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StR a.D. HS Prof. i.R. Dr. Dr. Richard Kerschagl

StR a.D. HS Prof. i.R. Dr. Dr. Richard Kerschagl

Ehrenmitgliedschaften: Mercuria

Geboren: 25.05.1896, Wien
Gestorben: 30.12.1976, Hermagor (Kärnten)
Hochschulprofessor (Volkswirtschaftslehre), Mitglied des Staatsrates
Politische Haft: 1938 Polizeihaft

Lebenslauf:

Kerschagl wurde als Sohn eines Bürgerschuldirektors geboren, der aus einer alten Kärntner Bauernfamilie stammte, und absolvierte das Schottengymnasium in Wien. Nach der Maturs 1914 begann er das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. iur. 1919). Dieses unterbrach er, als er im Ersten Weltkrieg zum Kriegsdienst einberufen wurde (letzter Dienstgrad: Leutnant der Reserve), konnte aber durch Studienurlaube zeitweise weiterstudieren.

1918/19 nahm Kerschagl an den Grenzkämpfen in Kärnten teil. 1919 trat er als Währungssachverständiger in den Dienst der in Auflösung begriffenen Österreichisch-ungarischen Bank ein und war an der Auflösung des Kronen-Währungsraums beteiligt. Nebenbei studierte er das neue Fach Staatswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. rer. pol. 1922) und trat 1923 in den Dienst der neu gegründeten Österreichischen Nationalbank ein.

Nebenher begann Kerschagl eine akademische Laufbahn. 1921 wurde er Dozent an der Hochschule für Welthandel, 1929 Lehrbeauftragter an der Konsularakademie. 1930 wurde ihm der Titel eines außerordentlichen Professors verliehen. 1933 richtete er auf der Hochschule für Welthandel das Seminar für Währungsforschung ein und wurde Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Konsularakademie.

1929 trat Kerschagl der Wiener Heimwehr bei, übernahm dort Funktionen (Mitglied des Kommandokaders, stellvertretender Bataillonskommandant) und nahm 1934 an den Februarkämpfen teil. Nach Errichtung des „Ständestaates“ wurde er zum Mitglied des Staatsrates berufen, dem er vom 1. November 1934 bis zum 12. März 1938 angehörte. Dieser wählte ihn am 27. November 1934 in den Bundestag. 1937 wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor an der Hochschule für Welthandel berufen.

Nach dem Anschluß wurde Kerschagl als Parteigänger der „Ständestaates“ am 13. März 1938 verhaftet. Nach seiner Entlassung am 29. Juli 1938 wurde er mit dem „Gauverbot“ belegt und am 27. August 1938 entlassen. Im März 1940 wurde diese rückwirkend in eine Versetzung in den Ruhestand bei Kürzung der Bezüge um ein Viertel umgewandelt. Sein Nachfolger als Professor an der Hochschule für Welthandel wurde der spätere Finanzminister Reinhard Kamitz.

Kerschagl arbeitete zuerst als rechtswissenschaftlicher Berater der Shantung Handels AG, dann in Berlin und bis 1944 als Leiter einer Bank im besetzten Polen. Danach gelang ihm die Rückkehr nach Kärnten, wo er im Widerstand aktiv war.

Nach dem Krieg war Kerschagl kurz für die britische Besatzungsmacht und die provisorische Kärntner Landesregierung tätig und wurde noch 1945 als ordentlicher Hochschulprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Welthandel rehabilitiert. In den Studienjahren 1947/48 und 1948/49 sowie 1960/61 und 1961/62 war er dort Rektor. Er engagierte sich auch in der Gewerkschaft und war ab 1952 Obmann der Sektion Hochschullehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

Nach 1945 bemühte sich Kerschagl mehrmals um ein Ministeramt oder eine Spitzenfunktion in der Österreichischen Nationalbank und versuchte vor allem die Karriere von Reinhard Kamitz zu verhindern. Er galt als einer der profiliertesten Nationalökonomen und Finanzwissenschaftler sowie Intellektuellen in der ÖVP. Er veröffentlichte zahlreiche finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Werke und prägte bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1967 die Studenten der Hochschule für Welthandel durch seine Persönlichkeit. Sein Nachfolger dort wurde Stephan Koren (Le EM).

Die 1947 gegründete Mercuria verlieh Kerschagl noch vor deren Aufnahme in den ÖCV die Ehrenmitgliedschaft (Couleurname Hubertus).

Werke:

(Auswahl)
Die Währungstrennung in den Nationalstaaten (1920).
Die Lehre vom Gelde in der Wirtschaft (1921).
Theorie des Geldes und des Nationalstaates (1923).
Volkswirtschaftslehre (1926).
Geld- und Kreditpolitik (1930).
Devisenbewirtschaftung (1932).
Vom Widersinn des Marxismus (1933).
Handelspolitik (1947).
Das österreichische Devisenrecht (1952).
Einführung in die Finanzwissenschaft (1963).
Die Inflation (1973).

Quellen und Literatur:

Enderle-Burcel, Gertrude: Christlich–ständisch–autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938. Biographisches Handbuch der Mitglieder des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschaftsrates sowie des Bundestages. Unter Mitarbeit von Johannes Kraus. Hg. vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und der Österreichischen Gesellschaft für Quellenstudien. Wien 1991, S. 120f.
Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Farbe Verfolgung. Hg. von Peter Krause (Rt-D), Herbert Reinelt und Helmut Schmitt. Zweite wesentlich erweiterte Auflage. Teil 2: Kuhl, Manfred (F-B): Ergänzungsband Biographien. Wien 2020, S. 160.