Lebenslauf:
Lechner stammte aus Wien-Währing und begann nach der Matura im Jahr 1932 mit dem Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1937), wo er der Rudolfina beitrat (Couleurname Tilly). Sein Leibbursch war Roland Jiresch (Rd). Eine zusätzliche Ausbildung erhielt er an der Handelsschule Deutsch und in Privatkursen für Finanz- und Steuerwesen.
Lechner engagierte sich bei der im Herbst 1933 errichteten Hochschülerschaft Österreichs (HÖ), wurde Anfang 1934 Leiter der Fachgruppe Juristen an der Universität Wien und baute diese auf. Diese Funktion entsprach nach 1945 einem Fachschaftsleiter. 1936/37 vertrat Lechner einige Male Heinrich Drimmel (NdW) in dessen Eigenschaft als Sachwalter der HÖ an der Universität Wien. Im September 1937 wurde er dort dessen Nachfolger und ebenfalls mit 1. Oktober 1937 auf Vorschlag Drimmels Sachwalter der Hochschülerschaft Österreichs, weil dieser eine Stellung in der Finanzverwaltung antrat.
Während seiner Tätigkeit als Fachgruppenleiter zog sich Lechner die Gegnerschaft der nationalen Studentenschaft zu und erhielt im Wintersemester 1934/35 immer wieder anonyme Drohanrufe, daß ein Anschlag gegen ihn von der unterhalb seines Büros befindlichen WC-Anlage aus unternommen werde. Daraufhin wurde diese überwacht. Lechner pflegte einen anderen Stil. Während Drimmel die Studenten mit Kameraden ansprach, verwendete er den Begriff Kollegen. Wie überhaupt seine Äußerungen sich deutlich vom Stil Drimmels absetzten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit deutete er an, daß daran gedacht sei, das System der Ernennung der Sachwalter durch das Prinzip der freien Wahl zu ersetzen.
Im Zuge des Anschlusses im März 1938 wurden die Räumlichkeiten der HÖ von den Nazis besetzt, und Lechner wurde am 13. März verhaftet. Nach seiner Haftentlassung im September 1939 arbeitete er zuerst stundenweise dann als Bürovorstand fest angestellt bei der Alpenmilchzentrale Putz in Wien-Favoriten. Im November 1942 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und geriet in britische Kriegsgefangenschaft, aus der zu Weihnachten 1946 zurückkehrte.
Am 22. Januar 1947 trat Lechner in den Dienst des Österreichischen Milch- und Fettwirtschaftsverbandes und war dort in der Betriebsabrechnung eingesetzt. Im Februar 1952 wurde er Leiter der gesamten Finanzverwaltung dieses Verbandes, der dann in den Milchwirtschaftsfond umgewandelt wurde. Mit 1. Januar 1968 wurde er zum Geschäftsführer-Stellvertreter und mit 1. Januar 1970 zum Geschäftsführer des Milchwirtschaftsfonds ernannt. Darüber hinaus war er dort von 1950 bis 1967 Betriebsratsobmann. Aufgrund seiner beruflichen Stellung war er Sachverständiger bei der Paritätischen Kommission und bei der Preisbehörde. Anfang 1972 wurde ihm der Berufstitel Hofrat verliehen. Er ging Ende Mai 1976 krankheitshalber in den dauernden Ruhestand.
Lechners studentische Spitzenfunktion, die knapp fünfeinhalb Monate gedauert hatte, geriet im CV bzw. in der Rudolfina in Vergessenheit. Auch in fachhistorischen Veröffentlichungen fand sie bis 2010 keine Erwähnung. Er wurde auf dem Friedhof Wien-Dornbach (6/40) begraben.
Quellen und Literatur:
Aktenbestand der Ehrenzeichenkanzlei der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei (Kabinettsdirektor i. R. Heinz Hafner Am, Mitteilung 18. 1. 2022).Wagner, Gerhard: Von der Hochschülerschaft Österreichs zur Österreichischen Hochschülerschaft. Kontinuitäten und Brüche. Wien phil. Dipl.-Arb. 2010, S. 131–136, 281–285 und 428f.