Wartungsfunktionen

MdR Pfr. Präl. Karl Ulitzka

MdR Pfr. Präl. Karl Ulitzka

Urverbindung: Carolina (16.04.1894)

Bandverbindungen: Wf

Geboren: 24.09.1873, Jernau (Jarowniów), Kreis Leobschütz (Głubczyce), Oberschlesien (nunmehr Polen)
Gestorben: 12.10.1953, Berlin
Mitglied des deutschen Reichstages, Landeshauptmannstellvertreter von Oberschlesien, preußischer Landtagsabgeordneter, Weltpriester
Politische Haft: 1933 Polizeihaft, 1944/45 KZ Dachau

Lebenslauf:

Ulitzka wurde als Sohn eines Landpostagenten geboren, der dann nach Rogau, Kreis Oppeln (nunmehr Opole), zog. Dort besuchte Ulitzka die Volksschule und danach das Gymnasium in Ratibor (Racibórz), das er im Frühjahr 1894 absolvierte. Anschließend begann er sein Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Graz, wo er der Carolina beitrat (Couleurname Elli). Sein Leibbursch war Josef Moll (Cl). Dort wurde er gleich Bierzeitungsredakteur und bereits nach zwei Monaten geburscht, weil er im Herbst 1894 sein Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Breslau fortsetzte, wo er bei Winfridia aktiv wurde..

Nach seiner Priesterweihe am 21. Juni 1897 war Ulitzka an verschiedenen Posten in der Seelsorge tätig, so u. a. ab 1901 in Berlin, das damals zum Bistum Breslau gehörte. sowie in Bernau (Brandenburg). 1909 wurde er Pfarrer von St. Nikolaus in Ratibor-Altendorf, was er nominell bis 1945 blieb.

Ab seiner Pfarrerstätigkeit begann sein politisches Wirken für die katholische Zentrumspartei. In den Jahren 1918 bis 1921 tat Ulitzka sich besonders im Abstimmungs- und Abwehrkampf in Oberschlesien hervor. Hier trat er für die Schaffung eines eigenen deutschen Landes Oberschlesien des Deutschen Reiches ein, also die Loslösung von Preußen. 1919 wurde lediglich der bisherige Regierungsbezirk Oppeln von der Provinz Schlesien abgetrennt und eine eigene preußische Provinz Oberschlesien mit einem eigenen Provinziallandtag gebildet. Ulitzka wurde 1919 Vorsitzender der Zentrumspartei für Oberschlesien, die unter dem Namen Katholische Volkspartei kandidierte, um auch für die Polen wählbar zu sein.

Der bisherige Zentrumsvorsitzende für die Provinz Schlesien, Felix Porsch (Gu), blieb dann als solcher Vorsitzender in der nunmehrigen preußischen Provinz Schlesien. Zwischen Ulitzka und Porsch gab es vor dem Ersten Weltkrieg Differenzen, die nach 1918 nicht mehr bestanden. Porsch wohnte 1921 während des Abstimmungswahlkampfes im Pfarrhof von Ulitzka.

Es war daher kein Wunder, daß Ulitzka am 19. Januar 1919 in die Weimarer Nationalversammlung und 1920 in den deutschen Reichstag gewählt wurde, dem er bis zum 27. Mai 1933 u. a. auch als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses angehörte. Im Jahr 1922 war er für kurze Zeit auch preußischer Landtagsabgeordneter. Ebenso gehörte er dem oberschlesischen Provinziallandtag an.

1921 wurde Ulitzka nicht nur Domherr, sondern auch Landeshauptmannstellvertreter für Oberschlesien, so daß man ihn nicht zu Unrecht den „ungekrönten König von Oberschlesien“ nannte. Auch sein äußeres Auftreten und Erscheinungsbild war durchaus attraktiv, wie die Bilddokumente beweisen. Der sozialdemokratische Präsident des Reichstages, Paul Löbe, bezeichnete ihn einmal als den „schönsten Mann des Reichstages“, und der badische Zentrumspolitiker Heinrich Köhler (Nm EM) bemerkte, daß er „besonders unter den Frauen viele stille Verehrerinnen hatte“. 1926 wurde Ulitzka zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt.

Nach einer historisch nicht gesicherten Überlieferung von Franz von Papen wäre Ulitzka 1928 der Gegenkandidat des linken Zentrumsflügels gegen Prälat Ludwig Kaas (A1Bo EM) um die Position des Parteivorsitzes gewesen. Dies zeigt u. a., daß Ende der zwanziger Jahre der Einfluß der sog. „Zentrumsprälaten“ besonders groß war. Er selber gehörte seit 1923 dem Vorstand der Zentrumsfraktion im Reichstag an.

Anläßlich der Reichstagswahlen im Jahr 1930 unterschrieb Ulitzka zusammen mit Thomas Mann und dem sozialdemokratischen Reichsinnenminister Carl Severing einen Aufruf „Gegen die Kulturschande des Antisemitismus“ – und somit gegen den damals aufstrebenden Nationalsozialismus.

Als in der Fraktion am 23. März 1933 über die Zustimmung oder Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes debattiert wurde, versuchte Ulitzka, den früheren Reichskanzler Heinrich Brüning (Bd) von seinem Austritt abzubringen, falls man dem Ermächtigungsgesetz zustimmte. Er selber hatte wiederholt nach dieser Abstimmung erklärt, daß er von Schuldgefühlen gequält werde.

Bereits Mitte März 1933 wurde Ulitzka in Gleiwitz (Gliwice) von Nazis auf der offenen Straße tätlich angegriffen und vorübergehend in Schutzhaft genommen. Er entging im Juni 1939 nur knapp einem heimtückischen Meuchelmord, mußte am 11. Juli 1939 seine Pfarre zwangsweise verlassen, weil er sich u. a. für den Gebrauch der polnischen Sprache in der Liturgie einsetzte, und wurde Krankenhaus- und Schwesternseelsorger am Krankenhaus St. Antonius in Berlin-Karlshorst. Dort wurde er am 24. Oktober 1944 verhaftet und kam am 21. November ins KZ Dachau, das er erst am 29. März 1945 verlassen konnte.

Obwohl die Ostfront bereits ziemlich nahe war, kehrte Ulitzka Ende März 1945 aus Dachau über Berlin nach Oberschlesien zurück, wo er in Ratibor am 5. August 1945 ankam. Er mußte aber dann von dort am 12. August fliehen, nachdem von polnischer Seite gegen ihn Morddrohungen ausgesprochen wurden. Er kehrt wieder an das Krankenhaus St. Antonius in Berlin zurück, wo er in Berlin-Friedrichshagen starb und auf dem Friedhof „Zur frohen Botschaft“ in Berlin-Karlshorst begraben wurde.

Trotz der Entfernung zu Graz hielt Ulitzka immer Kontakt zur Carolina. Wohl sein bedeutendster Auftritt war die Festrede anläßlich des 40. Stiftungsfestes beim Festkommers am 27. Juni 1928. Ihm war es auch zu verdanken, daß Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre viele Oberschlesier in Graz studierten und vor allem bei der Carolina aber auch beim Traungau aktiv wurden.

In mehreren Städten Deutschlands sind nach ihm Straßen benannt worden, so u. a. in Leverkusen und in Bernau (Brandenburg), wo Ulitzka nach der Priesterweihe kurz als Seelsorger tätig war.

Werke:

Leo XIII., der Lehrer der Welt (1903).

Quellen und Literatur:

Archiv Carolina. Carolinas Tote VI, S. 181f.
Academia 7 (1894/95), S. 17 und 76, 22 (1909/10), S. 313, und 39 (1926/27), S. 100.
Hupka, Herbert: Carl Ulitzka (1873–1953), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern. Band 4. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von Jürgen Aretz, Rudolf Morsey und Anton Rauscher. Mainz 1980, S. 172–185.
Widerstand und Verfolgung im CV. Die im Zweiten Weltkrieg gefallenen CVer (Zählbild). Eine Dokumentation. Hg. von der Gesellschaft für Studentengeschichte und studentisches Brauchtum e. V. München 1983, S. 184f.
Hartmann, Gerhard (Baj): Im Gestern bewährt. Im Heute bereit. 100 Jahre Carolina. Zur Geschichte des Verbandskatholizismus. Unter Mitarbeit von Dieter A. Binder. Herausgegeben von Maximilian Liebmann im Auftrag des Altherrenbundes der K. Ö. H. V. Carolina (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte Band 2). Graz 1988, S. 326 und 393.
Hitze, Guido: Ungekrönter König von Oberschlesien.Vergessener Politiker der Weimarer Republik. Carl Ulitzka, Pfarrer von Ratibor-Altendorf. Düsseldorf 2002.
Krenn, Christoph, Rudolf: Der ungekrönte König von Oberschlesien: Prälat Karl Ulitzka, in: Carolinenblätter. Studienjahr 2005/06, S. 10f.
Hartmann, Gerhard (Baj)–Simmerstatter, Markus (Cl): Ein großes Gehen Hand in Hand. 1888 bis 2013. Graz 1913, S. 362.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 367f.