstat Petsches der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem berichteten, verlieh diese ihm die Ehrenmedaille „Gerechter unter den Völkern“. Diese Auszeichnung wurde ihm im November 1983 vom damaligen israelischen Botschafter in Anwesenheit von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (ehemals Kb) überreicht. Als Gründe für sein damaliges Verhalten nannte Petsche „das selbstverständliche menschliche Gebot, anderen in der Not zu helfen“. Außerdem wußte er, was diesen Juden passieren wird, denn mehrere Verwandte seiner Mutter kamen bereits im KZ um. Er war der erste einer ÖCV-Verbindung, der mit diesem Ehrentitel ausgezeichnet wurde. Diesen erhielt 1986 auch der Arzt Arthur Lanc (NdW), der 1944 in Gmünd (Niederösterreich) ungarische Juden rettete. Bis 2011 bekamen 88 Österreicher diese Auszeichnung, zwei davon stammten aus dem ÖCV.
Daß Petsche diesen Ehrentitel bekommen hat, wurde im ÖCV erst Anfang Januar 2025 durch einen Hinweis von Wilhelm Ortmayr (Lo) bekannt. Diese beiden sind bzw. waren Mitglieder der Salzburger MKV-Verbindung Almgau. Petsche war auch Bandphilister der MKV-Verbindungen Frankonia Linz, Siegfridia Linz und Rugia Ried.
Quellen und Literatur:
Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner Am, Mitteilung 10. 1. 2025).Verbindungsarchiv Austria Wien (Personalstandesblatt).
https://de.wikipedia.org/wiki/Roman_Erich_Petsche (Abruf 10. 1. 2024).
Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. Hg. von Daniel Fraenkel und Jakob Borot. Göttingen 2005, 346f,
Gottscheer Zeitung Jg. 83, Folge 2, Februar 1986.
Rieder Volkszeitung, 22. 12. 1983.