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BezH. Dr. Franz Seywald

BezH. Dr. Franz Seywald

Urverbindung: Austria-Wien (13.10.1910)

Geboren: 09.05.1891, Linz
Gestorben: 24.07.1944, Salzburg (ermordet)
NS-Opfer, Landesbeamter (Salzburg)
Politische Haft: 1944 Haft in Salzburg

Lebenslauf:

Seywald wurde als Sohn eines k. k. Zollbeamten geboren, der aus St. Marien (Bezirk Linz-Land) stammte und bäuerlicher Abkunft war. Seywald besuchte in Salzburg das Gymnasium, wo er 1907 der katholischen Pennalie Almgau (später MKV) beitrat (Couleurname Baldur). Nach der Matura im Jahr 1910 begann er das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur.), wo er der Austria beitrat (Couleurname Volkmar). Der spätere Salzburger Landeshauptmann Franz Rehrl (AW) wurde am selben Tag wie er rezipiert.

Im Ersten Weltkrieg wurde Seywald zwar eingezogen, aber wegen einer Infektionskrankheit bald wieder entlassen. An einer Front war er jedenfalls nicht eingesetzt. Nach dem Studium bzw. dem Krieg trat er 1919 in den Dienst der Salzburger Landesregierung (letzter Dienstgrad Oberregierungsrat). 1931 wurde er zum Bezirkshauptmann von St. Johann im Pongau ernannt. Ab 1933 engagierte er sich in der Vaterländischen Front. Nach dem Anschluß wurde Seywald aus dem Staatsdienst entlassen und erhielt danach reduzierte Versorgungsbezüge. Er fand dann eine Anstellung beim Salzburger Notar Hans Seethaler (AW).

Seit 1941 hörte Seywald in seiner eigenen Wohnung sowie in der von Karl Biack (Nc) zusammen mit weiteren Gleichgesinnten regelmäßig die ausländischen Radiosender BBC oder Beromünster (Schweiz) ab, was damals strengstens verboten war. Aufgrund einer Denunziation durch einen Gestapospitzel, den späteren Schauspieler Peter Garden, wurden u. a. Seywald, Biack und dessen Ehefrau Edeltraud, Maximilian Platter (AIn) und dessen Ehefrau Brigitte sowie Albert Schmidinger (Va) und dessen Ehefrau Rosa am 21. März 1944 verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt. Angeklagt wurde auch Seywalds Ehefrau Margarete, sie blieb aber auf freiem Fuß. Seywalds Sohn Gottfried wurde ebenfalls angeklagt und in Untersuchungshaft genommen.

In der Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof Salzburg wegen Vorbereitung des Hochverrates heißt es: „Die Angeschuldigten […] klage ich an, von 1941 bis 1944 […] durch Förderung des habsburgischen Separatismus ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben, indem sie Rundfunkabhörgemeinschaften bildeten, […] Nachrichten […] abhörten, erörterten und verbreiteten, wobei sie insbesondere die Sendungen aus London, die für ein ‚freies, selbständiges Österreich‘ Propaganda machten, bevorzugten. […] Die Angeschuldigten Seywald, Biack […], die sich an diesen Umtrieben maßgeblich beteiligten und wiederholt erklärten, Deutschland werde diesen Krieg verlieren, haben damit zugleich den Siegeswillen des deutschen Volkes zu erschüttern gesucht und die Propaganda der Feinde unterstützt.“

Bezüglich Seywald heißt es dann weiter: Er war „unter dem Dollfuß-Schuschnigg-Regime besonders systemtreu und bekämpfte den Nationalsozialismus und seine Anhänger in fanatischer und gehässiger Weise. […] Der Angeschuldigte Seywald konnte sich nach dem Ausbruch des gegenwärtigen Krieges mit den gegebenen Verhältnissen nicht abfinden, sondern suchte […] aus seiner staatsfeindlichen Einstellung heraus Verbindung mit Personen und Nachrichtenquellen, die gleichfalls die durch die NSDAP getragene Neuordnung des großdeutschen Raumes ablehnten. Im Laufe des Jahres 1941 ging er dazu über, die deutschsprachigen Sender des Londoner Rundfunks abzuhören. […] Bei diesem Abhören in der eigenen Wohnung waren mehrmals seine Ehefrau, sein Sohn Gottfried […] zugegen. […] In dieser Zeit stand der Angeschuldigte Franz Seywald im engeren persönlichen Kontakt mit den Mitangeschuldigten Eheleuten Biack.“

Weiter steht in der Anklageschrift, Seywald habe zu Weihnachten 1943 mit der Post die hochverräterische Druckschrift „Österreichische Unabhängigkeitserklärung“ bekommen, wo die Selbständigkeit Österreichs unter Einschluß des süddeutschen Raumes zum 1. März 1944 proklamiert werden sollte. Die aus Österreich stammenden Wehrmachtsangehörigen wurden zur Desertion aufgefordert und die Alliierten USA, Großbritannien und Sowjetunion um Hilfe ersucht. „Die Ehefrau Seywald und der Angeschuldigte Gottfried Seywald nahmen von dem Inhalt der Druckschrift Kenntnis und händigten sie dem Angeschuldigten Ehemann Seywald aus. Dieser zeigte sie nacheinander zwei guten Bekannten.“ Danach habe er sie verbrannt.

Einen Tag nach dem Attentat auf Hitler begann am 21. Juli 1944 der Prozeß vor dem Volksgerichtshof in Salzburg unter dem Vorsitz des Präsidenten Roland Freisler. Seywald und Biack wurden am 22. Juli zum Tode verurteilt. Ein anderes Urteil war zwei Tage nach dem 20. Juli wohl nicht zu erwarten gewesen. Seywalds Ehefrau und wurde freigesprochen. Sein Sohn wurde aus Mangel an Beweisen aus dem Salzburger Prozeß ausgeschieden und in das Gefängnis Berlin-Plötzensee gebracht, wo ein Prozeß gegen ihn vorbereitet werden sollte. Er meldete sich jedoch freiwillig zur Deutschen Wehrmacht, woraufhin er im Oktober 1944 freigesprochen wurde.

Bezüglich des weiteren Schicksals von Seywald gibt es zwei unterschiedliche Versionen. In einem Schreiben der Reichsstatthalterei Salzburg an das Reichsministerium des Inneren betreffend der Einstellung der Versorgungsbezüge für Seywald vom 7. August 1944 heißt es: „Seywald hat sich kurz nachher [nach der Verurteilung, Anm. d. Verf.] in der Haft erhängt.“ Infolge dieses amtlichen Dokuments wurde daher tradiert, Seywald hätte in der Zelle Selbstmord durch Erhängen begangen.

Die zweite und wohl tatsächliche Version wurde von Thomas Seywald, einem Enkel von Franz Seywald, 2014 mitgeteilt: „Mein Vater Gottfried Seywald, der älteste Sohn des Franz Seywald, hat mir, seinem Sohn, (leider als einzigem) diese Tragödie ganz anders geschildert. Es war anläßlich des Besuchs von Herbert Fux [Schauspieler, Nationalratsabgeordneter der Grünen, Anm. d. Verf.]. […] Mein Vater hat mir nach dem Gespräch mit Fux (dem ich beiwohnte) unter Tränen und mit immer wieder brechender Stimme erzählt, was er 1944 erlebt hatte. Er hat das Wissen nicht länger alleine tragen können. Danach hat er nie wieder drüber gesprochen, mit niemandem. […] Mein Vater erzählte mir, er war gerade haftfähig (18) geworden, da hätten sie ihn gleich mit inhaftiert. Es brannte vom 23. auf den 24. Juli 1944 die ganze Nacht das Licht in einer der Zellen, und jeder wußte, wenn das Licht brennt, ist es ein Todeskandidat. Er kannte die Zelle seines Vaters aber nicht und schlief ein. Frühmorgens kamen sie ihn zu zweit holen und haben ihn gezwungen zuzusehen, wie sie seinen Vater aufhängen, das begleitet von den Worten: ‚Da schau her, so geht‘s bei uns den Verrätern.‘ Später haben sie gesagt, sie hätten nicht gewußt, daß das sein Vater gewesen sei. Einer der Nazis soll noch gesagt haben: ‚Wieder einer weniger von den Schweinen.‘ Der Gefängnis-Seelsorger selbst hat damals ebenfalls gesagt, sie hätten ihn umgebracht.“

Thomas Seywald teilte am 7. November ergänzend mit: „Mein Vater Gottfried kannte die Zelle von Franz Seywald sehr wohl. Er hat sich noch am Abend vor der Ermordung seines Vaters Franz von Fenster zu Fenster (sein Vater war gegenüber eingesperrt) unterhalten. An diesen abendlichen Gesprächen war nichts ungewöhnlich, das taten sie häufig, und mein Vater hatte am Abend des 24. Juli nicht den Eindruck, daß etwas im Busch sei. Er schlief dann ein, bis sie ihn in der Nacht (nicht frühmorgens) holten. (Um 22.30 Uhr wurde Franz erhängt. Sein Zellengenosse, Andre Despons, hatte am Abend ein weißes Pulver in einem Wasserglas trinken müssen.).“

Nach diesen glaubwürdigen Schilderungen wurde Seywald nicht offiziell hingerichtet, was ihm – so wie Biack – sicherlich auch widerfahren wäre, sondern offenbar in einem spontanen Willkürakt von fanatisierten Gefängniswärtern des Untersuchungsgefängnisses Salzburg lynchartig erhängt. Daß danach offiziell ein Selbstmord konstruiert wurde, war für das NS-Terrorsystem typisch. Dieser Vorfall steht sicherlich auch in einem Zusammenhang mit Vorkommnissen rund um den 20. Juli 1944, wo es kurz danach häufig zu solchen „Abrechnungen“ kam.

Der in „Farbe tragen“ (siehe unten) genannte Geburtsort Salzburg-Aigen ist nicht korrekt. In den Gesamtverzeichnissen des CV bis 1931 wird Seywald mit dem Vornamen Joseph geführt. Im ÖCV-Gesamtverzeichnis wie im Österreichischen Amtskalender 1935 steht der Vorname Franz. Seywald hatte drei Söhne, neben Gottfried Seywald noch Kurt Seywald (R-J) und Oskar Seywald.

Seywalds Leiche wurde verbrannt und seine Asche verstreut. In Salzburg wurde Ende September 2017 vor dem Landesgericht (Rudolfsplatz) ein sog. „Stolperstein“ zu seinem Gedächtnis verlegt.

Quellen und Literatur:

Mitteilungen von Dr. Thomas Seywald, Emails vom 24. Juli und 1. August 2014 sowie vom 7. November 2015 und vom 28. September 2017.
Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934–1945. Eine Dokumentation. Band 2. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Wien 1991, S. 80–85.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 320–322.