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Prof. Dr. Franz Xaver Jetzinger

Prof. Dr. Franz Xaver Jetzinger

Urverbindung: Austria Innsbruck (06.10.1905)

Geboren: 03.12.1882, Ranshofen (nunmehr Braunau am Inn, Oberösterreich)
Gestorben: 19.03.1965, Ottensheim (Bezirk Urfahr-Umgebung, Oberösterreich
Aus dem CV ausgeschieden, Hochschulprofessor (Altes Testament), Landtagsabgeordneter (Oberösterreich), Landesrat (Oberösterreich), Weltpriester, Landesbediensteter
Politische Haft: Februar 1934 Polizeihaft, 1944 Gestapohaft

Lebenslauf:

LAUFBAHN ALS PRIESTER UND POLITIKER

Nach der Matura in Salzburg begann Jetzinger mit dem Berufswunsch Priester das Studium zuerst an der damals selbständigen Theologischen Fakultät Salzburg sowie dann an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck (Dr. theol.), wo er der Austria beitrat (Couleurname Friedl). Nach seiner Priesterweihe für die Diözese Linz im Jahr 1908 bereitete er sich auf eine Lehrtätigkeit an der dortigen Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt vor, wobei er sich zu diesem Zweck auch in Palästina aufhielt und Mitglied des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom wurde. 1913 wurde er dann in Linz zum Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen ernannt.

Im Ersten Weltkrieg war Jetzinger als Militärkurat eingesetzt. Offenbar infolge des Kriegserlebnisses wandte er sich nach dem Krieg von seinem Priesterberuf ab und begann, sich zuerst für kurze Zeit bei der Deutschen Volkspartei (später Großdeutsche Volkspartei) und dann bei den Sozialdemokraten politisch zu betätigen. Er kandidierte für diese bei den Wahlen zum oberösterreichischen Landtag, wurde gewählt und gehörte diesem nach Wiederwahlen vom 23. Juni 1919 bis zum 12. Februar 1934 an (XII. bis XIV. Wahlperiode).

Aus diesem Grund wurde Jetzinger 1919 von seinem Priesteramt suspendiert, und er trat dann im Dezember 1921 auch formell aus der katholischen Kirche aus. Spätestens ab diesem Zeitpunkt erlosch automatisch seine Mitgliedschaft bei der Austria Innsbruck bzw. im CV. Allerdings findet er sich nicht mehr im CV-Gesamtverzeichnis des Jahres 1920, so daß offenbar ein Ausscheiden bzw. ein Ausschluß bereits 1919, wie er für die Sozialdemokraten kandidiert hat, stattgefunden haben muß. Ein Verbindungsgerichtsverfahren mit einer Dimittierung ist jedoch im Archiv der Austria nicht nachzuweisen.

Seinen eigentlichen Lebensunterhalt verdiente Jetzinger ab 1920 als Redakteur des sozialdemokratischen Linzer „Tagblatts“ und schied, als er am 26. Mai 1930 zum Landesrat-Ersatzmann gewählt wurde, aus der Redaktion aus. Am 26. März 1932 wurde er schließlich zum Landesrat gewählt. Zu seinen Agenden zählten Teile der Gemeindeangelegenheiten, Bereiche des Gesundheitswesens sowie die Aufsicht über das Landesarchiv und die Bibliotheken.

Im Zuge des partiellen Schutzbundaufstandes am 12. Februar 1934 verlor Jetzinger alle seine politischen Ämter und war fünf Wochen in Polizeihaft. Im Oktober 1934 fand er eine Anstellung als Vertragsbediensteter bei der Gemeinde Wien und war dort Bibliothekar der Statistischen Abteilung. Mit 1. Januar 1947 konnte er nach Linz zurückkehren und wurde Leiter der Amtsbibliothek der oberösterreichischen Landesregierung. Mit 30. November 1954 ging er in den Ruhestand. Bereits 1935 trat er wieder in die katholische Kirche ein.

JETZINGER ALS HITLER-BIOGRAPH

Als das für das Landesarchiv zuständige Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung besorgte sich Jetzinger alle Akten über Adolf Hitler, wo es u. a. auch um dessen nicht nachgekommener Stellungspflicht in den Jahren 1909 und 1913/14 ging, die für Hitler in einem gewissen Sinn kompromittierend gewesen wären. Jetzinger nahm in seiner Amtszeit diese Akten, dessen Bearbeiter 1914 der spätere Unterstaatssekretär Josef Sommer (S-B) war, zu sich und versteckte sie bis 1945 auf seinem Dachboden. Nach dem Anschluß wollte Hitler diese Akten unbedingt haben und beauftragte August Eigruber, den Gauleiter von „Oberdonau“, so hieß damals Oberösterreich, mit der Suche nach diesen. Im Zuge dessen wurde auch Sommer verhört und verhaftet, wobei 1943 kurioserweise sogar Jetzinger bei dieser Suche eingeschaltet wurde. Am 22. April 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet und war einige Zeit in Gewahrsam.

In seiner Pension beschäftigte sich nun Jetzinger mit der Jugend Adolf Hitlers. Dabei kam ihm zugute, daß er in dem später zu Braunau gehörenden Ranshofen geboren wurde und bis 1934 auch politisch dort beheimatet war, weil er im Wahlkreis Innviertel kandidierte. So erschien 1956 sein Buch über die Jugend Hitlers, in dem er vor allem auf das kurz davor erschienene Buch „Adolf Hitler. Mein Jugendfreund“ von August Kubizek replizierte. In den Jahren zuvor arbeiteten sie aber zusammen. 1957 widmete der „Spiegel“ Jetzinger und Kubizek sogar einen ausführlichen Bericht.

Jetzingers Darstellung fußte auf Recherchen im Linzer Landesarchiv sowie auf solche bei Personen, die Hitler noch aus seiner Kindheit und Jugend in Braunau sowie Linz gekannt hatten. Dabei versuchte er Ereignisse und Begebenheiten in Hitlers Kindheit negativ zu interpretieren, d. h., daß so manche Veranlagung schon damals sichtbar wurde. Damit bediente er sich im umgekehrten Sinn der Darstellungsweise bzw. den Motiven der apokryphen Kindheitsevangelien, die Jesus als „Wunderkind“ vermitteln wollten. Jetzinger war Bibelwissenschaftler und als solcher mit dieser literarischen Art vertraut, welche er nun in seiner Hitler-Biographie zur Anwendung brachte. So behauptete er u. a., Hitler hätte als Kind einen lebenden Frosch an ein Brett genagelt, um so seine sadistische Veranlagung zu beweisen, oder wäre nicht am Sterbebett seiner von ihm über alles geliebten Mutter anwesend gewesen. Auch ging Jetzinger einer sich nachträglichen als falsch herausgestellten Spur nach, daß Hitler ein Vierteljude gewesen sein soll.

In der wissenschaftlichen Forschung wurde anfänglich Jetzingers Ausführungen mehr Glauben geschenkt als August Kubizek, so z. B. von Joachim Fest, der 1973 eine Hitler-Biographie veröffentlichte. Brigitte Hamann hingegen, die 1996 „Hitlers Wien“ herausbrachte, relativierte hingegen so manche Aussagen Jetzingers, ohne aber jedoch den grundsätzlich wichtigen wissenschaftlichen Wert seiner Arbeit in Abrede zu stellen. Daher wurde er auch im ersten Band der 1998 erschienen Hitler-Biographie von Ian Kershaw entsprechend zitiert.

In der von dem Linzer Historiker Roman Sandgruber (Am) Anfang 2021 erschienenen Studie über Hitlers Vater und dessen Familie wird auf Jetzinger eingegangen, wobei Sandgruber zu folgendem Schluß kommt (siehe unten Literaturerzeichnis, S. 14f.): „Neben Hitlers ‚Mein Kampf‘ und Alfred Kubizeks Zeitzeugenberichte ist Franz Jetzingers Darstellung der Jugendzeit Hitlers […] als die wichtigste Quelle zu nennen. […] Er hat Hitler persönlich nicht gekannt und ist mit ihm nie zusammengetroffen, ist aber unverzichtbar, weil er heute nicht mehr verfügbare Zeitzeugen interviewt und wichtige Dokumente zusammengetragen hat [,,,]. Entstanden ist eine verdienstvolle wissenschaftliche Arbeit. Bedenkt man die Möglichkeiten der Nachkriegszeit, die absolute Quellenatmut zu Hitlers Frühzeit und die extreme Verderbung dieser Quellen durch Vernichtungsaktionen der Nationalsozialisten und durch in jeder Hinsicht sehr unglaubwürdige Zeitzeugen, so kommt Jetzinger das Verdienst zu, erstmals die Kinder- und Jugendjahre Hitlers in den Grundzügen rekonstruiert zu haben. Er musste viele Frustrationen ertragen […] bei seinen Hitler-Forschungen, wo ihm August Kubizek, der von ihm einige Daten erhalten hatte, mit der Veröffentlichung zuvorgekommen war. Und seine Frustration wäre noch größer geworden, hätte er erleben müssen, wie die spätere Wissenschaft seine Ergebnisse abwertete und ihn, der immerhin in seinem ersten Beruf Professor für Altes Testament an einer Theologischen Lehranstalt gewesen war, als wissenschaftlichen Amateur einstufte und seinen von ihm zu Recht kritisierten Konkurrenten Kubizek hochjubelte.“

Werke:

Hitlers Jugend. Phantasie Lüge und Wahrheit (1956).

Quellen und Literatur:

Verbindungsarchiv Austria Innsbruck, Grundbuch 898 (Mitteilung Bruno Penz).
Academia 26 (1913/14), S. 332.
Der Spiegel, Nr. 24, 1957, S. 54–58.
Slapnicka, Harry: Oberösterreich. Die politische Führungsschicht 1918 bis 1938 (= Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs 3). Linz 1976, S. 140f.
Hamann, Brigitte: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. München 7. Auflage 1997, S. 81–86.
https://e-gov.ooe.gv.at/biografien/Start.jsp?param=ooe&personId=248 (Abruf 3. 3. 2016).
Sandgruber, Roman (Am): Hitlers Wien. Wie der Sohn zum Diktator wurde. Wien 2021.