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Reichskanzler Konstantin Fehrenbach

Reichskanzler Konstantin Fehrenbach

Urverbindung: Hercynia Freiburg (03.11.1874)

Bandverbindungen: ArF, Ho, Sv

Geboren: 11.01.1852, Wellendingen (Kreis Waldshut, Großherzogtum Baden; nunmehr Bonndorf, Baden-Württemberg)
Gestorben: 26.03.1926, Freiburg im Breisgau (Baden)
Reichskanzler, Reichstagspräsident, Fraktionsvorsitzender, Landtagspräsident (Baden), Präsident des Katholikentags 1907, Rechtsanwalt

Lebenslauf:

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Fehrenbach wurde als Sohn eines Volksschullehrers geboren. Sein Vorname wird eigentlich Constantin geschrieben, jedoch bürgerte sich, nicht zuletzt in der historischen Literatur wie auch im CV, die Schreibweise Konstantin ein. Wellendingen gehörte bis 1805 zur Grafschaft Bonndorf, die wiederum zur Herrschaft der reichsunmittelbaren Abtei St. Blasien gehörte. Im Zuge der Säkularisation (1803) und des Friedens von Preßburg (1805) gelangte dieses Gebiet zum neu formierten Großherzogtum Baden. Es lag bis dahin in unmittelbarer Nachbarschaft von Vorderösterreich.

Fehrenbach wuchs also in einer Gegend auf, in der noch die Traditionen des ehemaligen Vorderösterreichs fortlebten, die bei ihm den Gedanken der großdeutschen Zusammengehörigkeit wachhielten. Damit einher ging eine Aversion gegen den preußischen Militarismus. Als Gymnasiast erlebte er im ehemaligen österreichischen Breisgau die kleindeutsche Reichgründung. Dort kursierte Ende 1870 ein Flugblatt, auf dem zu lesen stand: Herr Bismarck, Herr Bismarck, wir gehen nicht Berlin, es gibt nur eine Kaiserstadt, und die ist Wien.

Gefördert vom Ortspfarrer trat Fehrenbach 1865 in das erzbischöfliche Knabenkonvikt in Freiburg/Br. ein und begann nach dem Abitur 1871 das Studium an der Katholisch-Theologischen Fakultät der dortigen Universität. Im Jahr 1874 erreichte der Kulturkampf im Großherzogtum Baden seinen Höhepunkt. Die badische Regierung verschärfte das „Kulturexamen“ für Jungpriester derart, so daß ihnen die öffentliche Ausübung aller kirchlichen Funktionen versagt blieb. Fehrenbach gab in diesem Jahr das Theologie-Studium auf und wechselte an die Rechtswissenschaftliche Fakultät. Ein späterer politischer Weggefährte berichtete, daß nicht der Kulturkampf die Ursache für den Studienwechsel war, sondern daß ein „heißes Frauenherz“ dahinter gestanden hat.

Fehrenbach konnte nun als 25. Mitglied der 1873 gegründeten Freiburger CV-Verbindung Hercynia beitreten, deren Senior er auch war. Vom Gründungsalter ist sie die zwölftälteste Verbindung des CV. Gemessen am Beitritt zum CV, der für die Rangfolge im CV entscheidend ist, steht sie an achter Stelle. Auf jeden Fall ist sie die älteste CV-Verbindung in Freiburg. Fehrenbach gehört ähnlich wie der spätere Reichskanzler Georg Graf von Hertling (Ae) zu den frühen CVern. Es ist bemerkenswert, daß bereits beide dem Anspruch des CV, Elitereservoir für den Politischen Katholizismus zu sein, entsprochen haben.

RECHTSANWALT UND EINSTIEG IN DIE LANDESPOLITIK

Fehrenbach legte 1879 sein erstes juristisches Staatsexamen ab. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen eröffnete er 1882 in Freiburg eine Anwaltskanzlei und wurde bald zu einem der gesuchtesten Strafverteidiger. Seine Plädoyers seien „Meisterwerke gerichtlicher Beredsamkeit“ gewesen. Aufgrund seines Berufes und seiner Sozialisation im katholischen Milieu sowie im CV entstand bald ein politisches Interesse, das sich zuerst auf die Kommunalpolitik richtete. Bereits mit knapp 30 Jahren wurde er Mitglied des Freiburger Bürgerausschusses, und von 1884 bis 1895 war er Stadtverordnetenvorsteher und stellvertretender Oberbürgermeister. Bis 1920 war er Stadtrat, und ab 1896 war er auch Kreistagsabgeordneter. In Freiburg war er inzwischen als Vorsitzender des Münsterbauvereins und als Präsident des Männergesangsvereins fest verankert.

Fehrenbach wurde erstmals 1885 in die Zweite Kammer der badischen Ständeversammlung (Landtag) gewählt, der er bis 1887 angehörte. Allerdings geriet er damals in heftige innerparteiliche Kontroversen der badischen Zentrumspartei, als es darum ging, wie der badische Kulturkampf abgebaut werden könne. Resigniert verließ er vorerst die badische Landespolitik. Seine eigentliche politische Laufbahn begann er dann 1901, als er neuerlich in die Zweite Kammer gewählt wurde. Da der damalige Fraktionsführer im Kulturkampf eine harte Linie vertrat, sich beim Großherzog Friedrich I. unbeliebt gemacht hat und 1903 aus dem Landtag ausschied, wurde der kompromißbereitere Fehrenbach zu seinem Nachfolger gewählt. 1908 wurde er zum Kammerpräsidenten gewählt, welche Funktion er nur bis 1909 ausübte. 1913 schied er endgültig aus der Zweiten Kammer aus.

FEHRENBACH IM REICHSTAG

Bei den Reichstagswahlen am 16. Juni 1903 kandidierte Fehrenbach im Wahlkreis Lahr/Wolfach und gewann diesen für die Zentrumspartei. Damit hing eine Verlagerung seines politischen Schwerpunkts weg von der Landespolitik hin zur Reichspolitik zusammen. In diesen Jahren begründete er seinen Ruf, einer der besten Redner des katholischen Deutschlands zu sein.

Das dürfte auch ausschlaggeben gewesen sein, Fehrenbach 1907 zum Präsidenten des Katholikentags in Würzburg zu wählen. Als solcher nahm er dann vom 16. bis 19. November 1907 am 6. Allgemeinen österreichischen Katholikentag in Wien teil und besuchte selbstverständlich den Kommers am 18. November, den die CV-Verbindungen veranstalteten. Fehrenbach ließ es sich nehmen, „das Präsidium der flotten Exkneipe zu übernehmen“. Die Eröffnungsrede zum Katholikentag hielt der Wiener Bürgermeister Karl Lueger (Nc EM), dessen Worte von der „Eroberung der Universitäten“ einen Skandal auslösten.

Fehrenbachs rhetorische Gabe zeigte sich auch bei seiner Reichstagsrede am 3. Dezember 1913 anläßlich der Zabern-Affäre. Im elsässischen Zabern (Saverne) kam es zu Übergriffen des Militärs gegenüber der Zivilbevölkerung, wodurch das Verhältnis zwischen militärischer und ziviler Gewalt herausgefordert wurde. Mit seiner Rede, mit der er sich zum Anwalt gegen den preußischen Militarismus gemacht hat, gewann er im ganzen Reich als einer der Hauptvertreter des süddeutsch-demokratischen Flügels der Zentrumspartei Profil.

FEHRENBACHS ROLLE BEI DER TRANSFORMATION 1917 BIS 1919

Fehrenbach wurde im Laufe des Ersten Weltkriegs durch seine Vermittlerfähigkeiten immer einflußreicher, so daß er im Sommer 1917 den Vorsitz im Hauptausschuß des Reichstags übernahm. Im Zuge der Ablöse von Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg wurde er als dessen Nachfolger genannt, lehnte aber ab. Dieses Amt übernahm dann für drei Monate Georg Michaelis.

Fehrenbach war auch einer der Hauptakteure bei der Friedensresolution des Reichstags am 19. Juli 1917. Vorbereitet wurde diese im sog. Interfraktionellen Ausschuß, dem die SPD, das Zentrum und die linksliberale Fortschrittliche Volkspartei angehörten. Dessen Vorsitzender wurde er im November 1917. Somit saß er zwei Gremien vor, in denen sich das Parlament in der Schlußphase des Krieges zum eigentlichen Gegengewicht gegen die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff herauskristallisierte und die Parlamentarisierung der Monarchie in die Wege leitete. Diese Entwicklung war insofern beachtlich, denn Anfang November 1917 hatte nicht nur Fehrenbach eine herausragende politische Stellung im Reichstag, sondern auch Georg Graf von Hertling (Ae) wurde zeitgleich zum Reichskanzler ernannt. Beide waren Spitzenrepräsentanten des Politischen Katholizismus und CVer.

Schließlich wurde Fehrenbach Anfang Juni 1918 zum Reichstagspräsidenten gewählt. Damit waren die beiden höchsten nichtmonarchischen Positionen des Deutschen Reiches von Urmitgliedern des CV besetzt. Diese Konstellation sollte sich erst wieder 1959 ergeben, als in Österreich Julius Raab (Nc) Bundeskanzler und Leopold Figl (Nc) Nationalratspräsident waren. Fehrenbach war in der Transformationsphase des Deutschen Reiches von der Monarchie zur Republik ein wichtiger politischer Akteur. Konkurrenz zu ihm gab es in der Zentrumsfraktion mit Matthias Erzberger, der am 11. November 1918 den Waffenstillstand in Compiègne unterschrieb, dann später erfolgreicher Reichsfinanzminister wurde und am 26. August 1921 einem politischen Attentat zum Opfer fiel.

Nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Hertling wurde der badische Thronfolger Prinz Max von Baden zum Nachfolger ernannt. Dieser hielt am 5. Oktober 1918 seine Vorstellungsrede vor dem Reichstag. Dessen Präsident Fehrenbach erteilte ihm – nicht ohne tiefe Bewegung – als „Sohn aus dem badischen Bürgerhaus“ dem „Sohn aus dem badischen Fürstenhaus“ das Wort. Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelms II. ab, und Fehrenbach verließ am 10. November in tiefer Depression Berlin. Am 12. November sprach er vor dem badischen Zentralkomitee der Zentrumspartei von „Finis Germaniae“. Er war im Grunde seines Herzens ein Anhänger einer parlamentarischen Monarchie.

Fehrenbach überwand rasch seine Resignation und kehrte am 15. November nach Berlin zurück. Er wollte den Reichstag einberufen, aber der Rat der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert war dagegen. Dafür beschloß man, möglichst rasch eine Nationalversammlung zu wählen. Das fand am 19. Januar 1919 statt, und Fehrenbach wurde zum Mitglied gewählt. Sie konstituierte sich am 6. Februar und wählte ihn zum Vizepräsidenten. Da nun Reichspräsident, Reichsministerpräsident und Reichstagspräsident Angehörige der SPD waren, protestierte das Zentrum als zweitstärkste Fraktion. Denn nicht zuletzt wurde die Regierung als sog. Weimarer Koalition gebildet, die aus den Parteien des Interfraktionellen Ausschusses bestand. Der bisherige Reichstagspräsident trat daher zurück, und Fehrenbach wurde am 14. Februar zum Reichstagspräsidenten gewählt.

Als solcher leitete Fehrenbach auch die Debatten um die Ratifizierung des Friedensvertrags von Versailles. In dem Schlußwort zu ersten Verhandlungsrunde am 12. Mai 1919 stellte er fest: „Wir hatten einen Frieden erhofft des Völkerbündnisses, der Völkerverständigung. Das ist keine Einleitung eines solchen Friedens, das ist die Verewigung des Krieges.“ Das Protokoll vermerkt „lebhafte Zustimmung“. Tragischerweise sollte er recht behalten. Unter Fehrenbachs Präsidentschaft wurde auch die Weimarer Reichsverfassung verhandelt und beschlossen, die besser als ihr nachträglicher Ruf war.

FEHRENBACH ALS REICHSKANZLER

Die erste Reichstagswahl nach dieser Verfassung fand am 6. Juni 1920 statt. Im Frühjahr zuvor erschütterte der Kapp-Putsch die junge Republik. Bei dieser Wahl verlor die Weimarer Koalition aus SPD, Zentrumspartei (inkl. Bayerische Volkspartei) und linksliberaler Deutsche Demokratische Parteien (DDP) die absolute Mehrheit. Deutlich dazugewonnen haben auf der linken Seite die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), die 1914 aus abgespaltenen SPD-Abgeordneten entstanden ist, die die Kriegskredite verweigerten und aus der dann die KPD hervorging, und auf der rechten Seite die rechtsliberale Deutsche Volkspartei (DVP) und die konservative Deutschnationale Volkspartei (DNVP).

Auf Drängen des Reichspräsidenten Ebert und seiner Partei bildete Fehrenbach ein Minderheitenkabinett aus Zentrum, DDP und DVP, wobei die SPD dieses stützte. Am 25. Juni 1920 wurde er zum Kanzler ernannt. Er wollte auch den späteren Reichskanzler Wilhelm Cuno (Sv) als Finanzminister gewinnen, was dieser aber ablehnte. Mitglied in seinem Kabinett war der Priesterpolitiker Heinrich Brauns (Nv) als Arbeitsminister.

Fehrenbach versuchte die Reparationslast zu mindern und vertrat seine Forderungen im Juli 1920 auf der Konferenz von Spa. Als sich im Frühjahr 1921 die Hoffnungen auf eine Unterstützung in dieser Frage seitens der USA endgültig zerschlugen, trat das Kabinett Fehrenbach am 4. Mai 1921 zurück. Das war für ihn allerdings noch kein Abschied von der Politik. Er blieb weiterhin Reichstagsabgeordneter und wurde Ende 1923 als Nachfolger von Wilhelm Marx (KV Arminia Bonn), der zum Kanzler ernannt wurde, zum Vorsitzenden der Zentrumsfraktion gewählt.

Fehrenbach war einer der bedeutendsten und maßgeblichsten Politiker in der durch den verlorenen Weltkrieg geprägten Transformationsphase Deutschlands von der Monarchie zur Republik. Er starb als aktiver Reichstagsabgeordneter nach mehrwöchiger Krankheit und wurde auf dem Freiburger Hauptfriedhof beigesetzt. In Freiburg wurde die Fehrenbachallee nach ihm benannt, und an dem Haus, wo sich seine Anwaltskanzlei befand, sowie an seinem Geburtshaus wurden Gedenktafeln angebracht.

Quellen und Literatur:

Academia 20 (1907/08), 262.
CV-Handbuch, Herausgegeben von der Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V. Regensburg 2000, 546.
Becker, Josef: Konstantin Fehrenbach (1852–1926), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts. Hg. von Rudolf Morsey. Mainz 1973, 137–147.
Clemens Woll (H-RM) in Academia 114 (2021), Nr. 2, 10–13.
Ulrich Feth (Hr) in Academia 115 (2022), Nr. 5, 16–19.