Lebenslauf:
Marschall wurde als Sohn eines Gemeindesekretärs und Gastwirts geboren. Er besuchte zuerst das Gymnasium in Nikolsburg (Mikulov, Südmähren) und absolvierte dann 1860 das Piaristengymnasium in Wien. Danach trat er in das Wiener Priesterseminar ein und studierte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien (abs. theol. 1864). Am 24. Juli 1864 wurde er zum Priester geweiht und anschließend zum Weiterstudium nach Rom geschickt (Dr. theol. und Dr. iur. can. 1866).
Nach seiner Rückkehr 1866 war Marschall Kaplan in St. Elisabeth Wien-Wieden. Am 1. Juli 1870 wurde er zu einem der Erzieher für Erzherzog Franz Ferdinand und am 2. August desselben Jahres zum k. u. k. Hofkaplan bestellt. In der Folge war er religiöser Erzieher für weitere Mitglieder des Kaiserhauses (u. a. Erzherzog Karl Ludwig). Am 4. Januar 1880 wurde er zum Domkapitular von St. Stephan und am 23. Mai 1880 zum infulierten Propst der Wiener Votivkirche ernannt. Daneben war er am erzbischöflichen Metropolitan- und Diözesangericht als Defensor vinculi (Ehebandverteidiger) tätig. Am 8. Dezember 1891 wurde er zum infulierten Domscholaster (eine Dignität des Domkapitels) ernannt.
Am 15. Januar 1901 wurde Marschall zum Titularbischof von Ortosia und Weihbischof von Wien ernannt sowie am 12. Mai zum Bischof geweiht. Am 28. Februar 1905 bestellte ihn Anton Kardinal Gruscha (AW EM) zum Generalvikar. In dieser Zeit wurde Marschall bei der Bevölkerung sehr beliebt, vor allem im katholischen Vereinswesen. Er leitete in den letzten Jahren des arbeitsunfähigen Gruscha praktisch die Erzdiözese Wien. Am 8. Juni 1906 wurde er zum Dompropst ernannt.
Als Kardinal Gruscha einen Koadjutor bekommen sollte und Marschall übergangen wurde, war die allgemeine Empörung sehr groß. Das geschah auf Betreiben seines ehemaligen Schülers, des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand, wo es zwischen diesen beiden wegen dessen morganatischer Eher offenbar zu einer Entfremdung gekommen war. Ernannt wurde am 1. Januar 1910 der bisherige Bischof von Triest, Franz X. Nagl (Aa EM), zum Bischofkoadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Als dieser Marschall das Amt des Generalvikars weiter anbieten wollte, lehnte er das ab. „Es soll dies dem Vernehmen nach mit einem etwas drastischen Ausdruck geschehen sein, wie es seiner populären Umgangssprache auch entsprach.“ (Franz Loidl)
Marschall zog sich dann für den kurzen Rest seines Lebens verbittert zurück. Im 12. Wiener Gemeindebezirk ist ein Platz nach ihm benannt.
Werke:
(Auswahl)Erzherzogin Sophie in Ihrem Leben und Wirken. Trauerrede, gehalten am 3. Juni 1872 (1872).
Ansprache bei der Feier der ersten heiligen Kommunion des Erzherzogs Ferdinand und der ... Erzherzogin Margaretha am 2. Juli 1882 zu Reichenau (1876).
Von hohen Norden (1877).
Religion und ihr Einfluß auf den Menschen (1878).
Erstkommunionansprache für Erzherzogin Maria Annunziata (1888).
Quellen und Literatur:
Diözesanarchiv. Priesterdatenbank.Kutschera, Hans: Weihbischof Dr. Gottfried Marschall. 1840–1911. Eine Biographie. Wien phil. Diss. 1959.
Loidl, Franz (ehemals NbW): Kardinal Franz Nagl. Fürsterzbischof von Wien (1911/13), in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 7 (1966), 34.
Hartmann, Gerhard (Baj): Godefried Marschall, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Hg. von Erwin Gatz. Berlin 1983, 477f.